Milliarden-Paket:Berliner Beschlüsse

Milliarden-Paket: "Wir haken uns unter", verkündete Kanzler Olaf Scholz (rechts) nach dem Bund-Länder-Treffen in Berlin. Das verließen er und die Ministerpräsidenten Stephan Weil und Hendrik Wüst (von links) indes keineswegs Arm in Arm.

"Wir haken uns unter", verkündete Kanzler Olaf Scholz (rechts) nach dem Bund-Länder-Treffen in Berlin. Das verließen er und die Ministerpräsidenten Stephan Weil und Hendrik Wüst (von links) indes keineswegs Arm in Arm.

(Foto: Lisi Niesner/REUTERS)

Wie Bund und Länder die Menschen in Deutschland bei den Energiekosten und im öffentlichen Nahverkehr entlasten wollen.

Von Dimitri Taube

Bund und Länder haben ein milliardenschweres Entlastungspaket geschnürt, das Bürgern und Unternehmen in der Energiekrise helfen soll. Sie verständigten sich etwa bei der Gaspreis- und der Strompreisbremse sowie beim Nachfolger für das Neun-Euro-Ticket. Das sind die wichtigsten Beschlüsse:

Strompreisbremse: Entlastung im Januar

Die geplante Strompreisbremse soll "zum 1. Januar 2023 entlastend wirken", wie es im Beschluss von Bund und Ländern heißt. Im Eckpunktepapier der Bundesregierung ist vorgesehen, dass der Strompreis für Privathaushalte von Anfang kommenden Jahres an bei 40 Cent pro Kilowattstunde gedeckelt wird. Dies soll für ein Grundkontingent von 80 Prozent des Jahresverbrauchs gelten. Nach Zahlen des Vergleichsportals Check24 werden Familien dadurch um mehrere Hundert Euro im Jahr entlastet. Bei einem derzeitigen durchschnittlichen Strompreis von 48 Cent pro Kilowattstunde werde eine Familie (mit einem Verbrauch von 5000 Kilowattstunden) im Jahr um 320 Euro entlastet, heißt es in einer Beispielrechnung von Check24. Ein Single mit einem Verbrauch von 1500 Kilowattstunden werde dann um 96 Euro entlastet. Laut Bund-Länder-Beschluss sollen die Versorger die Differenz zwischen dem zu zahlenden Marktpreis und der Deckelung als Entlastung monatlich direkt mit dem Abschlag verrechnen. Für Industrieunternehmen ist die Strompreisbremse ebenfalls vorgesehen. Bei ihnen würden die Strompreise bei 13 Cent pro Kilowattstunde gedeckelt für 70 Prozent des Vorjahresverbrauchs.

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(Foto: SZ-Grafik: saru; Quelle: Statistisches Bundesamt)

Gaspreisbremse: Die "Winterlücke" bleibt

Die Gaspreisbremse wird 2023 eingeführt. Neben der Übernahme des Dezemberabschlags der Gasrechnung soll im kommenden Jahr der Gaspreis für einen bestimmten Verbrauch gedeckelt werden - von Januar an für die Industrie, von März an für Privatkunden. Der Gaspreis für Privatkunden soll dabei auf zwölf Cent pro Kilowattstunde für 80 Prozent des prognostizierten Jahresverbrauchs gedeckelt werden, der für Fernwärme auf 9,5 Cent pro Kilowattstunde. Als Vorjahresverbrauch gilt die Jahresverbrauchsprognose, die der Abschlagszahlung für den September zugrunde gelegt wurde. Die Länder konnten sich allerdings nicht damit durchsetzen, die "Winterlücke" zwischen Dezemberabschlag und März zu schließen und auch für die Privatkunden eine Preisbremse schon im Januar zu erreichen. Immerhin haben sie aber die Zusage vom Bund bekommen, dass eine Umsetzung für Februar angestrebt werden soll. Offen blieb allerdings, ob die Gaspreisbremse rückwirkend von Januar an wirken könnte. Die Gas- und Strompreisbremsen werden unter dem sogenannten Abwehrschirm zur Abfederung der Energiekosten bei Verbrauchern und Wirtschaft finanziert. Für den hat der Bund bis zum Frühjahr 2024 maximal 200 Milliarden Euro vorgesehen, die durch neue Schulden finanziert werden sollen. Die Verständigung zwischen Bund und Ländern sei sehr sorgfältig vorbereitet und dann zügig gefunden worden, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz. Die Energiepreisbremsen sollen bis Ende April 2024 gelten. Das Bundeskabinett entscheidet über sie am 18. November.

