Gabriels Umgang mit Pegida:Grenzgänger zwischen Annäherung und Anbiederung

German Economy Minister Sigmar Gabriel addresses new conference in Berlin

Er will sich um "die Menschen" kümmern und mit Pegida-Anhängern reden: SPD-Chef Sigmar Gabriel (Archivbild aus dem Jahr 2014).

(Foto: REUTERS)
  • Pegida hat in Berlin eine politische Identitätsdebatte ausgelöst.
  • Dass SPD-Chef Sigmar Gabriel mit den Pegida-Anhängern reden will, finden Innenminister Thomas de Maizière und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen gut.
  • Die beiden prominenten CDU-Politiker stellen sich damit gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Kommentar von Nico Fried

Als Sigmar Gabriel jüngst im Fernsehen saß, benutzte er in einem Interview zum Thema Pegida binnen weniger Minuten ein Dutzend Mal den Begriff "die Menschen". Das ist nicht überraschend, weil Politik für Menschen gemacht wird. Bemerkenswert war, wen Gabriel mit "die Menschen" meinte - die Pegida-Demonstranten - und von wem er sie unterschieden hat, zum Beispiel von Rechtsextremen und Rechtspopulisten, von den Pegida-Organisatoren, aber auch von Journalisten und Politikern. Wenn Gabriel anfängt, sich um "die Menschen" zu kümmern, gibt's eben kein Halten mehr.

Während die selbsternannten Retter des Abendlandes in Dresden und anderswo allmählich der Dämmerung entgegen demonstrieren, offenbart die Politik einige Wirkungstreffer. Der pseudopatriotischen Bewegung geht es schlecht, wie man im Osten an der Spaltung der Dresdner Pegida sieht und im Westen an einer Fusion: Die Not muss schon sehr groß sein, wenn ausgerechnet die Gidas aus Köln und Düsseldorf nun gemeinsam auf die Straße ziehen wollen. In Teilen der Regierungsparteien aber debattiert man nervös, wie mit den Demonstranten umzugehen sei, den Übriggebliebenen von heute und möglichen AfD-Wählern von morgen. Nicht alles, was da volksnah aussieht, ist auch nah am gewünschten Erfolg. Im Gegenteil.

Pegida hat in Berlin eine Art politische Identitätsdebatte ausgelöst, für deren Pole die Bundeskanzlerin und ihr Vize stehen. Im Kern geht es um die Ansprache derer, die Gabriel "die Menschen" nennt. Es war Angela Merkel, die genau diese Leute - also nicht die Organisatoren, sondern die Demonstranten - in ihrer Weihnachtsansprache aufgerufen hat, nicht denen hinterherzulaufen, die "Hass im Herzen" hätten. Einige Tausend taten es trotzdem - und bekamen schließlich Besuch vom SPD-Chef. Merkel, die sich gerne als Kanzlerin aller Deutschen bezeichnet, übte sich in Abgrenzung; Gabriel hingegen gefiel sich als Grenzgänger.

Die Magnetfelder der beiden Pole wirken parteiübergreifend: Zu Merkels Lager kann man den sozialdemokratischen Justizminister Heiko Maas ("Schande für Deutschland") und seinen Genossen Außenminister Frank-Walter Steinmeier ("Schaden für Deutschland") zählen. Außerdem die Generalsekretärin der SPD, Yasmin Fahimi, und CSU-Chef Horst Seehofer. Zu Gabriels Lager gehören der CDU-Innenminister Thomas de Maizière, der als Dresdner auch lokalpolitisch betroffen ist, und die stellvertretende CDU-Vorsitzende Ursula von der Leyen. Beide lobten Gabriel. Dass sich damit zwei ihrer wichtigsten Parteifreunde gegen Merkel stellten, blieb im Windschatten der Differenzen in der SPD weitgehend unbeachtet.

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