Rechercheprojekt Farmsubsidies:Wie die EU-Agrarförderung funktioniert

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(Foto: Imago)

Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union - und zur Kritik daran.

Von Vera Deleja-Hotko und Josef Kelnberger

Die EU-Agrarsubventionen sind ein komplexes System und die Regeln schwer zu durchschauen, selbst für jene, die in der Landwirtschaft arbeiten. Ein Überblick mit den wichtigsten Fragen und Antworten.

Wie viel Geld bekommt wer?

Bei den Agrarsubventionen handelt es sich um EU-Zahlungen an Behörden, Unternehmen und Landwirte, die in der Agrarwirtschaft tätig sind oder zu deren Erhalt beitragen. Finanziert werden die Subventionen durch Steuergeld. Primär jenes, das der EU zur Verfügung steht - aber auch die Mitgliedstaaten tragen einen finanziellen Teil dazu bei. Die Subventionen sind Teil der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU, die es seit 1962 gibt.

Das Budget für die GAP ist der größte Posten im EU-Haushalt. Zwischen 2014 und 2020 waren es etwa 38 Prozent der Gesamtausgaben, insgesamt 408,31 Milliarden Euro. Für die Periode 2021 bis 2027 sind 387 Milliarden Euro vorgesehen, 31 Prozent des Gesamthaushalts.

Das Budget für Agrarsubventionen wird auf die Mitgliedstaaten aufgeteilt. Frankreich, Spanien, Deutschland und Italien bekommen am meisten. Die Mitgliedsstaaten sind dafür verantwortlich, die Gelder weiterzugeben sowie zu kontrollieren, ob die Vorschriften für die Förderungen eingehalten werden.

Es gibt zwei sogenannte "Säulen", in die das Budget aufgeteilt ist. Die erste Säule ist die größere und wird vollständig aus EU-Geldern finanziert. Dabei handelt es sich um Direktzahlungen an die Inhaber von landwirtschaftlichen Betrieben. Welcher Betrieb wieviel Geld bekommt, wird pro Hektar landwirtschaftlich genutzter Fläche berechnet. Die zweite Säule wird kofinanziert von den EU-Mitgliedstaaten, ist jedoch in der Summe kleiner.

An wen und wofür das Geld ausgegeben wird, ist in der zweiten Säule vielfältiger. Es wird nicht allgemein verteilt, sondern ist zweck- und projektgebunden. Grundsätzlich sollen diese Gelder die "Entwicklung des ländlichen Raums" unterstützen. Gefördert werden unter anderem Investitionen in moderne Stallbauten und Maschinen, umweltverträgliche Landbewirtschaftung, Direktvermarktung, der Aufbau alternativer Erwerbsmöglichkeiten, die Landwirtschaft in benachteiligten Gebieten, Dorferneuerungen, Flurbereinigung und Infrastrukturmaßnahmen, Forstwirtschaft, Handwerk und Tourismus.

Warum sind die Förderstrukturen ein Problem?

Die Verteilung der Agrarsubventionen erfolgt nach einem komplexen System - ein Nachteil für die Landwirte. Die Förderrichtlinien sind auch deswegen so bürokratisch aufwändig geworden, weil die EU mit jeder neuen Reform versucht, die Direktzahlungen an die Betriebe von der Fläche zu entkoppeln. Seit 2003 müssen Landwirte, um die volle Fördermenge zu erhalten, Verpflichtungen des Umwelt-, Tier- und Pflanzenschutzes, bei der Tiergesundheit, beim Boden- und Gewässerschutz sowie bei der Lebensmittelsicherheit einhalten. Die Flächen müssen in einem "guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand" erhalten werden. Seit 2013 gibt es außerdem das "Greening", was bedeutet: Um Direktzahlungen zu erhalten, müssen die Betriebe Dauergrünflächen anlegen, den Anbau stärker diversifizieren, "ökologische Vorrangflächen" ausweisen. Darüber hinaus erhalten die Mitgliedstaaten immer mehr die Möglichkeit, Mittel aus der ersten Säule in die zweite zu verschieben. Seit 2008 wurden über die zweite Säule verstärkt Projekte im Bereich, Klimawandel, erneuerbare Energie, Biodiversität und Wassermanagement gefördert.