Holzpellets und Ölheizungen: Härtefallregelung geplant

Bei Holzpellets und Ölheizungen sind ebenfalls Hilfen vorgesehen, aber Bund und Länder bleiben in dem Punkt noch ziemlich vage. "Mieterinnen und Mieter, die durch Aufwendungen für die Bevorratung dieser Heizmittel finanziell stark überfordert sind, sollen entlastet werden", heißt es im Bund-Länder-Beschluss. Und weiter: "Auch für selbst genutztes Wohneigentum, bei dem die Bevorratung dieser Heizmittel zu unzumutbaren Belastungen führt, ist eine Unterstützung im Sinne einer Härtefallregelung angedacht."

Kliniken, Kultur und kleine Unternehmen: zusätzliches Geld

Um finanziell über die Runden zu kommen, reichen Einrichtungen und Betrieben in manchen Bereichen die Energiepreisbremsen nicht aus, weil sie selbst kaum Strom und Gas sparen können. Deshalb ist eine Härtefallregelung vorgesehen. Dabei geht es um zwölf Milliarden Euro, davon acht für Kliniken und Pflegeeinrichtungen. Das Geld soll aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds kommen, der in der Pandemie für Unternehmenshilfen eingerichtet und nun für die Abfederung der aktuellen Krise mit bis zu 200 Milliarden Euro ausgestattet wurde - zur Finanzierung der Gaspreisbremse und anderer Maßnahmen. Über den Fonds sollen Bund und Ländern zufolge zudem "gezielte Hilfen" für Kultureinrichtungen zur Verfügung gestellt werden. Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) sprach von einer Milliarde Euro. Auch für kleine und mittlere Unternehmen könnte es eine Härtefallregelung geben, die aber noch gesondert ausgehandelt werden soll. Der Bund will dafür ebenfalls eine Milliarde Euro aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds bereitstellen.

Wohngeld: Durchschnittlich 190 Euro mehr pro Monat

Beim Wohngeld - der staatlichen Hilfe für Menschen mit geringen Einkommen - bleibt es dabei, dass sich Bund und Länder die Kosten teilen. Nach Angaben des Bundesbauministeriums sollen von 2023 an insgesamt 5,1 Milliarden Euro zur Verfügung stehen, um die Wohngeldreform zu finanzieren. Der Zuschuss soll zum 1. Januar um durchschnittlich 190 Euro pro Monat steigen. Außerdem sollen ihn 1,4 Millionen Bürger mehr als bisher beanspruchen können. Die geplante Reform wird bereits im Bundestag beraten und soll im Januar in Kraft treten.

Unterstützung für Geflüchtete: Bund stockt Hilfen auf

Der Bund beteiligt sich mit zusätzlichen Mitteln in Milliardenhöhe an der Unterbringung von Geflüchteten. Das hatten die Länder gefordert. Für das laufende Jahr geht es um zusätzliche 1,5 Milliarden Euro für die Versorgung von Geflüchteten unter anderem aus der Ukraine, wie Bundeskanzler Olaf Scholz sagte. Bisher waren dafür bereits zwei Milliarden Euro zugesagt. Im kommenden Jahr soll es 1,5 Milliarden Euro für die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine geben, für Menschen aus anderen Ländern wurde eine jährliche Pauschale von 1,25 Milliarden Euro angekündigt.

Nachfolger des Neun-Euro-Tickets: "Deutschlandticket" kostet 49 Euro

Bund und Länder verständigten sich auf ein 49-Euro-Ticket als Nachfolger für das Neun-Euro-Ticket aus dem Sommer. Das Ticket soll digital sein und nun "so schnell wie technisch möglich" kommen, wie Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) sagte. Ob es schon zum 1. Januar so weit sein wird, ist offen. Die Verkehrsunternehmen halten einen Start im Nah- und Regionalverkehr im Januar für nicht machbar. Realistisch sei eine Einführung am 1. März, sagte Oliver Wolff, Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen. Das Ticket sei in kurzer Frist nicht umzusetzen. Für eine Übergangszeit werde es das Ticket auch in Papierform geben. Die Kosten für das "Deutschlandticket", so die Bezeichnung, werden auf rund drei Milliarden Euro geschätzt, die sich Bund und Länder teilen wollen. Der Bund hat zusätzlich eine weitere Milliarde Euro für den Nahverkehr im Jahr in Aussicht gestellt und zuletzt signalisiert, den Ländern noch weiter entgegenzukommen.

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