Gastbeitrag:Gefährlicher Hokuspokus

Nach Netanjahus Wahlsieg dürfte Donald Trump bald seinen Plan für den Nahen Osten vorlegen. Der Regierung in Jerusalem könnte der gefallen - für Israel aber ist er schlecht.

Von Raffaella A. Del Sarto

Präsident Trumps "ultimate deal", mit dem er den Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern lösen will, wird seit mehr als zwei Jahren heimlich vorbereitet. Vorgestellt wird dieser Plan wahrscheinlich schon bald nach der Wahl in Israel, die nun Benjamin Netanjahu gewonnen hat. Egal, was am Ende der Inhalt dieses Plans sein wird, die Quintessenz von Trumps Nahost-Politik ist klar: Die strittigsten Themen des Konflikts sollen einfach weggezaubert werden - und das zu Israels Vorteil.

Das Team, das mit der Ausarbeitung des Deals beauftragt wurde, besteht aus zwei von Trumps ehemaligen Anwälten, David Friedman und Jason Greenblatt, inzwischen US-Botschafter in Israel beziehungsweise Trumps Gesandter im Nahen Osten. Stramm rechte Ansichten und eine positive Einstellung zu Israels Siedlungspolitik ersetzen bei ihnen die nötige Erfahrung in der Nahost-Diplomatie. Teamchef Jared Kushner, Trumps Schwiegersohn, ist nicht weniger unerfahren. Seine Verbundenheit mit Israels Premierminister Netanjahu und Saudi-Arabiens skrupellosem Kronprinzen zeigt aber klar, wo er steht. Trump folgt seinen Beratern, auch, weil er so seine evangelikale Basis zufriedenstellt, während er zugleich prahlen kann, dass er tut, was kein amerikanischer Präsident vor ihm getan hat. Er dürfte zudem davon überzeugt sein, dass die USA Israel brauchen, um es mit dem Iran aufzunehmen - und nicht umgekehrt.

Der Umzug der US-Botschaft nach Jerusalem im vergangenen Mai war der erste Akt der Zaubershow. Mit der Anerkennung von Israels Herrschaft über die Stadt hat Trump jahrzehntelange diplomatische Bemühungen seitens der USA einfach zunichte gemacht und schlicht international geltendes Recht ignoriert. Darüber hinaus hat er eines der größten Probleme des Konflikts zwischen Israelis und Palästinensern einfach vom Tisch gewischt. Die Frage, wie man die Vorherrschaft über eine Stadt teilt, die beide Seiten als ihre Hauptstadt sehen, ist einfach kein Thema der Verhandlungen mehr - und damit ist für ihn das Problem gelöst, zumindest in der Logik des Zauberers.

Palästinensische Bestrebungen für einen unabhängigen Staat mit einem zusammenhängenden Territorium stehen ebenfalls nicht mehr auf der Agenda. Die Trump-Regierung hat nie gegen den ständigen Anstieg israelischer Siedler im Westjordanland protestiert. Im Oktober 2018 schlossen die USA ihr Konsulat, das der palästinensischen Bevölkerung offen stand, und legten es mit der Botschaft zusammen. Dieser Schritt nahm den Palästinensern ihren unabhängigen diplomatischen Status, palästinensische Anliegen wurden so zu einem Teil von Israels Innenpolitik. Darüber hinaus könnte Trumps Anerkennung von Israels Hoheit über die Golanhöhen, die Israel 1967 von Syrien erobert hat, die israelische Regierung ermutigen, auch das Westjordanland zu annektieren; genau dies hat Premierminister Netanjahu im Wahlkampf angekündigt.

Nicht weniger wichtig sind Trumps Versuche, das palästinensische Flüchtlingsproblem einfach verschwinden zu lassen. Dieser besonders heikle Punkt betrifft das Schicksal Hunderttausender Palästinenser, die in den Kriegen von 1948 und 1967 zu Flüchtlingen wurden. Die Entscheidung der Regierung, einen großen Teil des Geldes für die palästinensische Flüchtlingsorganisation der Vereinten Nationen UNRWA zu streichen, könnte das tatsächlich schaffen. Wenn die UNRWA den fast fünf Millionen Flüchtlingen im Nahen Osten keine medizinische Versorgung, Bildung und Sozialleistungen mehr bieten kann, werden sich ihre Gastländer, beispielsweise Libanon, Syrien und Jordanien, vielleicht dazu gezwungen fühlen, die Flüchtlinge zu integrieren und sie schließlich sogar einzubürgern.

