Gabriele Pauli:Stoibers furchtlose Kritikerin

Eine CSU-Landrätin aus Mittelfranken will verhindern, dass der Ministerpräsident 2008 wieder Spitzenkandidat wird. Sie sagt, dass sie deswegen bespitzelt wird - und wehrt sich dagegen.

Peter Fahrenholz und Bernd Oswald

Bei Gabriele Pauli ist alles ein bisschen anders, als man es sonst von der CSU gewohnt ist. Während des Mittagessens in einem Café in Zirndorf kommt eine Mitarbeiterin vorbei. "Das ist meine Fahrerin", sagt Pauli. Sie bringt den Autoschlüssel für den neuen Dienstwagen vorbei, den die Fürther Landrätin nachher persönlich in Empfang nehmen möchte.

Eine Fahrerin hat vermutlich keiner der anderen CSU-Oberen, denen ein Dienstwagen mit Chauffeur zusteht. "Warum nicht?", fragt Pauli, "mehr und mehr Männerarbeitsplätze werden mittlerweile durch Frauen ersetzt."

Stoiber-kritisches Internetforum

Einen Mann würde Gabriele Pauli am liebsten ersetzt sehen: Edmund Stoiber, ihren eigenen Parteichef und Ministerpräsidenten. Seit Monaten ist die Fürther Landrätin die einzige führende CSU-Politikerin, die sich öffentlich zu sagen getraut, was andere nur hinter vorgehaltener Hand zu wispern wagen, obwohl es die CSU-Basis seit langem umtreibt: dass die Zeit von Edmund Stoiber abgelaufen ist und dass er bei der Landtagswahl 2008 nicht noch einmal antreten soll.

Paulis letzte spektakuläre Aktion war ein Internetforum, auf dem sie ihre These diskutieren ließ. Binnen drei Tagen gingen mehr als 150 Mails ein, die meisten davon zustimmend.

Danach meldeten sich auch glühende Stoiber-Anhänger zu Wort, der Ton wurde zunehmend unsachlicher. Deshalb habe sie die Seite abgeschaltet, versichert Pauli, und nicht, weil das Projekt innerhalb der Partei auf massive Kritik gestoßen ist.

Suche nach kompromittierendem Material

Zuletzt hat ihr eigener Bezirksvorsitzender, Innenminister Günther Beckstein, diese Form der Diskussion scharf gerügt. Pauli sieht sich durch die Diskussionsbeiträge hingegen voll bestätigt und spricht von einem "tollen Signal".

Fast 80 Prozent der Zuschriften hätten sie in ihrer Meinung bestärkt. "Das zeigt, dass in der Bevölkerung ziemlich viel unter der Decke gehalten wird", sagt Pauli.

Ans Tageslicht brachte sie jetzt ihre angebliche Bespitzelung. Gabriele Pauli sagt, dass ein ein hoher Beamter der Staatskanzlei einen Parteifreund von ihr angerufen habe, um sich nach ihrem Privatleben, möglichen Männerbekanntschaften oder Alkoholproblemen zu erkundigen.

Stoibers furchtlose Kritikerin

Pauli will den ihr namentlich bekannten Beamten auffordern, sich gegenüber Staatskanzleichef Eberhard Sinner zu offenbaren, bevor sie weitere Schritte unternehme. Dem Vernehmen nach soll es sich um Michael Höhenberger, Stoibers Büroleiter, handeln.

Zwei Ehen gescheitert

Mit dem Schritt an die Öffentlichkeit ist sie in die Offensive gegangen, um ihr Privatleben vor weiterer Nachstellungen zu schützen. Kein Geheimnis ist, dass sie mit Siegfried Balleis, der mittlerweile Oberbürgermeister von Erlangen ist, verheiratet war. Mit ihm zusammen hat sie auch die Tochter Cornelia (19), die bei der Mutter in Zirndorf lebt. Zurzeit ist sie mit Florian Dickop, dem Geschäftsführer einer Computer-Firma, verheiratet, lebt aber von ihm getrennt.

Glatter verlief die Karriere der 49-jährigen Kommunalpolitikerin: Seit 1990 ist sie jetzt schon Landrätin von Fürth. Damals trat sie als 32-jährige einen vermeintlichen Opfergang an, der Landkreis galt als SPD-Hochburg.

