Süddeutsche Zeitung

Energiekrise:So sollen die Gaspreise gedämpft werden

Lesezeit: 4 min

Der Bund soll die Abschlagszahlung für Dezember übernehmen, von 2023 an soll es eine Preisbremse für Firmen und Privathaushalte geben: Die Vorschläge der Expertenkommission und das weitere Vorgehen im Überblick.

Von Kassian Stroh

Wer mit Erdgas kocht, heizt oder es für die Produktion in seiner Firma braucht, sieht sich mit massiv gestiegenen Preisen konfrontiert. Die Bundesregierung hat daher beschlossen, eine sogenannte Gaspreisbremse auf den Weg zu bringen. Wie die aussehen könnte, dazu hat nun eine Expertenkommission erste Vorschläge vorgelegt und der Bundesregierung übergeben. Ihre Ideen für ein Stufenmodell im Überblick:

  • Einmalzahlung: Der Bund soll für kleinere Unternehmen und Privathaushalte die Rechnung übernehmen - und zwar die Abschlagszahlung für den Dezember. Die Versorger sollen auf diese verzichten und bekommen das Geld vom Staat erstattet, so der Plan. Industrie und Kraftwerke betrifft das nicht. Man habe eine "Entlastungswirkung" noch in diesem Jahr erreichen wollen, sagt Michael Vassiliadis, Chef der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie und einer der drei Vorsitzenden der Expertenkommission. "Schnell zu sein" sei die erste Priorität gewesen.
  • Gaspreisbremse für Betriebe und Haushalte: Diese Einmalzahlung soll die Zeit überbrücken, bis die neue Preisbremse greift, nämlich im März 2023. (Wenn die Gasversorger bis dahin die Umstellung schaffen, sonst wird es April 2023.) Von da an soll der Bund garantieren, dass man nicht mehr als 12 Cent pro Kilowattstunde Erdgas zahlt, bei Fernwärme werden es 9,5 Cent sein - jeweils inklusive aller Abgaben und Steuern. Diese Deckelung gilt aber nur für ein Grundkontingent. Das soll bei 80 Prozent des Verbrauchs liegen, darüber sollen Marktpreise gezahlt werden. "Wer sparen kann, profitiert davon", sagt die Wirtschaftsweise Veronika Grimm, die die Kommission ebenfalls leitet.
  • Gaspreisbremse für die Industrie: Industrielle Firmen bekommen keine Einmalzahlung. Für sie zahlt der Bund aber schon von Januar an, also zwei Monate früher. Dann kommen sie in den Genuss eines Gaspreis-Deckels von 7 Cent pro Kilowattstunde beim Beschaffungspreis, was laut Industrieverband in etwa dem Endverbraucherpreis von 12 Cent entspricht. Für die Industrie liegt das Grundkontingent bei 70 Prozent des Verbrauchs im Jahr 2021. Firmen, die Erdgas verbilligt bekommen, können es verbrauchen oder auch weiterverkaufen, sie müssen aber im Gegenzug Garantien abgeben, etwa die, ihren Standort zu erhalten.

Wie begründet die Kommission die Preise und Kontingente, die sie vorschlägt?

Ein Preis von 12 Cent je Kilowattstunde sei in etwa das, was künftig in Deutschland als normaler Preis für Erdgas erwartet werden dürfte, sagt Grimm. Derzeit liege er im Durchschnitt bei etwa 7 Cent. Auf dieses Niveau werde der Preis aber wegen der ausbleibenden Importe aus Russland nicht mehr fallen.

Die Preisdeckelung auf 80 Prozent eines normalen Verbrauchs soll zum Energiesparen animieren. "Wir müssen etwa 20 Prozent sparen, um eine Gasmangellage zu vermeiden", sagt Grimm. Demselben Ziel dient auch die Überlegung, nicht den tatsächlichen Verbrauch im Dezember zu übernehmen, sondern die Abschlagszahlung. Denn auch so spart am Ende jeder Geld, der die Heizung runterdreht oder kälter duscht.

