Süddeutsche Zeitung

Energiekrise:Gasspeicher in Haidach erregt die Gemüter

Österreich will die Anlage bei Salzburg ans eigene Netz anschließen. Für Bayern könnte das misslich werden. Das liegt auch an der Energiepolitik der Landesregierung.

Von Markus Balser, Caspar Busse und Cathrin Kahlweit

Die Meldung, dass Österreich den - auf dem eigenen Staatsgebiet gelegenen - Gasspeicher in Haidach bei Salzburg an das eigene Gasnetz anschließen will, erregt die Gemüter in Deutschland. Bislang versorgt Haidach vor allem Haushalte und Industrieunternehmen im benachbarten Bayern mit Erdgas und war an das deutsche Netz angeschlossen. Doch nun will auch Österreich den Speicher vermehrt anzapfen. In einem Interview mit der SZ hatte Umweltministerin Leonore Gewessler gesagt, man habe beschlossen, "alle Gasspeicher auf österreichischem Staatsgebiet an unser Netz" anzuschließen. Der Beschluss des Parlaments in Wien sei rechtskräftig.

Betroffen wäre also zunächst einmal Bayern. Der Wirtschaftsminister des Landes, Hubert Aiwanger, habe, heißt es, gelassen auf die Ankündigung Österreichs reagiert. Wichtig sei jetzt, dass der Speicher endlich schnell gefüllt werde, so der Chef der Freien Wähler. Viel anderes bleibt ihm aber auch gar nicht übrig. Denn die Nachricht, dass nun auch Österreich Zugang zu den Lagerstätten in Haidach fordert, ist keineswegs neu und auf Bundes- wie auf EU-Ebene schon länger ein Thema.

Tirol, Vorarlberg und Bayern hängen an dem Speicher

Zum einen hatte das Parlament in Wien bereits im Juni beschlossen, dass alle auf dem eigenen Staatsgebiet gelegenen Gasspeicher auch an das österreichische Netz angeschlossen werden. Zum Zweiten hatte der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck bei einem Arbeitsbesuch in Wien am 12. Juli gemeinsam mit Gewessler ein bilaterales Abkommen unterzeichnet, das die gemeinsame Nutzung der Speicher vorsieht. Und zum Dritten, darauf verweist ein Sprecher Gewesslers, gebe es mit der Verordnung aus Brüssel, die eine Mindestbefüllung europäischer Speicher vorsieht, auch eine europarechtliche Grundlage. Bisher ist Haidach nur an das deutsche Netz angeschlossen; gleichwohl werden - über den Umweg über deutsche Leitungen - auch die Bundesländer Tirol und Vorarlberg aus Haidach versorgt.

In Berlin heißt es denn auch, der Schritt Österreichs sei keine Überraschung, die bevorstehende Entscheidung seit einigen Tagen klar. Das Wirtschaftsministerium von Robert Habeck sei darüber aus Wien informiert worden. Zu den möglichen Folgen des Schritts bei etwaigen Gasengpässen hält sich die deutsche Bundesregierung aber bedeckt.

Derzeit wird zwischen den Ressorts in Berlin und Wien im Detail verhandelt, wer welche Bereiche des Speichers in Haidach befüllt und nutzt. Man dürfe aber, heißt es in Wien, dabei nicht vergessen, dass die Befüllung des Speichers nicht von Regierungen, sondern von Unternehmen vorgenommen werden müsse. Der Speicher in Haidach ist ein Gemeinschaftsprojekt der österreichischen RAG mit Gazprom und dem deutschen Gashandelsunternehmen Wingas. Etwa 2,9 Milliarden Kubikmeter Erdgas können dort gespeichert werden, was ihn zum zweitgrößten Speicher Mitteleuropas macht. Die Anlage wurde auf Initiative der Regierung in Moskau Mitte der 2000er-Jahre ausgebaut, als das russische Gas vor allem durch die Ukraine transportiert wurde.

