Ganztagsbetreuung:Viele Betreuungsplätze für Grundschüler fehlen

Grundschüler, Kinderbetreuung

Wohin geht's nach der Schule? Das Angebot an Nachmittagsbetreuung für Grundschüler ist sehr viel geringer als der Bedarf.

(Foto: dpa)
  • Der Bedarf an Nachmittagsbetreuung für Grundschulkinder ist schon jetzt weitaus höher als die Zahl der vorhandenen Plätze. Und er wird weiter steigen.
  • Das zeigt eine Studie des Deutschen Jugendinstituts.
  • Um den geplanten Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder von 2025 an zu realisieren, halten die Jugendforscher deshalb zusätzliche Mittel des Bundes für notwendig.
  • Ihre Studie zeigt auch: Die Angebote müssen weitaus flexibler werden als bislang.

Von Edeltraud Rattenhuber

Fast drei Viertel der Grundschulkinder benötigen einen Betreuungsplatz am Nachmittag - doch nur knapp die Hälfte hat tatsächlich einen in Hort, Mittagsbetreuung oder Ganztagsschule ergattert. Das hat das Deutsche Jugendinstitut (DJI) in einer repräsentativen Befragung festgestellt, an der etwa 33 000 Familien mit Kindern unter zwölf Jahren teilnahmen. DJI-Direktor Thomas Rauschenbach betont in der neuen Ausgabe des Forschungsmagazins DJI Impulse, die neuen Zahlen zeigten, dass der Bedarf weiter steige.

"Auf diese Entwicklungen angemessen zu reagieren und bis zum Jahr 2025 genügend Plätze zu schaffen, kostet viel Geld und wird ohne zusätzliche Bundesmittel nicht zu realisieren sein", sagt Rauschenbach. Von 2025 an sollen Eltern einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung von Grundschülern haben, so ist es im Koalitionsvertrag vereinbart. Dabei müsse dann auch noch geklärt werden, wo und wie die zusätzlichen Plätze geschaffen werden sollen, sagt Rauschenbach: im schulischen Kontext, in den Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe oder als Mittagsbetreuung?

Die Kinderbetreuungsstudie (KiBS) wird jährlich erhoben. Deren Ergebnisse, die der Süddeutschen Zeitung vorliegen, zeigen auch, dass Eltern zunehmend flexible Betreuungsangebote suchen - auch weil sie zweifeln, dass ein sogenannter langer Ganztag den Kindern guttut, wie Studienleiter Christian Alt sagt. Schließlich gebe es einfach zu wenig belastbare Erkenntnisse über die Folgen von Ganztagsbetreuung.

In den alten Bundesländern gibt es im Gegensatz zu den neuen Bundesländern eine lange Tradition der familiären, außerschulischen Nachmittagsbetreuung. Doch in den vergangenen Jahren hat sich das auch hier stark gewandelt.

So melden in den westdeutschen Bundesländern mittlerweile 69 Prozent der Eltern Bedarf für einen Betreuungsplatz. Doch nur 42 Prozent können ein Ganztagsangebot im Hort oder in der Ganztagsschule nutzen. In den neuen Bundesländern (mit Berlin) ist dagegen nicht nur der Bedarf mit 91 Prozent deutlich höher, sondern auch die Inanspruchnahme. Hier nutzen 78 Prozent der Grundschulkinder ein Ganztagsangebot. Ein ähnlich hoher Bedarf ist in Westdeutschland nur in Hamburg zu verzeichnen.

Nicht alle Eltern wünschen derzeit allerdings ein ganztätiges Angebot - das ist den Studienleitern Christian Alt und Katrin Hüsken wichtig zu betonen. In Westdeutschland sucht beispielsweise die Hälfte der Eltern mit Betreuungsbedarf für ihre Kinder kein Angebot, das der Formel "fünf Tage pro Woche mit jeweils acht Stunden" entspricht, in der Schule und anschließende Betreuung enthalten sind. Das werde in der politischen und gesellschaftlichen Diskussion um einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung im Grundschulalter häufig übersehen, heißt es in der KiBS-Studie. Diese Eltern benötigen vielmehr flexible, kürzere Angebote - sei es, dass eine Betreuung nur an einzelnen Wochentagen gewünscht wird oder nur bis zum frühen Nachmittag.

Problem Betreuermangel

So geben beispielsweise 19 Prozent der Eltern mit Bedarf an, dass sie lediglich an maximal drei Tagen pro Woche eine Betreuung benötigen. Etwa ein Fünftel der ostdeutschen und knapp die Hälfte der westdeutschen Eltern haben einen Bedarf von maximal 35 Stunden pro Woche, auch hier wieder bezogen auf Schule plus Betreuung.

Auch diese Angebote müssten allerdings mit Fachkräften ausgestattet werden, meint DJI-Direktor Rauschenbach. Das sei aber wegen des Personalmangels in Kitas und Grundschulen kein Selbstläufer. Überhaupt sei die Frage nach dem pädagogischen Personal im Zusammenhang mit der Etablierung eines Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung für Grundschüler juristisch und politisch klärungsbedürftig, so Rauschenbach.

"Denn hier steht die Entscheidung im Raum, welches Gewicht man der Qualifikation des Personals im Ganztag beimessen will: Orientiert man sich am Hort, in dem für die Beschäftigten seit Jahrzehnten bereits Fachlichkeit - in den meisten Fällen das Qualifikationsprofil einer Erzieherin oder eines Erziehers - verlangt wird? Oder belässt man es bei den bisherigen, teilweise sehr lockeren Vorgaben der Länder, die den Ganztag zu einem Arbeitsfeld für beinahe jede und jeden gemacht haben?" Wo und wie man das zusätzlich benötigte Personal gewinnen wolle, sei jedenfalls nicht geklärt.

"Das Personal ist die Achillesferse", meint auch Studienleiter Alt. Qualitativ hochwertige Betreuung werde es nur geben, wenn man das entsprechende Personal habe. Laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung fehlen bereits im Kitabereich im Moment etwa 100 000 Erzieher.

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