Was kostet das alles den Staat?

Das sei schwer abzuschätzen, sagt Vassiliadis. Am einfachsten sei das noch bei der Einmalzahlung für den Dezember - die komme insgesamt auf etwa fünf Milliarden Euro. Die Gaspreisbremse für kleine Unternehmen und Haushalte werde vermutlich etwa 60 Milliarden Euro kosten, bei der Industrie kämen weitere 25 Milliarden hinzu. Macht ein Gesamtpaket von grob geschätzt 90 Milliarden Euro - wenn es die Bundesregierung denn auch so wie vorgeschlagen umsetzt.

Was entgegnet die Kommission ihren Kritikern?

Die Kritik, dass ein subventionierter Preis das Sparen unattraktiv macht, kontern die Experten der Kommission mit dem Argument, dass man ja nicht den gesamten Gasverbrauch verbillige. Sie räumen aber ein, dass ihre Vorschläge nicht die soziale Bedürftigkeit berücksichtigen. Das sei nicht machbar gewesen, zumindest nicht kurzfristig, da der Staat nicht wisse, wer wie viel Erdgas verbrauche. Nur die Versorger hätten Daten - aber auch nicht über jeden einzelnen Kunden, sondern nur über Anschlüsse, hinter denen oft mehrere Haushalte lägen. Und sie wissen schon gleich gar nicht Bescheid über deren finanzielle Leistungsfähigkeit.

Um eine schnelle Entlastung hinzubekommen, müsse man riskieren, dass das Geld per Gießkanne verteilt werde, sagt Vassiliadis. "Wir räumen ein: Uns war die Geschwindigkeit wichtiger." Und Grimm ergänzt, man sei von der Regierung gebeten worden, eine unbürokratische Lösung zu finden, die die Versorger, Hausverwaltungen und auch die Ministerien gut umsetzen könnten. Deswegen zum Beispiel die komplette Übernahme der Dezember-Abschlagszahlung - weil es deutlich einfacher sei, dies einmal ganz zu zahlen, als die Abschlagszahlungen für die Monate Dezember bis Februar - also bis die Preisbremse greift - anteilig zu reduzieren.

Wie geht es nun weiter?

Nun ist die Bundesregierung am Zug. Sie wird die Vorschläge prüfen und entscheiden. Dass sie sich über das Votum der von ihr eingesetzten Expertenkommission hinwegsetzt, ist höchst unwahrscheinlich. Darauf deuten auch erste Reaktionen aus der Ampelkoalition hin: Die Vorschläge der Expertenkommission zur Entwicklung der Gaspreisbremse seien durchdacht und eine gute Leitlinie für die Politik, sagte SPD-Chef Lars Klingbeil am Morgen den Sendern RTL und ntv. "Meine Erwartung ist, dass dieses Jahr noch Geld bei den Bürgerinnen und Bürgern ankommt. Und so zügig muss jetzt gehandelt werden." SPD-Vize-Fraktionschef Matthias Miersch sagte im Deutschlandfunk, man wolle noch im Oktober die nötigen Gesetze beschließen, so dass es dann Planungssicherheit für alle gebe.

Zur Finanzierung der Gaspreisbremse hat sich die Ampelkoalition darauf geeinigt, einen "Abwehrschirm" aufzuspannen und dafür bis zu 200 Milliarden Euro auszugeben - finanziert durch neue Schulden.

Die Arbeit der Kommission, in der Vertreter von Verbänden, Gewerkschaften, Wissenschaft und Bundestag sitzen, ist aber noch nicht zu Ende. Sie muss nun weitere Details der Gaspreisbremse klären - etwa die Frage, wie eine Doppelförderung ausgeschlossen werden kann. Sie soll außerdem "Optionen zur Abfederung der Preisentwicklung auf europäischer Ebene unter Berücksichtigung der Preisbildung an den Weltmärkten" prüfen. Für den 17. und den 24. Oktober sind weitere Sitzungen geplant. Die endgültigen Arbeitsergebnisse sollen bis Ende des Monats vorliegen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5671957
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.