Gastbeitrag:Regenbogen für den Erfolg

Die bunte Wählerschaft der Demokraten in den USA erinnert an die Koalition aus Arbeitern und Farmern, die einst für den New Deal stimmten. Die Partei braucht nun alle: Frauen und Männer, Latinos, Weiße und Schwarze.

Von Michael Werz

Der Wahlkampf zur Halbzeit von Donald Trumps erster Amtszeit endete so, wie seine Präsidentschaft begann: mit rassistischen Ressentiments und einer Kampagne der Angst. Der Präsident fabulierte von lateinamerikanischen Einwandererhorden, die in Wahrheit gar nicht existieren, und beorderte 5000 Soldaten an die Südgrenze der USA - ein wahrscheinlich illegaler Wahlkampftrick. Zeitgleich warnte der republikanische Fraktionsvorsitzende im US-Abgeordnetenhaus Kevin McCarthy, dass drei Juden - George Soros, Tom Steyer und Michael Bloomberg - die anstehenden Wahlen für die Demokraten "kaufen" wollten.

Den oppositionellen Demokraten, die nach der verheerenden Wahlniederlage 2016 motiviert waren wir nie, bereitete dieser Wahlkampf große Probleme. Die Grand Old Party schürte bei vielen Amerikanern Ängste vor Einwanderung, Terrorismus und Globalisierung; sie nutzte autoritäre Impulse für ihre politischen Zwecke. Sachargumente waren nur begrenzt wirksam in einer Situation, in der sich immer mehr privilegierte weiße Amerikaner - entgegen allen Realitäten - als unterdrückt und schutzlos inszenieren.

Die Gegenstrategie der demokratischen Parteizentrale setzte auf drei bewährte Taktiken: dezentrales Messaging und konsequente Unterstützung der lokalen Aktivisten, Aufbieten von vielen Frauen als Kandidaten und Mobilisierung von Erstwählern und Latinos.

Eine Woche nach der Wahl lässt sich sagen, dass diese Strategie zumindest zum Teil aufgegangen ist. Die Demokraten haben eine solide Mehrheit im Abgeordnetenhaus, mehr Frauen als je zuvor gewannen Sitze, darunter die ersten Musliminnen und die ersten eingeborenen Amerikanerinnen. Die Demokratische Partei führte eine bunte Wählerschaft an die Urnen, die viele an den New Deal von Franklin D. Roosevelt erinnerte, als erstmals Arbeiter europäischer, afro-amerikanischer und lateinamerikanischer Herkunft unterstützt von Farmern und weißen Südstaatlern gemeinsam für Sozialreformen stimmten.

In dieser Woche gewannen demokratische Abgeordnete gut viereinhalb Millionen Stimmen mehr als ihre republikanischen Gegner und erreichten rechnerische Mehrheiten in Bundesstaaten, die Hillary Clinton 2016 die Wahl kosteten: Michigan, North Carolina, Pennsylvania. Hinzu kamen wichtige neue Gouverneursposten in Colorado, Illinois, Maine, New Mexico, New York and Nevada sowie mehrere Hundert neue Sitze in Landesparlamenten. Schmerzliche Niederlagen gab es in Iowa, Florida und Ohio.

Für die Präsidentschaftswahl im Jahr 2020 halten die Zwischenwahlen recht komplizierte Lehren bereit. Moderate Demokraten waren im mittleren Westen erfolgreich, aber auch progressive Kandidaten der Parteilinken gewannen, besonders im Südwesten der USA. Die größten Zuwächse waren in den Vororten metropolitaner Regionen zu verbuchen, dort oftmals durch die hohe Anzahl von Frauen, die Trump nicht die Treue hielten und nun demokratisch wählten. Unter parteilosen Amerikanern hatte Donald Trump 2016 noch einen Vorsprung von vier Prozent, zwei Jahre später wurde daraus ein Defizit von zwölf Prozent. Letztlich spielte die enorm hohe Wahlbeteiligung von Erstwählern und Latinos den Demokraten in die Hände.

Die Lehre für 2020 ist klar: Nur eine breite demokratische Regenbogenkoalition aus Schwarzen, Latinos, weißen urbanen Mittelschichten und jenen Arbeitern, die sich nicht von Donald Trumps Slogan des "Weißen Nationalismus" anstecken lassen, wird einen Erfolg möglich machen.

Michael Werz arbeitet für das Center for American Progress, einen liberalen Think Tank.

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