Süddeutsche Zeitung

Gaspreisbremse:Das große Durcheinander

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Trotz vielfacher Forderungen wird die Gaspreisbremse wohl nicht früher kommen. Ein Problem unter vielen: die unterschiedlichen Abrechnungssysteme der Gasversorger.

Von Bastian Brinkmann, Claus Hulverscheidt und Roland Preuß, Berlin

Die Gaskunden in Deutschland können nicht vor März mit einer Entlastung durch die Gaspreisbremse rechnen. Dies machten Vertreter der Bundesregierung und der von ihr eingesetzten Expertenkommission am Montag deutlich. Der Wunsch nach einer früher greifenden Gaspreisbremse "steht ein bisschen der Realität entgegen", sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit in Berlin.

Die Expertenkommission hatte vorgeschlagen, dass der Staat für private Gaskunden und kleine Firmen im Dezember einmalig die Abschlagszahlung übernimmt. Die eigentliche Preisbremse soll für private Haushalte und kleine Firmen dann möglichst von März an greifen. Die Ministerpräsidentenkonferenz hatte am Freitag gefordert, die Gaspreisbremse schon zum 1. Januar einzuführen, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kündigte daraufhin an, er wolle einen Start zum Jahresbeginn ausloten und mit den Energieversorgern beraten. Hebestreit sagte nun, es gebe "praktische Gründe", die einem Vorziehen der Preisbremse entgegenstünden. Details nannte er nicht.

"Die Menschen brauchen Planungssicherheit"

Nach SZ-Informationen tritt die Regierung bei der Ausarbeitung der Gaspreisbremse auf der Stelle, weil immer neue Hindernisse auftauchen. Dazu zählen verfassungs- und europarechtliche Schwierigkeiten, technische und praktische Probleme sowie die Frage, ob und wie Bürger und Unternehmen die erhaltenen Staatshilfen versteuern müssen. Zudem werden offenbar immer wieder Vorgaben vonseiten führender Regierungs- und Koalitionspolitiker gemacht, die sich dann auf der Arbeitsebene als nicht umsetzbar erweisen.

Das Ergebnis ist ein Durcheinander, während zugleich das Jahresende immer näher rückt. Damit gerät sogar das Versprechen der Bundesregierung in Gefahr, im Dezember die Abschlagszahlungen zu übernehmen. Bisher ist koalitionsintern noch nicht einmal klar, welche Summe auf welchem Weg an welche Lieferanten überwiesen werden muss.

"Die Menschen brauchen Planungssicherheit. Die Menschen müssen wissen, was auf sie zukommt", sagte die Ökonomin Isabella Weber, die Mitglied der Expertenkommission ist, der SZ. Weber spricht sich schon seit Monaten für eine Gaspreisbremse aus. Zu den Problemen eines vorgezogenen Starts sagte sie: "Die Abrechnungssysteme der Gasversorger sind eine Hürde. Wir haben sehr viele Anbieter mit sehr unterschiedlichen Systemen."

Auch eine Entlastung bei Heizöl und Pellets soll geprüft werden

Und noch ein Problem treibt das Kanzleramt und die beteiligten Ministerien um: Wie lassen sich die Hilfen so ausgestalten, dass sie sich auch für Mieter bereits im Dezember auf dem Konto bemerkbar machen? Für sie nämlich würde die Erstattung des Dezember-Abschlags normalerweise erst im kommenden Jahr mit der Nebenkostenabrechnung des Vermieters für 2022 sichtbar werden. Die Koalition befürchtet jedoch Unmut unter Mietern, sollten diese feststellen, dass sie im Vergleich zu Eigenheimbesitzern vermeintlich erst mit monatelanger Verzögerung entlastet werden.

Regierungssprecher Hebestreit sagte, alle beteiligten Stellen seien bestrebt, die Gaspreisbremse so schnell wie möglich einzuführen. "Aber es muss auch funktionieren."

In dieser Lage hatte SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich am Wochenende vorgeschlagen, auch Käufer von Heizöl und Pellets noch im Dezember zu entlasten. "Wir würden diese Wärmeversorgung gern in die Entlastung mit einbeziehen", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Hebestreit sagte dazu, diese Frage müsse in der zuständigen Arbeitsgruppe von Kanzleramt, Wirtschafts- und Finanzministerium geklärt werden.

Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) schlug vor, dass der Staat auch im Januar eine Abschlagszahlung übernimmt, um die Zeit bis zur Gaspreisbremse im März zu überbrücken. BDEW-Präsidentin Marie-Luise Wolff erklärte, die erforderliche Umstellung der IT-Prozesse sei so komplex, dass die große Mehrheit der Energieversorger dies bis zum 1. Januar "nicht stemmen kann".

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