Süddeutsche Zeitung

Gastbeitrag:Waffen und Recht

Die Exporte von Rüstungsgütern sollten endlich von der ganzen Regierung genehmigt werden - so wie es das Grundgesetz seit 70 Jahren fordert.

Von Burkhard Hirsch

Der Botschafter der Vereinigten Arabischen Emirate in Berlin, Ali Abdullah al-Ahmed, hat eine Erklärung über die Pflicht abgegeben, Rüstungsexportverträge einzuhalten. Natürlich müssten zugesagte Waffenlieferungen erfolgen. Pacta sunt servanda - das ist eine unverbrüchliche Zusage international handelnder Vertragspartner. Allerdings fügte der Botschafter an, ein Land könne sich nicht unbedingt an die vertragliche Zusage halten, die gelieferten Waffen nicht in Kriegen einzusetzen. Das könne auch mal unvermeidlich sein.

So seltsam es klingt, beides stimmt. Ohne Vertrauen ist kein internationaler Handel möglich. Und: Kein Staat lässt Waffen unbenutzt, die er dringend benötigt.

Für den einen Partner steht die Existenz seiner Rüstungsindustrie mit ihren Arbeitsplätzen auf dem Spiel und seine Fähigkeit zur internationalen Zusammenarbeit in einer immer komplexer werdenden Technologie, die im ökonomischen und im Interesse gemeinsamer Verteidigung nötig ist. Auf der anderen Seite geht es um die Existenz eines Staates, der sich selbst nie infrage stellt, so ramponiert sein Ansehen auch sein mag, berechtigt oder nicht.

Das Grundgesetz gibt seit 70 Jahren eine klare Antwort. Laut Artikel 26 dürfen zur Kriegsführung bestimmte Waffen "nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert oder in Verkehr gebracht werden". "Das Nähere regelt ein Bundesgesetz." Das Kriegswaffenkontroll- und das Außenwirtschaftsgesetz, sollte man meinen. Tatsächlich aber hat die Bundesregierung bisher in keinem Fall insgesamt entschieden, ob eine Waffenlieferung genehmigt wird. Der "Bundessicherheitsrat", der entscheidet, ist ohne Gesetzesgrundlage. Kein Bundesgesetz setzt ihn verfassungsändernd an die Stelle der Bundesregierung, keines regelt seine Zusammensetzung oder die Frage, ob er einstimmig oder mit Mehrheit entscheiden muss. Er tagt geheim, und es wird nicht dargestellt, wie Kanzleramt, Innen-, Außen-, Wirtschafts-, Justiz- und Entwicklungshilferessort abgestimmt haben.

Der Bundestag sollte endlich seine Pflicht tun. Der Auftrag des Grundgesetzes ist klar: Die gesamte Bundesregierung muss abstimmen, also jeder Minister persönlich. Der Bundestag könnte gesetzlich festlegen, im Interesse der Transparenz nicht nur die Entscheidungen zu veröffentlichen, sondern auch welche Zusagen für künftige Lieferungen gegeben wurden und welche Informationen der Regierung über die Einhaltung bisheriger Verwendungsbeschränkungen vorlagen, die von einzelnen Nato- oder EU-Staaten erklärt wurden. Der Bundestag könnte einen Parlamentarischen Kontrollausschuss einsetzen, der jährlich zu unterrichten und vor der Entscheidung der Regierung zu hören ist. All das könnte als Gesetzentwurf dem Bundestag vorgelegt werden. Warum eigentlich nicht?

Es ist scheinheilig, wenn die jeweilige Opposition der jeweiligen Regierung Genehmigungen von Rüstungsexporten vorwirft. Die Forderung nach parlamentarischer Kontrolle wird seit mehr als 45 Jahren erhoben. Es wurde oft davor gewarnt, die Interessen und den politischen Druck der Rüstungsindustrie zu unterschätzen, die seit Jahrzehnten alle Wege offener oder vertraulicher Einflussnahme nutzt, um die Einführung einer wirksamen parlamentarischen Kontrolle zu verhindern. Es wird Zeit, den Auftrag der Verfassung endlich zu erfüllen.

Burkhard Hirsch war Innenminister Nordrhein-Westfalens und Bundestagsvizepräsident.

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SZ vom 18.05.2019
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