Energie:Habeck sagt Änderung der Gasumlage zu

Energie: Wird es bald nicht nur kalt, sondern auch dunkel? Steigende Energiekosten werden für immer mehr Haushalte zum Problem.

Wird es bald nicht nur kalt, sondern auch dunkel? Steigende Energiekosten werden für immer mehr Haushalte zum Problem.

(Foto: Eckhard Stengel/Imago)

Es sollten keine Unternehmen davon profitieren, die dies wirtschaftlich nicht benötigen. Der Wirtschaftsminister gerät auch wegen steigender Strompreise unter Druck. In der Ampelkoalition wächst die Kritik.

Von Henrike Roßbach und Mike Szymanski, Berlin

SPD, Grüne und FDP treffen sich am Dienstag und Mittwoch auf Schloss Meseberg zur Kabinettsklausur, und zu besprechen gibt es einiges. Es hieß zwar, finale Beschlüsse zu einem dritten Entlastungspaket, zum Bürgergeld oder zum Ausgleich der kalten Progression seien nicht zu erwarten. Doch schon mit der koalitionsinternen Klimapflege dürften die drei Partner gut ausgelastet sein. Denn die Energiekrise setzt die Ampelkoalition immer stärker unter Handlungsdruck.

Neben rasant steigenden Gaspreisen drohen nun auch die Strompreise Wirtschaft und Privathaushalte finanziell zu überfordern. "Die aktuellen Strompreise zeigen, dass wir ein massives Problem haben", sagte der Fraktionsvorsitzende der FDP im Bundestag, Christian Dürr, der SZ. Das Angebot an verlässlichem Strom sei in den vergangenen zehn Jahren extrem verknappt worden.

Bislang geben Gaskraftwerke am Strommarkt in der Regel den Preis vor: Steigt der Gaspreis, folgen die Stromkosten

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) bezeichnete die Entwicklung ebenfalls als besorgniserregend und brachte weitreichende Markteingriffe ins Gespräch: Aus seiner Sicht kämen "auch ein Aussetzen des Stromhandels und eine vorübergehende staatliche Preisregulierung in Betracht", sollte sich der Strommarkt nicht kurzfristig wegen europaweiter Verflechtungen reformieren lassen. "Alles spricht für ein schnelles und konsequentes Einschreiten des Staates", erklärte Weil.

Der Hintergrund: Bislang geben Gaskraftwerke am Strommarkt in der Regel den Preis vor. Steigt der Gaspreis, folgen auch höhere Kosten für Strom. "Die Regeln der Strombörse passen nicht für die aktuelle Lage", sagte Weil und verwies auf "riesige Spekulationsgewinne". Von der Situation profitierten auch andere Stromanbieter, etwa die Produzenten erneuerbarer Energien. "Ohne zusätzliche Leistung ihrerseits erhöhen sich ihre Gewinne massiv." Auch Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat den Zusammenhang von Gas- und Strompreis bereits problematisiert und von einem "Profit-Autopiloten" am Strommarkt gesprochen. "Die Gewinne steigen zu Lasten der Verbraucher Milliarde um Milliarde", sagte er der Bild am Sonntag.

Der zuständige Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) jedoch bremst die Erwartungen. Zwar will auch er mit einer grundlegenden Reform des Strommarkts die Preise für Verbraucher und Industrie dämpfen. Laut einer Sprecherin handle es sich dabei aber um ein "mittelfristiges Vorhaben".

Der gestiegene Strompreis verschärft auch die koalitionsinterne Auseinandersetzung um einen Weiterbetrieb der verbliebenen Atomkraftwerke. In den nächsten Tagen soll das Ergebnis des zweiten Stresstests vorliegen, mit dem unter verschärften Annahmen die Stromnetzstabilität überprüft wird - und welchen Beitrag die Atomkraftwerke dazu leisten könnten.

Es wäre wichtig, "nun auf die Zielgerade zu kommen", sagte Dürr am Sonntag. "Wir müssen die Versorgungssicherheit mit Strom zeitnah sicherstellen und gewährleisten, dass diese so weit wie möglich ohne Gas gelingt." In der Stromproduktion sei Gas ersetzbar. Außerdem würde eine Laufzeitverlängerung den Preisdruck "um 16 Milliarden Euro" reduzieren. "In der aktuellen Notsituation müssen wir pragmatisch handeln, damit wir gemeinsam so gut wie möglich durch den Winter kommen", so Dürr.

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hielt am Wochenende dagegen. Sie sei nicht überzeugt, dass Atomkraftwerke das Gasproblem lösen würden, sagte sie der Bild am Sonntag.

SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese: "Das Prinzip Habeck geht so: ­Auftritte filmreif, handwerk­liche Umsetzung bedenklich"

Die Stromdebatte ist die nächste Baustelle für den grünen Wirtschaftsminister Habeck, der schon wegen der Gasumlage unter Druck steht. Von Oktober an sollen alle Gaskunden 2,4 Cent je Kilowattstunde zahlen, um in Not geratene Gasimporteure zu stützen. Allerdings zeigt sich nun, dass auch Unternehmen Anspruch auf Einnahmen aus der Gasumlage haben, die finanziell gut dastehen, weil sie beispielsweise einem gewinnstarken Mutterkonzern gehören. Habeck hatte diesen Punkt zuletzt eingeräumt. Weil sie nicht gewusst hätten, "wie dieser Gasmarkt verflochten ist", welche Firmen "irgendwelche Anteile an Töchtern und so weiter haben", sei ein Problem entstanden, sagte er vergangene Woche.

Im "Heute Journal" kündigte Habeck am Sonntagabend nun eine Änderung der geplanten Gasumlage an. Damit solle verhindert werden, dass von den Zusatzzahlungen der Gaskunden auch Unternehmen profitieren, die dies wirtschaftlich nicht benötigen. "Deswegen muss man jetzt hart an dem Problem arbeiten. Und das tun wir auch", so der Minister.

Habecks Krisenmanagement war zuvor in der Koalition zunehmend auf Kritik gestoßen. SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese sagte der Bild am Sonntag: "Das Prinzip Habeck geht so: ­Auftritte filmreif, handwerk­liche Umsetzung bedenklich und am Ende zahlt der Bürger drauf." SPD-Chef Lars Klingbeil attestierte Habeck ebenfalls einen zweifelsohne "interessanten Kommunikationsstil". Aber am Ende zählten in der Politik nicht nur schöne Worte, es müsse vor allem die Substanz stimmen, sagte er der Zeit. "Deshalb ist es zum Beispiel jetzt wichtig, dass wir die handwerklichen Fehler, die bei der Gasumlage passiert sind, gemeinsam ausräumen." Lindner hat sich ebenfalls offen für Korrekturen gezeigt.

Die Auseinandersetzung über Strompreis und Gasumlage bekommt damit auch eine parteipolitische Dimension: Bislang profitieren die Grünen in der Ampelkoalition am stärksten, jedenfalls gemessen an den Umfragen. Habeck führt zudem das Ranking der beliebtesten Politiker deutlich an. Wenn nun mit ihm auch die Grünen erstmals stärker unter Druck gerieten, wäre das eine neue Konstellation innerhalb des Bündnisses. So gern nach außen betont wird, man müsse in diesen Krisenzeiten zusammenstehen: Dass Sozialdemokraten und Liberale sich sonderlich darum bemühten, den Druck vom grünen Koalitionspartner zu nehmen, kann man nach diesem Wochenende jedenfalls nicht behaupten.

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