Die Palästinenserregierung und die Hamas würden ebenfalls unter Druck geraten, für die Flüchtlinge im Westjordanland und im Gaza-Streifen zu sorgen, sonst könnte es zu ernsthaften sozialen und politischen Unruhen kommen. Zudem würde ein Zusammenbruch der UNRWA die Listen, auf denen seit Anfang der 50er-Jahre die palästinensischen Flüchtlinge registriert werden, bedeutungslos machen. Auch die Praxis, patrilinealen Nachkommen von registrierten Flüchtlingen aus den Kriegen von 1948 und 1967 den Flüchtlingsstatus anzuerkennen, würde so ein Ende finden. Mit der dadurch schwindenden Zahl palästinensischer Flüchtlinge wird das Flüchtlingsproblem irrelevant und irgendwann verschwinden. Es ist Magie!

Könnte der "Deal des Jahrhunderts" vielleicht sogar noch ein weiteres Kaninchen aus dem Hut zaubern? Vor Kurzem gab es Gerüchte, dass die USA und Israel Druck auf Ägypten ausüben, um die dortige Regierung dazu zu bewegen, ein Stück Land im Norden Sinais aufzugeben, um es dann an den Gaza-Streifen anzuschließen. Mit umfangreichen finanziellen Hilfen von Saudi-Arabien und anderen reichen Golfstaaten sollen dort ein Solarkraftwerk, eine Entsalzungsanlage für Meerwasser, ein Hafen und ein Flughafen gebaut werden. Auch soll ein Industriegebiet entstehen, das Palästinensern aus dem Gaza-Streifen und Ägyptern Arbeit bietet. Seit einem Jahrzehnt nun steht der Gaza-Streifen unter der ökonomischen Belagerung durch Ägypten und Israel; die UN prophezeien, dass er unter den momentanen Bedingungen schon 2020 unbewohnbar sein könnte. Da könnte der Plan tatsächlich helfen, die humanitäre und wirtschaftliche Situation vor Ort zu erleichtern. Die israelische Regierung und Trumps Berater hoffen möglicherweise, dass Gaza und das Sinai-Territorium zu einer Art palästinensischem Kleinstaat unter der Kontrolle Ägyptens werden. Das wäre jedoch der letzte Sargnagel für jegliche Bestrebungen in die Richtung eines unabhängigen Palästinenserstaates.

Trumps Friedensplan ist also nicht mehr als ein Versuch, die Palästinenser durch Bestechung und Zwang dazu zu bringen, eine neu verpackte Version der bedrückenden Realität zu akzeptieren. Sie sollen hinnehmen, dass Israel über das Westjordanland herrscht, dass es nur eine eingeschränkte palästinensische Autonomie für kleine, verstreute Gebiete gibt, mit strikten Einschränkungen der Freizügigkeit, ohne volle Kontrolle über die Grenzen, ohne Staatsbürgerschaft oder Bürgerrechte für die Palästinenser. Als großes Finale gibt es dann vielleicht das Angebot, dass die Palästinenser irgendeinen Vorort von Jerusalem als ihre Hauptstadt bezeichnen dürfen und sich so vormachen können, sie hätten einen eigenen Staat - irgendwo in "Groß Gaza".

Dieses Szenario mag vielleicht der große Traum der rechten israelischen Regierung und ihrer Unterstützer sein. Für Israel aber ist es schlecht. Andere Menschen zu unterdrücken und ihnen ihre Grundrechte abzusprechen, ist auf Dauer weder tragbar noch mit der Grundidee von Demokratie vereinbar. Vielleicht noch wichtiger ist aber, dass die Palästinenser und Araber kaum auf diese Tricks hereinfallen werden. Nach dem arabischen Frühling können die Machthaber in Arabien auch nicht mehr einfach die Stimmung in der eigenen Bevölkerung ignorieren. Trumps Versprechen, den israelisch-palästinensischen Konflikt zu lösen, ist also nicht mehr als eine Illusion - ein Hokuspokus der gefährlichsten Art.

Raffaella A. Del Sarto ist Associate Professor für den Mittleren Osten an der Johns Hopkins University School of Advanced International Studies in Bologna. Übersetzung: Katharina Drobinski

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