Gabriel:Die SPD schafft es nicht

SPD-Bundesparteitag

Bei seiner Wiederwahl bekam der Parteichef nur 74 Prozent der Stimmen.

(Foto: dpa)

Ein desaströses Ergebnis für den Parteichef. Die SPD hat sich auf ihrem Berliner Parteitag zielsicher in beide Beine geschossen.

Kommentar von Kurt Kister

Das schlechte Wahlergebnis für Sigmar Gabriel ist ein Beweis für die Spaltung der SPD. Es gibt eine Mehrheit in dieser Partei, die den mittigen Kurs des Parteivorsitzenden für richtig hält. Und es gibt eine starke Minderheit, die eine linke SPD will und Gabriel so sehr für den Falschen hält, dass sie sich auch nicht mehr darum schert, was ihr Wahlverhalten auf einem Parteitag für Zukunft und Gesamtwohl der Partei bedeutet.

Gabriels Hauptbotschaft vom Berliner Parteitag sollte eigentlich lauten: Die Union streitet, die SPD debattiert, aber sie ist geschlossen. "Das schaffen wir", sagte Gabriel vor seiner Wahl, "wir gemeinsam". Nein, diese Partei schafft "es" nicht gemeinsam. Ein erklecklicher Anteil der Sozialdemokraten will es dezidiert nicht mit Sigmar Gabriel als ihrem Parteichef schaffen.

Manchmal hörte sich Sigmar Gabriel bei seiner Rede auf dem Berliner SPD-Parteitag so an, als wolle er die Fortsetzung von Helmut Schmidt mit anderen Mitteln werden. Dieser Eindruck entstand nicht nur, weil Gabriel den toten Altkanzler so nachhaltig erwähnte. Gabriel bemühte sich außerdem auch noch sehr, eine Rede zu halten, die von der Leidenschaft der engagierten Vernunft getragen sein sollte. Das war Schmidts Politikstil. Gabriel jedenfalls wollte nicht den nörgelnden, dünnhäutigen Verbalschläger geben, als den man ihn auch kennt, sondern ein nachdenklicher, integrativer Vorsitzender sein. Das Wort "Ernsthaftigkeit" kam in seiner Rede noch häufiger vor als der Name Schmidts.

Die SPD hat wieder einmal ihrem ausgeprägten Selbstbeschädigungstrieb gefrönt

Nur knapp drei Viertel der Delegierten hat er mit diesem Auftritt überzeugt. 74 Prozent Zustimmung sind im wirklichen Leben fantastisch; auf einem Parteitag sind 74 Prozent für den Vorsitzenden desaströs. Zu viele in der SPD wollen Gabriel weder als Parteichef noch als Kanzlerkandidaten haben. Ihnen passt sein Schmidttum nicht, das wurde in der von Parteilinken dominierten Debatte nach der Rede sehr deutlich.

Überdeutlich wurde es beim egozentrischen Auftritt der Juso-Vorsitzenden Johanna Uekermann. Sie zieh Gabriel de facto der Lüge, weil er, etwa auf dem Parteitag, anders rede, als er später handele. Diese Form der kamera-affinen, als politischer Debattenbeitrag getarnten Attacke ad personam auf eigene Leute (oder wie im Fall Seehofers auf die Kanzlerin) hat man in jüngerer Zeit eher bei der CSU oder der AfD erlebt.

Ob Gabriel mit diesem Ergebnis noch die Kanzlerkandidatur anstrebt ist ungewiss

Die SPD hat wieder einmal ihrem ausgeprägten Selbstbeschädigungstrieb gefrönt. Das hat nichts damit zu tun, dass intensive Debatten über Themen wie die Steuergerechtigkeit, TTIP oder die Vorratsdatenspeicherung wichtig sind. Und natürlich muss gerade die SPD intensiv darüber diskutieren, ob sie mehr auf linke Positionen setzen will, oder jene Mitte-Partei sein möchte, die gegenwärtig in einer Existenz als Minderheitspartner in der großen Koalition gefangen zu sein scheint. Aber die Sozialdemokraten trennen eben nicht zwischen diesen inhaltlichen Debatten und dem Persönlichen.

Mutmaßlich 2017 bei der Bundestagswahl wird sich auch der Richtungskonflikt in der SPD entscheiden. Ob Gabriel mit diesem Ergebnis überhaupt noch die Kanzlerkandidatur anstrebt, ist ungewiss. Die SPD jedenfalls hat sich an diesem Freitag zielsicher in beide Beine geschossen.

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