Süddeutsche Zeitung

Gabriel besucht Moschee:"Anschlag auf die Mitte der Gesellschaft"

SPD-Chef Gabriel besucht eine Berliner Moschee, auf die vermutlich ein Brandanschlag verübt wurde. Vertreter des Islams beklagen die geringe Anteilnahme der Nachbarn - und der Gesellschaft.

Von Nadia Pantel, Berlin

"Wir haben eine schwere Woche hinter uns", sagt Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland. Hinter ihm steht der verrußte Rohbau der Mevlana Moschee in Kreuzberg, in dem am 11. August ein Feuer ausgebrochen war. Es ist die dritte durch Brand beschädigte Moschee, die Mazyek in dieser Woche besucht. Auf zwei Moscheen in Bielefeld waren kürzlich Brandanschläge verübt worden. In Berlin ist die Ursache des Feuers noch nicht abschließend geklärt, doch seit die Polizei hier Spuren von Brandbeschleunigern gefunden hat, sind sich die meisten Kreuzberger Muslime sicher: Es war Brandstiftung. "Sehr viel deutet darauf hin", sagte Mazyek.

Gemeinsam mit Mazyek besuchte SPD-Chef Sigmar Gabriel am Samstag die Brandstätte. "So ein Anschlag ist ein Anschlag auf die Mitte der Gesellschaft", sagte Gabriel. Es sei falsch, die Konflikte in Syrien und im Irak als einen neuen Kampf der Kulturen zu interpretieren und zum Nährboden für antimuslimische Ressentiments werden zu lassen: "Es geht bei diesen Kriegen nicht um den Islam." In Deutschland müsse ein friedliches und tolerantes Zusammenleben möglich bleiben.

Regelmäßig politisch motivierte Anschläge

Der Vorsitzende der Islamischen Föderation in Berlin, Fazli Altin, sagte, Gabriels Besuch habe die Trauer der Betroffenen gelindert. Unabhängig von der Ursache des Brandes sei ein zerstörtes Gotteshaus eine Katastrophe für die Gemeinde. "Die Anteilnahme der Nachbarn war bisher genauso gering wie durch den Rest der Gesellschaft", sagte Altin. Ein Desinteresse, das sich an diesem Nachmittag auch auf dem Bürgersteig vor der Moschee beobachten lässt. Der Nachbar des Gotteshauses ist der Festsaal Kreuzberg. Eine Institution des Berliner Nachtlebens, die ebenfalls einem Feuer zum Opfer fiel. Vor gut einem Jahr war der Festsaal durch einen technischen Defekt ausgebrannt. Touristenpärchen machen andächtig Fotos von den Überresten. An den verkohlten Mauern im Hinterhof der Mevlana Moschee gehen sie vorbei.

Sowohl die gesamte Gesellschaft als auch die muslimischen Gemeinden selber müssten sich bewusster werden, dass es regelmäßig politisch motivierte Anschläge auf Moscheen gäbe, die nicht einfach hingenommen werden dürften, sagte Mazyek. "Es werden sehr häufig Hakenkreuze an Moscheen geschmiert. Die Gemeinden entfernen die Schmierereien, ohne sie zu melden." Mazyek fordert, dass die Moscheen in Deutschland bewacht werden und dass die Polizei gemeinsam mit den Gemeinden Konzepte erarbeitet, um die Gotteshäuser besser zu schützen.

An dem Besuch der Moschee beteiligte sich auch Stephan Kramer, Mitglied des Zentralrats der Juden in Deutschland. Am 29. Juli hatten Jugendliche einen Molotow-Cocktail auf eine Synagoge in Wuppertal geworfen. "Ein Angriff auf eine Moschee, eine Synagoge oder eine Kirche ist immer ein Angriff auf die ganze Gesellschaft", sagte Mazyek, der neben den Moscheen in Bielefeld auch die Synagoge in Wuppertal besucht hatte.

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SZ vom 25.08.2014/ihe
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