Doch in der Stichwahl setzte sie sich hauchdünn durch. Seither wurde Pauli zweimal mit großer Mehrheit wiedergewählt, zuletzt im Jahr 2002 mit mehr als 65 Prozent. Dem CSU-Vorstand gehört Pauli bereits seit 1989 an.

Dort ist sie nicht als Rebellin in Erscheinung getreten. Sicher, 1993 beim Rücktrittvon Max Streibl war sie für Theo Waigel statt für Edmund Stoiber als Ministerpräsidenten. Auf jenem legendären Nürnberger Bezirksparteitag im Frühjahr 1993, als Günther Beckstein im Beisein Waigels ein Votum für Stoiber herbeiführte, hat sie sich als eine der ganz wenigen für Waigel ausgesprochen. Aber danach war wieder Ruhe. Einen persönlich motivierten Rachefeldzug gegen Stoiber kann ihr niemand unterstellen.

Bestellte Wortmeldungen

Doch anders als die meisten anderen aus den CSU-Führungsgremien ist Pauli nicht bereit, den schleichenden Verfall Stoibers kommentarlos hinzunehmen, nur weil der sich mit allen Kräften an sein Amt klammert.

"Der Knackpunkt war Berlin", sagt Pauli, die Flucht vom zuvor mit aller Macht angestrebten Ministerposten. Das habe die CSU Glaubwürdigkeit und Stoiber viel persönlichen Kredit gekostet. "Seitdem hat er sich nicht mehr gefangen."

Im CSU-Vorstand steht sie damit allein, jedenfalls offiziell. Eine offene Diskussion über die Frage, ob Stoiber noch der richtige Mann ander Spitze ist, hat es dort nie gegeben. Stattdessen gibt es immer wieder wie bestellt wirkende Wortmeldungen, mit denen die Kritikerin niedergebügelt wird.

Solidarität mit Stoibers Erzfeind

Hinterher, erzählt Pauli, kämen dann immer wieder Leute zu ihr und sagten: "Du hast Recht" - auch Kabinettsmitglieder. Stoiber selber ignoriert seine Kritikerin nach Kräften. "Das ist eine Strategie des Totschweigens", sagt Pauli.

Auch auf dem CSU-Parteitag im Oktober in Augsburg war Pauli die einzige aus der Führungsriege, die sich für den Antrag von Stoibers Intimfeind Alfred Sauter einsetzte, die Amtszeit des Ministerpräsidenten auf zwei Perioden zu begrenzen.

Andere trauten sich wieder mal nicht, ihre Zweifel an Stoiber öffentlich zu machen. Der Antrag wurde erwartungsgemäß mit riesiger Mehrheit abgeschmettert. Hat sie da nicht Muffensausen gehabt, bevor sie ans Mikrophon trat? "Ich sehe nicht das, was die Leute sagen, sondern, was sie denken und fühlen. Wenn ich das spüre, rede ich ganz leicht", sagt Pauli.

Vor ihrer Rede hat Wilfried Scharnagl sie zur Seite genommen. Der ehemalige Bayernkurier-Chefredakteur weiß fast alles über das Innenleben der CSU und gibt davon nur selten etwas preis.

Offene Karriereplanung

Es war keine strenge Ermahnung, eher ein fürsorglicher Ratschlag nach dem Motto: Mädel, pass auf. Für jemanden, der ihm als profilierungssüchtiger Außenseiter gilt, hätte einer wie Scharnagl kein aufmunterndes Wort übrig.

Pauli jedenfalls will weitermachen. Jetzt plant sie, einen Antrag in die Partei einzuspeisen, der die Urwahl des Spitzenkandidaten fordert. "Die Basis bekommt Stimmzettel", sagt Pauli. Über deren Empfehlung solle dann der Parteitag abstimmen. Und was die Basis denkt, da ist sich Pauli sicher, dieses Votum könne auch Stoiber nicht ignorieren. "Ich glaube nicht, dass er 2008 nochmal antritt", sagt sie.

Und sie selbst? Wäre es nach 16 Jahren als Landrätin nicht Zeit für eine neue Aufgabe? In einem Nach-Stoiber-Kabinett zum Beispiel? "Hach", sagt Pauli, lächeltund setzt einen unschuldigen Augenaufschlag auf, der jedem Hollywood-Star zur Ehre gereichen würde, "das ist schwer zu sagen."

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