Gaffer:Kein Schamgefühl

Wie die Polizei mit Schaulustigen umgehen sollte.

Von Peter Fahrenholz

Vielleicht hat es das jetzt einfach einmal gebraucht. Dass ein Polizist die Gaffer bei einem Verkehrsunfall nicht auffordert, sich zu entfernen, was sich meist als völlig nutzlos erweist, sondern ihnen im Gegenteil anbietet, die Opfer aus nächster Nähe zu betrachten. "Sie wollen tote Menschen sehen? Fotos machen? Kommen Sie!" Eine drastische Schocktherapie, für die der Polizist in den sozialen Medien gefeiert wird, wo ansonsten aber gerne Unfallbilder gepostet werden, am besten ohne störende Helfer vor der Linse.

Sensationsgier hat es zu allen Zeiten gegeben, es ist offenbar eine unergründliche Neigung vieler Menschen, den Qualen und Leiden anderer beizuwohnen. Im Zeitalter des Selfie-Wahns ist die Schamlosigkeit dazugekommen, das Erlebnis mit möglichst vielen zu teilen. Längst sind dabei alle Hemmungen gefallen, Retter und Polizisten werden sogar attackiert, wenn sie den Gaffern im Wege stehen.

Zwar ist es seit zwei Jahren eine Straftat, Einsatzkräfte zu behindern, aber in der Praxis kommen die Schaulustigen oft ungeschoren davon, denn Priorität hat in dieser Situation die Rettung der Opfer und nicht die Verfolgung der Gaffer. Vielleicht sollte die Polizei versuchen, die Gaffer mit ihren eigenen Waffen zu schlagen: sie fotografieren und die Bilder dann ins Netz stellen.

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