Süddeutsche Zeitung

Gastkommentar:Der Kampftag ist Geschichte

Fronleichnam hat die christlichen Gemeinden einst getrennt. Nun hilft der Feiertag, überkommene Gegensätze zu überwinden. Viele evangelische Gemeinden werden die katholische Prozession willkommen heißen.

Von Silke Niemeyer

Das katholische Fest mit dem nekrophil anmutenden Namen, ist vielen mittlerweile fremd geworden. Worum geht es eigentlich bei Fronleichnam? Die geweihte Hostie, der Leib des Herrn, das ist die Bedeutung des befremdlichen Wortes, wird festlich und farbenfroh durch die Stadt getragen, eine bunte Demo, mit Blasmusik und Kirchenfahnen. Fronleichnam ist das jahrhundertealte Fest der Eucharistie. Auch in diesem Jahr werden wieder viele evangelische Gemeinden die katholische Prozession bei sich willkommen heißen und mit ihnen für Frieden beten.

Aus dem einstigen katholischen Kampftag, an dem die Evangelischen vorzugsweise Mist ausfuhren, ist ein Tag der freundlichen Begegnung geworden. Die dogmatischen Spitzfindigkeiten sind den meisten im Fußvolk herzlich egal. Sie haben längst keine Lust mehr, sich mit Dreck zu bewerfen. Sie haben viel mehr Lust, ihre christlichen Gemeinsamkeiten zu zeigen. Und die Lust wird nur größer angesichts der Sturheit, die protestantische Ehepartner weiter von der Eucharistie ausschließen will. Man könnte also den sechs Bischöfen, die deswegen dem Papst geschrieben haben, fast dankbar sein. Ihr Brief wirkt an der Basis wie ein ökumenisches Aphrodisiakum. Das Unverständnis über Namen, Rituale und Dogmen ist alles andere als geistlicher Unverstand. Man kapiert, dass man mitnichten seine Identität verliert, wenn man sich gemeinsam als Christen versteht statt konfessionelle Posen zu pflegen. Und das ist eine sehr gute Nachricht in Zeiten des Abgrenzungswahns.

Protestanten und Katholiken verbindet, dass es an ihren Altären nur das eine kleine Stückchen Brot gibt. So behalten sie Hunger und Durst nach Gerechtigkeit und tun gemeinsam etwas dafür.

Silke Niemeyer, 54, ist evangelische Pfarrerin.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3996020
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 30.05.2018
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.