Trotzdem kritisieren zahlreiche Verbände im Bereich Klima-, Umwelt- und Artenschutz, dass vor allem die Großen profitieren und die Verteilung nicht zu einer Transformation der Landwirtschaft beiträgt, die es angesichts der klimatischen Veränderungen brauche. Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im Europa-Parlament, sieht immer noch großen Nachholbedarf, was die Klimaverträglichkeit der europäischen Agrarpolitik betrifft, und fordert eine Reform des Subventionssystems. Unter anderem müsse darüber nachgedacht werden, die Agrarhilfen für große Unternehmen zu begrenzen.

Was soll sich mit der neuen Reform ändern?

Die GAP wird alle sieben Jahre neu verhandelt. Eigentlich hätte die neue Regelung schon 2020 eingeführt werden sollen, jedoch konnte man sich nicht schneller einigen. Für die Periode von 2023 bis 2027 hat sich die EU hohe Ziele gesteckt, denn die Maßnahmen sollen mit den Zielen des Green Deals vereinbart werden. Die Vorgaben sind jedoch nicht rechtlich bindend.

Die genaue Umsetzung liegt vor allem in der Hand der Mitgliedstaaten. Diese müssen sogenannte "National Strategic Plans" verfassen. Die Pläne werden anschließend von der Kommission geprüft und genehmigt. Dass den Mitgliedsstaaten mehr Gestaltungsfreiraum eingeräumt werde, könne zu einem "best-practice"-Wettbewerb führen, sagt Peter Jahr (CDU), Mitglied im Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung des EU-Parlaments. Kritiker sähen dadurch allerdings die Einheitlichkeit der Gemeinsamen Agrarpolitik in Gefahr.

Das bisherige Prinzip der zwei Säulen bleibt weiterhin bestehen, aber das Verhältnis soll sich ändern: Es soll weniger Direktzahlungen an Landwirte geben und stattdessen mehr Geld für die Entwicklung des ländlichen Raumes. Das Greening wird abgeschafft. Dafür werden sogenannte Eco-Schemes eingeführt, einjährige Maßnahmen, die Prämien bringen können. Damit sollen Anreize zu einer ökologischen Bewirtschaftung gesetzt werden.

Aber schon bei der Verabschiedung der neuen GAP war klar, dass die EU ihre Ansprüche an eine nachhaltige Lebensmittelversorgung nicht erreichen wird. Vor allem werden die Klimaziele verfehlt, die eigentlich Klimaneutralität bis 2050 vorsehen und auf dem Weg dahin bis 2030 eine Verringerung der Treibhausgas-Emissionen um 55 Prozent im Vergleich zu 1990.

Deshalb hat die Kommission außerdem die Strategie "Farm to Fork" auf den Weg gebracht, zu Deutsch: "Vom Hof auf den Tisch": Es ist der erste ernsthafte Versuch, für jede Stufe der Lebensmittel-Wertschöpfung Nachhaltigkeit zu erreichen. Sie formuliert bemerkenswerte Ziele bis 2030: 50 Prozent weniger Pestizide, 50 Prozent weniger Antibiotika, 25 Prozent weniger Düngemittel und ein Ökoland-Anteil von 25 Prozent aller Flächen. Alle Institutionen bekennen sich im Grundsatz zu den Zielen - aber sie müssen nun in Gesetze gegossen werden. Und um die neue Pestizid-Verordnung gibt es schon großen Streit: Wegen des Ukrainekrieges argumentieren nun viele, dass Ernährungssicherheit vor Klima- und Umweltschutz gehe.

Seit wann und warum fördert die EU landwirtschaftliche Betriebe?

