Grundschulen:Was der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung bedeutet

Lesezeit: 2 Min.

Nach der Schule in die Nachmittagsbetreuung - diese Möglichkeit soll von 2026 an gesichert sein. (Foto: Arne Dedert/dpa)

Bund und Länder haben sich endlich zusammengerauft: Alle Grundschüler sollen auch nachmittags betreut werden können. Was heißt das im Detail?

Von Christoph Koopmann, München

Im letzten Moment war die Einigung da: Der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder kommt. Zuvor hatten Bund und Länder über die Finanzierung heftig gestritten. Ein Vermittlungsausschuss erzielte gerade noch rechtzeitig den Kompromiss, damit Bundestag und Bundesrat noch in dieser Legislaturperiode zustimmen können. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu dem politischen Großvorhaben:

Wer hat Anspruch auf Ganztagsbetreuung?

Die Regelung soll für alle Kinder gelten, die von 2026 an eingeschult werden. Bis 2029 wird der Anspruch folglich von Schuljahr zu Schuljahr auf alle Erst- bis Viertklässler ausgeweitet. Sie sollen an Werktagen mindestens acht Stunden in Ganztagsschulen oder Horten betreut werden können. Die Einrichtungen dürfen höchstens vier Wochen im Jahr geschlossen bleiben. Für alle vor 2026 Eingeschulten gilt der Anspruch nicht.

Wie sieht die Ganztagsbetreuung für Grundschüler bisher aus?

Einige Bundesländer, vor allem in Ostdeutschland, aber auch Hamburg und Berlin, haben bereits einen Rechtsanspruch. Im Westen dagegen gibt es noch große Lücken bei den Betreuungsmöglichkeiten für Grundschüler. In Deutschland wurden 2019 nach Angaben des Bundesfamilienministeriums bereits 1,5 Millionen Grundschulkinder auch nachmittags betreut, fast eine Million mehr als 2006.

SZ PlusStudie zum Kindeswohl
:"In Deutschland gab es noch nie so viele unglückliche Kinder"

Eine Studie beleuchtet die Auswirkungen von Corona auf Kinder zwischen Kita und Schule. Die Ergebnisse sind dramatisch.

Von Gerhard Matzig

Warum dauert es noch so lange, bis der Rechtsanspruch für alle Grundschulkinder kommt?

Im Koalitionsvertrag hatten Union und SPD eigentlich vereinbart, dass es 2025 so weit sein soll. Dass es nun noch ein Jahr länger dauert, sieht der Bund schon als Kompromiss gegenüber den Ländern. Sie argumentieren, dass sie die Zeit brauchen, um die nötigen Betreuungsplätze zu schaffen.

Wie viele Plätze fehlen noch?

Ministerien und Verbände schätzen je nach Berechnung, dass zwischen 600 000 und einer Million Betreuungsplätze fehlen. Besonders viele sind es in den Flächenländern im Westen, etwa Baden-Württemberg.

Gibt es dafür genügend Betreuerinnen und Erzieher?

Das dürfte eines der größten Probleme bei der Umsetzung werden. Schon für den regulären Grundschulunterricht fehlen nach Angaben der Bertelsmann-Stiftung bis 2025 etwa 100 000 Lehrer, bei den Erziehern für Horte sieht es kaum anders aus. Das Deutsche Jugendinstitut aber schätzt, dass für den Ganztag ab 2026 noch 100 000 Betreuer neu eingestellt werden müssten.

Was soll das kosten?

Das Deutsche Jugendinstitut hat berechnet, dass Investitionen von bis zu 7,5 Milliarden Euro nötig wären, um die zusätzlichen Betreuungsplätze zu schaffen. Langfristig würde es wohl zwischen zwei und vier Milliarden Euro pro Jahr kosten, sie zu betreiben.

Wer bezahlt das?

Das war der entscheidende Streitpunkt in den Verhandlungen: Einige Länder fanden, der Bund wolle zu wenig dazugeben. Am Montagabend einigten sie sich darauf, dass Berlin sich zunächst mit 3,5 Milliarden Euro an den Investitionskosten beteiligt. Für die laufenden Kosten will der Bund nun 1,3 Milliarden Euro pro Jahr zuschießen, etwa 300 Millionen mehr als bisher zugesichert.

Wieso gibt der Bund überhaupt Geld dazu? Bildung ist doch Ländersache.

Länder und Kommunen argumentieren, dass sie die enormen Kosten für Ausbau und Betrieb nicht allein finanzieren können. Die Bundesregierung wiederum versicherte, bei der Betreuung flächendeckend gleiche Möglichkeiten herstellen zu wollen. Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, mahnte am Dienstag, dass die nicht vom Bund gedeckten Kosten auf keinen Fall bei den Kommunen hängenbleiben dürften. Dedy forderte eine "Ausbildungsoffensive" der Länder, denn er zweifle, "ob es gelingt, überall rechtzeitig den Bedarf an Ganztagsbetreuung in der gewünschten Qualität zu erfüllen". Maike Finnern, Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, sagte, es reiche nicht, jetzt nur in reine Betreuung zu investieren: "Ganztag ist eine Bildungsaufgabe."

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusMeinungFamilienpolitik
:Wehe, Mama arbeitet zuviel

Kommentar von Katharina Riehl

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: