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Gaddafi-Sohn plant Allianz mit Islamisten:"Libyen wird aussehen wie Iran"

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Kurswechsel, Verzweiflungstat oder schlechter Scherz? Ein Sohn des libyschen Herrschers Gaddafi kündigt an, das Regime werde sich im Krieg gegen die Rebellen mit Islamisten verbünden. Zum Beweis tritt Saif al-Islam mit Bart und Gebetskugeln auf. Doch sein Vater hatte sich dem Westen stets als Bollwerk gegen die religiösen Fanatiker angedient. Und auch der Lebenslauf des Sohnes lässt Zweifel keimen.

Als Muammar al-Gaddafi noch um die Unterstützung des Westens für sein Regime warb, wiederholte er vor allem ein Argument: Libyen sei ein Bollwerk gegen den Islamismus. Europa werde einen "islamischen Dschihad im Mittelmeer" erleben, sollte er die Macht abgeben müssen. Es werde dann niemanden mehr geben, der die Islamisten aufhalte, sagte Gaddafi in einem Interview im März 2011.

Fünf Monate später deutet sich eine erstaunliche Kehrtwende der libyschen Führung an: von pro-westlich zu pro-islamisch. Zumindest wenn man Gaddafis Sohn Saif al-Islam glauben darf, der sich in einem Interview mit der New York Times äußerte.

Darin erklärte Gaddafi junior, das Regime habe ein "Bündnis" mit den islamistischen Kräften innerhalb der Aufständischen-Allianz geschlossen. Gaddafi-Clan und Islamisten hätten sich gegen das pro-westliche, liberale Lager in der Rebellen-Koalition zusammengetan. "Die Liberalen werden fliehen oder sie werden getötet", sagte Saif al-Islam in dem einstündigen Interview. "Wir machen es gemeinsam. Libyen wird aussehen wie Saudi-Arabien, wie Iran. Na und?", zitiert ihn die Zeitung.

Auch äußerlich scheint sich Saif al-Islam der neuen Allianz angepasst zu haben: der politisch aktivste Sohn des libyschen Diktators habe sich einen Bart wachsen lassen und mit muslimischen Gebetskugeln herumgespielt, berichtete der Reporter der Times. Nach eigener Darstellung hat sich Saif al-Islam - sein Vorname bedeutet übersetzt: "Schwert des Islams" - mit dem aufständischen Islamisten-Führer Ali Sallabi verbündet. Dieser habe ihm gesagt, dass die "säkularen Menschen keinen Platz in Libyen" hätten.

Sallabi dementierte das allerdings gegenüber der New York Times. Es habe zwar Kontakte gegeben. Die libyschen Islamisten würden aber die Forderung des Übergangsrates der Regimegegner unterstützen, die auf ein demokratisches Libyen ohne den Gaddafi-Clan abzielen.

Zweifelhaft erscheint die Islamisierung des Gaddafi-Sohnes auch deshalb, weil sich dieser lange als pro-westlicher, liberaler Reformer gebärdet hatte. Saif al-Islam hat in London studiert. Das politische System seines Vaters hatte er in der Vergangenheit als reformbedürftig dargestellt.

Muammar al-Gaddafi hatte die blutige Unterdrückung der Opposition damit gerechtfertigt, dass sich diese aus Islamisten und Al-Qaida-Angehörigen rekrutieren würde. Westliche Regierungen bezweifeln das: Zwar gebe es islamistische Einflüsse bei den Rebellen. Sie spielten nach bisherigen Erkenntnissen jedoch keine prominente Rolle.

Letztlich zeigt sich auch Saif al-Islam selbst von dem neuen Kurs nicht vollständig überzeugt: Er bezeichnete die religiösen Oppositionellen einerseits als "Terroristen" und "Bluthunde", fügte andererseits aber hinzu: "Wir trauen ihnen nicht, aber wir müssen mit ihnen Händel schließen". Sie seien "die wahre Kraft vor Ort".

Welche Rolle er und sein Vater in der (islamistischen) Zukunft spielen könnten, wollte Saif al-Islam in dem Interview nicht beantworten. Diese Frage stelle sich erst später.

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