Die Frage führt zurück zu den Ursprüngen der europäischen Einigung. Deutschland, Frankreich, Italien, Belgien, die Niederlande und Luxemburg gründeten 1957 die Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), Vorläuferin der EU, und setzten sich zum Ziel: Ihre Länder sollten nicht mehr von importierten Lebensmitteln abhängig sein. Vor allem in Deutschland produzierte die Landwirtschaft, teilweise noch wegen der Kriegsfolgen, zu wenige Nahrungsmittel. Und die Beschäftigten verdienten zu wenig. Das sollte sich ändern. Mit der 1962 in Kraft getretenen Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) sollten vor allem bäuerliche Familienbetriebe gefördert werden. Die EWG garantierte ihnen auskömmliche Preise, während Importe mit Zöllen belegt wurden.

Der Versuch, Preise zu garantieren, misslang. Um den Markt zu stabilisieren, kaufte der Staat den Betrieben 1967 erstmals jegliches Getreide zu einem garantierten Mindestpreis auf. Die Stützpreise wurden auf andere Produkte ausgedehnt und immer weiter angehoben, dadurch entstanden riesige Überschüsse: der Butterberg, der Milchsee. Alle Versuche, die Produktion mit Quoten zu begrenzen, schlugen fehl. Das System kam großen, produktiven Unternehmen entgegen, immer mehr kleine mussten aufgeben. Zugleich erreichten die Ausgaben für Landwirtschaft immer neue Rekorde. In den 1980ern betrugen sie bis zu 70 Prozent des EWG-Haushalts. Außerdem wurde der Druck auf Europa immer größer, die Landwirtschaftsmärkte zu öffnen. Deshalb leitete die EWG Anfang der 1990er-Jahre den Systemwechsel ein: Statt Märkte und Preise stützte sie Einkommen.

Umweltaspekte spielen seit der Mac-Sharry-Reform, benannt nach dem irischen EU-Kommissar Ray Sharry, 1992 eine größere Rolle. Die Garantiepreise für landwirtschaftliche Produkte wurden reduziert, zum Ausgleich erhielten die Betriebe Direktzahlungen. Um die Produktionsmengen zu senken, bezahlte man außerdem Prämien für umweltgerechte Produktionsformen, für Flächenstillegung, Aufforstung. Der Umweltschutz war in der GAP also eigentlich ein Nebenprodukt beim Versuch, die Produktion zu bremsen.

Der Versuch, Preise zu garantieren, misslang. Um den Markt zu stabilisieren, kaufte der Staat den Betrieben 1967 erstmals jegliches Getreide zu einem garantierten Mindestpreis auf. Die Stützpreise wurden auf andere Produkte ausgedehnt und immer weiter angehoben, dadurch entstanden riesige Überschüsse: der Butterberg, der Milchsee. Alle Versuche, die Produktion mit Quoten zu begrenzen, schlugen fehl. Das System kam großen, produktiven Unternehmen entgegen, immer mehr kleine mussten aufgeben. Zugleich erreichten die Ausgaben für Landwirtschaft immer neue Rekorde. In den 1980ern betrugen sie bis zu 70 Prozent des EWG-Haushalts. Außerdem wurde der Druck auf Europa immer größer, die Landwirtschaftsmärkte zu öffnen. Deshalb leitete die EWG Anfang der 1990er-Jahre den Systemwechsel ein: Statt Märkte und Preise stützte sie Einkommen.

Umweltaspekte spielen seit der Mac-Sharry-Reform, benannt nach dem irischen EU-Kommissar Ray Sharry, 1992 eine größere Rolle. Die Garantiepreise für landwirtschaftliche Produkte wurden reduziert, zum Ausgleich erhielten die Betriebe Direktzahlungen. Um die Produktionsmengen zu senken, bezahlte man außerdem Prämien für umweltgerechte Produktionsformen, für Flächenstillegung, Aufforstung. Der Umweltschutz war in der GAP also eigentlich ein Nebenprodukt beim Versuch, die Produktion zu bremsen.

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