Es wird einem mulmig zumute: Bei den Pegida-Demonstrationen zeigt sich eine Rohheit der Auseinandersetzung, die man vor einem Jahr, als der Pegida-Spuk begann, noch kaum für möglich gehalten hätte. Die Sprüche werden gemeiner, die Parolen aggressiver, die Hetze gegen Flüchtlinge wird manifest. Jüngst wurde nun ein Galgen mitgetragen, bestimmt für die Kanzlerin Angela Merkel und den Vizekanzler Sigmar Gabriel. Das ist die Sprache der Gosse, das ist die Primitivierung des Abendlandes.
Es fehlt in Dresden leider noch die Zivilgesellschaft, die sich solchem Treiben couragiert entgegenstellt. Bürger schauen von der Semper-Oper aus peinlich berührt zu, wie vor den Fenstern gepöbelt wird. Drinnen, auf der Bühne, singt die Königin der Nacht, draußen fordern die Sprechchöre "Abschiebung". Auf dem Bühnenvorhang stehen die Wörter "Vernunft" und "Weisheit", draußen bricht sich die Unvernunft Bahn. Auch die Polizei hat bei all dem zugeschaut, sie hat sich auch an dem Galgen nicht gestört - jedenfalls nicht so, dass sie eingegriffen hätte. Und die Staatsanwaltschaft hat erst unter dem Druck der öffentlichen Empörung Ermittlungen eingeleitet.
Die Straftatbestände liegen auf der Hand; mit freier Meinungsäußerung hat das wenig zu tun. Es ist dies der Begleitchor zu den Gewalttaten gegen Flüchtlingsunterkünfte, die ständig zunehmen.
Volksverhetzung als Volkssport
Man könnte die Ansicht vertreten, dass es auch sein Gutes hat, wenn sich die Bösartigkeit eines Teils der Pegida-Demonstranten so deutlich zeigt, weil das womöglich Mitläufer warnt, abschreckt und umkehren lässt. Sollten sich die Behörden bei ihrer Indolenz von solchen Überlegungen leiten lassen, wäre das falsch.
Es geschieht ja das Gegenteil; es geschieht nun seit einem Jahr die Veralltäglichung des Kriminellen. Das ist ein Unterschied zu dem intolerablen Vorfall bei der Anti-TTIP-Demo in Berlin; auch der muss strafrechtlich verfolgt werden: Es wurde eine Guillotine gezeigt, auf der der Name von Gabriel stand. Bei Pegida kehren solche Frechheiten in wöchentlichem Abstand sich steigernd wieder. Wenn Menschen vom Pegida-Organisator als "Gelumpe" und "Viehzeug" beschimpft werden, wenn bei den Aufzügen Volksverhetzung Volkssport wird: dann darf der Staat nicht mehr einfach zuschauen.
Pegida-Demo:Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Galgen für Merkel und Gabriel
Bis zu 9000 Fremdenfeinde demonstrieren in Dresden - und der Ton wird rauer. Selbstgebastelte Galgen eines Pegida-Demonstranten beschäftigen nun den Staatsanwalt.
Oder sollte es ein Argument für polizeiliches Zuschauen sein, dass diese Demonstrationen zu groß und zahlreich geworden sind? Sollte es ein Argument für Nichteingreifen sein, dass sich die Polizei sonst selbst in Gefahr begibt? Wenn es so wäre, wäre das ein Hinweis darauf, dass zu lange zugeschaut wurde. In Karlsruhe läuft ein Verfahren zum Verbot der NPD; der Antrag stützt sich darauf, dass die Partei als Durchlauferhitzer für Gewalt gegen Ausländer fungiere. Wenn eine Partei mit diesem Argument verboten werden kann, dann sollten erst recht Demonstrationen unterbunden werden, wenn klar ist, dass sie Gewalt befördern. Eine starke Gesellschaft zeigt sich auch darin, dass sie sich nicht alles gefallen lässt. Und ein Staat ist dann stark, wenn er die Schwachen schützt.