Die Besitzverhältnisse sind allerdings überaus kompliziert: Die Anlage gehört zu einem Drittel dem Konzern RAG Austria und zu zwei Dritteln dem russischen Unternehmen Gazprom, das über mehrere Tochterfirmen dort Gas vertreibt. Die RAG Austria wiederum gehört mehreren Energieunternehmen, darunter auch Uniper - der Konzern ist gerade von der deutschen Bundesregierung mit Milliarden gerettet worden. Die RAG Austria hat die Anlage in Haidach gebaut und ist technischer Betreiber des Speichers, hat aber keinen Einfluss auf die Vermarktung des Gases. Den Vertrieb verantwortet zu einem Drittel das Unternehmen Astora als Tochter von Gazprom Germania, die mittlerweile treuhänderisch von der Deutschen Bundesnetzagentur übernommen wurde - und zu zwei Dritteln die Gazprom-Tochter GSA.

Der Gazprom-Teil des Speichers ist derzeit komplett leer. Die Regierung in Wien hatte im Juni allerdings per Gesetz auch geregelt, dass Unternehmen, die ihre Gasspeicher nicht nutzen, diese anderen Firmen anbieten müssen. Wird das nicht umgesetzt, verlieren sie ihre Nutzungsrechte. Die "Lex Gazprom" dürfte dazu führen, dass die österreichische Energie-Regulierungsbehörde, E-Control, Gazprom seine Speicherkapazitäten entzieht.

Anders als der bayerische Wirtschaftsminister Aiwanger ist Ministerpräsident Markus Söder (CSU) mit Blick auf das Geschehen rund um Haidach nicht völlig entspannt. "Wir beobachten die Entwicklungen beim Gasspeicher mit großer Sorge", sagte er. Es gebe eine Vereinbarung zwischen Berlin und Wien, die besage, dass der überwiegende Teil des Gases für Bayern vorgesehen sei. "Daher unsere klare Forderung: Der Bund muss die Vereinbarung mit Österreich transparent machen und deutlich sagen, wann und wie viel Gas nach Bayern fließt", forderte Söder. Er habe aber eher den Eindruck, dass sich nur zugunsten von Österreich etwas bewegt habe. Es gehe bei Haidach aber um die Versorgung von ganz Deutschland.

Der Gasspeicher in Haidach, etwa 30 Kilometer nordöstlich von Salzburg, spielt in der Tat in der aktuellen Gaskrise eine besondere wichtige Rolle. Die Anlage ist nach Rehden in Niedersachsen der zweitgrößte Gasspeicher in Mitteleuropa. Für Bayern könnte es misslich sein, dass Österreich nun mitreden will, hängt das Bundesland, in dem Söder Regierungschef ist, doch besonders deutlich am Gas.

Erneuerbare Energien kommen in Bayern nur schleppend voran. Das hat nun Folgen

Das hat gleich mehrere Gründe: Neben dem Ukraine-Krieg ist das die geografische Lage Bayerns, aber auch die Energiepolitik der CSU-geführten Landesregierung. So liefert Russland seit dem Überfall auf die Ukraine deutlich weniger Gas, die Speicher wurden nicht gefüllt. Gleichzeitig kann nur schwer Flüssigerdgas (LNG) nach Bayern geliefert werden, Kohlekraftwerke gibt es im Süden Deutschlands nur wenige. Die Atomkraftwerke, die schrittweise vom Netz gegangen sind, wurden teilweise mit Gaskraftwerken ersetzt.

Dazu kommt, dass erneuerbare Energien ausgerechnet in Bayern nur schleppend vorankommen. Die großzügigen Abstandsregeln für Windräder, die die bayerische Landesregierung eingeführt hatte, verhindern bisher den Ausbau der Windkraft. Auch der Bau von Höchstspannungsleitungen, die den Strom von den Windparks in Norddeutschland in den Süden bringen sollen, wurde von der CSU, insbesondere vom ehemaligen Ministerpräsidenten Horst Seehofer, sehr bekämpft und verzögert. Die Leitungen sind deshalb nicht fertig.

Die Folge: Bayern und seine Wirtschaft, darunter energieintensive Chemieunternehmen wie Wacker Chemie oder Autobauer Audi, müssen den Gasnotstand fürchten.

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