Gauck:Gerne. Aber schnell

Es gibt Gründe, warum dieser Bundespräsident lieber aufhören sollte. Es gibt auch Gründe, dass er weitermachen und eine zweite Amtszeit anschließen soll. Vor allem aber gibt es Gründe, warum er jetzt schleunigst eine Entscheidung bekannt geben sollte.

Von Constanze von Bullion

Qua Amt ist der Bundespräsident dazu berufen, das Land zu führen, ohne es zu regieren. Klingt banal, ist es aber nicht. Wer diese Aufgabe ausfüllen will, braucht neben ein paar Anliegen das Geschick, die Dinge voranzubringen, ohne in die Parteipolitik einzugreifen. Er oder sie muss aber auch genug Persönlichkeit besitzen, um diese nicht-operative Führung glaubwürdig zu verkörpern. Joachim Gauck hat beides, er stößt Kontroversen an und besitzt mehr Persönlichkeit, als manchen lieb ist. In der Frage aber, ob er eine zweite Amtszeit will, entgleitet ihm jetzt die Debattenführung, weil er zu lange zögert, sich zu erklären. Das ist schade und wäre nicht nötig gewesen.

Kaum ein Tag vergeht mehr, an dem nicht eine Zeitung oder ein Sender Szenarien entwirft, ob Gauck oder wer denn sonst 2017 Staatsoberhaupt werden soll. Gauck reagiert auf solche Fragen nach dem Motto: "Ich denke nach, also bin ich." Je länger diese Orakelei aber dauert, desto weniger ist er Spielführer und desto mehr Getriebener. Im "Frühsommer" gebe er Bescheid, sagte Gauck jetzt dem Deutschlandfunk. Wirklich? Warum nicht gleich am Tag vor der nächsten Bundespräsidentenwahl? Das würde jedenfalls maximale Spannung bedeuten.

Der Bundespräsident tut sich keinen Gefallen mit dieser Zeitschinderei. Würde er jetzt Ja sagen zu einer zweiten Amtszeit, wäre ihm Zuspruch von fast allen demokratischen Parteien sicher. Tut er es in zwei Monaten, wenn über allerlei jüngere Nachfolger spekuliert worden ist, dürften viele sich die Augen reiben und sagen: Wie jetzt? Doch wieder der alte Gauck?

Für derlei Selbstbeschädigung gibt es keinen Grund, auch Liebedienerei für die Bundeskanzlerin kann keiner sein. Schon wahr, Angela Merkel hat kein Interesse, den Posten des Bundespräsidenten neu zu besetzen. In unruhigen Zeiten, in denen in der Bundesversammlung angestammte Mehrheiten schrumpfen, wäre Gauck für Merkel Mister Nummer sicher. Ein neuer Kandidat dagegen, der nicht ins parteipolitische Farbenspiel passt oder gar bei der Bewerbung patzt, könnte zum Debakel für Merkel werden.

Die Kanzlerin also braucht Zeit zum Suchen, falls Gauck tut, was Angehörige und Begleiter ihm wünschen, gerade weil sie ihn schätzen: dass er 2017 aufhört, weil eine zweite Runde nur glanzloser werden könnte als die erste, körperlich mühsamer sowieso. Gauck weiß das, er soll sich längst entschieden haben. Nach außen aber wirkt sein Manöver, als könne er sich weder vom Amt lösen noch zum Weitermachen durchringen. Weshalb er damit leben muss, dass die Nachfolgedebatte jetzt immer rücksichtsloser geführt wird.

Drei Ministernamen machten die Runde, überzeugen konnten sie nicht. Finanzminister Schäuble? Zu alt. Verteidigungsministerin von der Leyen? War schon mal besser. Außenminister Steinmeier? Angesehen, aber SPD-Mann. Seine Kandidatur würde als verfrühte Festlegung auf die nächste große Koalition gelten. Ähnliches gilt für alle Grünen, weil sie als Vorwegnahme von Schwarz-Grün gewertet würden. Joschka Fischer, der vermutlich nicht traurig wäre über eine Anfrage, wäre nach dieser Logik raus, Katrin Göring-Eckardt ebenso. Bleiben externe Kandidaten wie der Orientalist Navid Kermani, der dem Land guttäte, gerade jetzt, aber Union und SPD zu muselmanisch ist. Margot Käßmann verhüte der Herrgott, dann lieber die Soziologin Jutta Allmendinger. Eine Frau jedenfalls darf's schon mal sein nach elf älteren Herren im Schloss.

Und wenn Joachim Gauck doch noch einmal will? Dann bitte gern, aber schnell. Das Kandidatenkarussell wartet nicht.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: