Gasumlage und EU:Brüsseler Prüfstempel

Gasumlage und EU: Ursula von der Leyens Kommission überwacht, dass die Mehrwertsteuer in den EU-Staaten auf vergleichbarem Niveau bleibt.

Ursula von der Leyens Kommission überwacht, dass die Mehrwertsteuer in den EU-Staaten auf vergleichbarem Niveau bleibt.

(Foto: Bart Maat/Imago)

Warum Finanzminister Lindner in Brüssel um Erlaubnis bittet, die deutsche Gasumlage nicht auch noch mit einer Mehrwertsteuer belegen zu müssen.

Von Josef Kelnberger, Brüssel

Es mag überraschend klingen, wenn Bundesfinanzminister Christian Lindner nun in Brüssel um Erlaubnis bittet, die deutsche Gasumlage nicht auch noch mit einer Mehrwertsteuer belegen zu müssen. Es liegt aber in der Logik des gemeinsamen Binnenmarktes. Das Recht, Steuern festzulegen, liegt in der Europäischen Union grundsätzlich bei den 27 Mitgliedsländern, doch setzt die EU einige Rahmenbedingungen, damit überall die halbwegs gleichen Spielregeln gelten und mit den Steuern gemeinsame politische Ziele verfolgt werden.

Deshalb gibt es in der EU eine Mehrwertsteuerrichtlinie. Deren letzte Reform trat am 6. April dieses Jahres in Kraft. Sie legt für die EU einen Normalsatz von 15 Prozent fest, ermöglicht den Staaten einen Null-Satz für Grundbedürfnisse wie Nahrungsmittel oder Arzneien und einen ermäßigten Satz von fünf Prozent für bestimmte Gegenstände und Dienstleistungen. Die Mehrwertsteuerrichtlinie und die Energiebesteuerungsrichtlinie - sie wird gerade überarbeitet mit dem Ziel, umweltfreundliche Energieformen zu fördern - bestimmen den Spielraum der 27 Mitgliedstaaten beim Versuch, die Energiepreise über das Drehen an den Steuern in den Griff zu bekommen.

Eine Vielzahl von Staaten haben bereits Verbrauchs- und Mehrwertsteuern gesenkt. Der für Wirtschaft zuständige EU-Kommissar Paolo Gentiloni schrieb deshalb den 27 Ministerinnen und Ministern am 25. April einen Brief, in dem er die Rahmenbedingungen klarstellte. Er verwies auf die Ausnahmeregeln bei den Energiesteuern und die Möglichkeit, die Mehrwertsteuer für Erdgas, Elektrizität und Fernwärme auf bis zu fünf Prozent zu senken. (Motorkraftstoffe sind von der Regel ausgenommen, für Solaranlagen dagegen kann sogar der Null-Satz angewendet werden). Ein koordiniertes Vorgehen sei unerlässlich, schrieb Gentiloni, "um den Binnenmarkt zu schützen und weitere Divergenzen zwischen den Mitgliedstaaten zu vermeiden". Und nun kommt der deutsche Sonderweg der Gasumlage auf Gentilonis Tisch.

Ein ermäßigter Steuersatz entspräche eher den Vorstellungen der Kommission

"Mehrwertsteuer auf staatlich erhobene Abgaben treibt die Preise in die Höhe und stößt auf zunehmenden Widerstand in der Bevölkerung", schrieb Lindner in einem Brief, er liegt der SZ vor. Der deutsche Minister fordert Gentiloni auf, sein Initiativrecht zu nutzen und den EU-Staaten die Möglichkeit zu geben, auf staatliche Abgaben im Energiebereich für eine Weile keine Mehrwertsteuer zu erheben. Unabhängig davon werde Deutschland nach Artikel 395 der Mehrwertsteuerrichtlinie eine Ausnahme beantragen. In dem Artikel geht es um "Sondermaßnahmen" mit dem Ziel, "die Steuererhebung zu vereinfachen oder Steuerhinterziehungen oder -umgehungen zu verhindern".

Ob es nicht sinnvoller wäre, die Mehrwertsteuer generell zu senken? Die Möglichkeit bringt der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) ins Spiel. Die von Lindner vorgeschlagene Mehrwertsteuerbefreiung für die Gasumlage sei mit hohem bürokratischen Aufwand verbunden und bringe den Kunden wenig Entlastung. Vom 1. Januar 2023 an solle stattdessen anstelle von 19 der ermäßigte Satz von sieben Prozent gelten. Ein Vorschlag, der den Vorstellungen der Kommission entgegenkommt.

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