Gauck entlässt und ernennt Umweltminister:Röttgen sagt zum Abschied leise "danke"

Es endet mit einer Zeremonie im Schloss Bellevue: Norbert Röttgen wird mit mahnenden Worten von Bundespräsident Gauck und einem Händedruck von Kanzlerin Merkel aus dem Amt geleitet. Der neue Umweltminister Altmaier gibt seinen Beamten per Twitter einen ersten Auftrag.

Michael König

Zum Schluss geben sie doch noch ein harmonisches Bild ab. Angela Merkel trägt einen türkisfarbenen Blazer, der sich mit Norbert Röttgens blauer Krawatte verträgt. Peter Altmaier und Joachim Gauck haben sich dieselbe Farbe um den Hals gebunden. Zumindest optisch ist damit alles einheitlich. "Gehen wir noch kurz dort hinüber, zum Foto?", fragt Gauck mit der Geste eines Großvaters auf der Familienfeier. Die Beteiligten kommen dem gerne nach.

Für Gauck ist es eine Premiere, seine erste Entlassung und erste Ernennung eines Bundesministers. Er lässt sie phasenweise wie eine Familienfeier aussehen, die am Dienstagmorgen im Großen Saal in Schloss Bellevue stattfindet. Aber tatsächlich ist es eine Zäsur.

Norbert Röttgen, vor kurzem noch als Kanzlerkandidat gehandelt, wird als Bundesumweltminister entlassen. Kanzlerin Merkel hatte nach der krachenden Wahlniederlage in Nordrhein-Westfalen kurzen Prozess mit ihm gemacht. An seiner Stelle inthronisiert sie Peter Altmaier, bislang Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und Vertrauter der Kanzlerin.

"Ausdruck der Demokratie, in der wir leben"

Das ging nicht ohne böses Blut vonstatten. Das Röttgen-Lager streut Gerüchte, wonach sich der gestürzte Minister rächen wolle, in dem er die "Wahrheit" über seine Demission verbreiten werde. In der NRW-CDU sehen sich viele ihrer Macht beraubt und fordern "Menschlichkeit" ein. Paradox: Röttgen hatte die Wahl auch deshalb verloren, weil er mit dem Segen der Partei auf Inhalte pochte, wo die deutliche SPD-Siegerin Hannelore Kraft Herzenswärme demonstrierte.

Gauck muss diese Entwicklung aufmerksam verfolgt haben. Es ist seinen kurzen Redebeiträgen anzumerken. Er nimmt sich zunächst Röttgen vor, der neben ihm steht und müde aussieht. Aber auch gelassen und in sich gekehrt.

"Ein solcher Wechsel ist ein Ausdruck der Demokratie, in der wir leben", sagt der Bundespräsident im Hinblick auf Altmaier und Röttgen. Auch in "schwierigen Situationen" gebe es eine "republikanische Normalität des Wechsels".

Auf die Schelte folgt viel Lob

Macht werde nur temporär vergeben, mahnt Gauck. "Verantwortung ist Verantwortung auf Zeit." Das darf als Seitenhieb verstanden werden. Nach allem, was bislang bekannt ist, war Röttgen nach der Wahlniederlage und der heftigen Kritik aus der eigenen Partei an seinem Wahlkampf nicht bereit, sein Amt zur Verfügung zu stellen. Röttgen ist nicht gegangen. Er ist von Merkel gegangen worden.

Er wird die Schelte verkraften. Auch, weil ihr viel Lob folgt. "Sie haben sich mit Ihrem Einsatz für Klima- und Umweltschutz einen Namen gemacht", sagt Gauck mit Blick auf Röttgen. Die Nutzung von erneuerbaren Energien habe der Minister "leidenschaftlich vorangetrieben" und "früher als andere" die Notwendigkeit der Energiewende erkannt. Das ist wiederum ein Seitenhieb auf Angela Merkel, die 2010 die Laufzeit der Atomkraftwerke verlängern ließ.

Merkel verfolgt die Verabschiedung mit regungsloser Miene. So will es das Protokoll, so ist es ihr vermutlich ganz recht. Die Kanzlerin blickt herüber, als Gauck sein Schlusswort einleitet: "Sie haben sich drei Jahrzehnte politisch für unser Gemeinwesen eingesetzt. Für Ihre Zukunft alles Gute und Gottes Segen."

Er verbeugt sich und schaut zu Boden

Schließlich geben sich beide Männer die Hand. Röttgen flüstert: "Danke, ich danke Ihnen sehr." Er verbeugt sich und schaut zu Boden. Und liefert damit einen Vergleichswert zum anschließenden Händedruck mit Merkel, bei dem seine Haltung nicht gar so demütig ist. Und zum Händedruck mit Peter Altmaier, dem Röttgen mit durchgestrecktem Rücken begegnet - auf Augenhöhe.

Auch Altmaier hat sich da schon mahnende Worte von Gauck anhören müssen. Der Bundespräsident nimmt den neuen Umweltminister in die Pflicht. Ein "verbindliches, globales Klimaabkommen" müsse her, sagt Gauck. "Die Bürger wissen das, sie wünschen sich Fortschritte." Altmaier wird sich dem Ende Juni widmen, wenn er zur "Rio+20"-Konferenz nach Rio de Janeiro fliegt. Nur eine von vielen Aufgaben, die auf Altmaier warten.

"Sie wollen sich der Energiewende widmen. Viel politische Energie wird vonnöten sein. Das Wort vom Bohren dicker Bretter traf selten so zu wie in diesem Zusammenhang", gibt ihm Gauck mit auf den Weg.

Altmaier lächelt und nickt. Er sagt nichts, das ist im Protokoll auch nicht vorgesehen. Aber er twittert. "Auf geht's, an die Arbeit!", schreibt er um 10:11 Uhr, nur wenige Minuten nach dem Erhalt seiner Ernennungsurkunde. Und "nur am Rande" kommuniziert er auf diesem Wege auch schon einen Auftrag für seine neuen Bediensteten: "Morgen erhält das BMU einen eigenen Twitter-Account!"

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