Gabriel-Besuch in Moskau:Gabriels gutes und konstruktives Gespräch mit Putin

  • Bei seinem Antrittsbesuch in Moskau wurde Außenminister Sigmar Gabriel vom russischen Präsidenten Putin empfangen. Es sei ein gutes und konstruktives Gespräch gewesen, verlautete aus Gabriels Delegation.
  • Zuvor hatte Gabriel bereits seinen russischen Amtskollegen Lawrow getroffen.
  • Dabei gelang es Gabriel, Haltung zu zeigen, ohne konfrontativ zu wirken.

Von Julian Hans, Moskau

Es soll ein angenehmes Gespräch gewesen sein, ein gutes und konstruktives. So verlautet es zumindest aus der Delegation von Außenminister Sigmar Gabriel. Bei dessen Besuch in Moskau hat der russische Präsident Wladimir Putin den deutschen Außenminister zu einem Gespräch empfangen. Das ist insofern etwas Besonderes, als dass ein Termin bei Putin normalerweise ausländischen Staats- und Regierungschefs vorbehalten ist.

Putin und Gabriel seien einig, dass beide Seite angesichts der sich verschlechternden Sicherheitslage in Europa ein Interesse an "konstruktiven Beziehungen" hätten, hieß es weiter. Eine neue "Rüstungsspirale" müsse verhindert werden. Der Dialog zwischen Berlin und Moskau solle gepflegt werden.

Dass der russisch-deutsche Dialog aber auch mit deutlichen Worten geführt werden kann, hatte Gabriel zuvor gezeigt, als er seinen russischen Amtskollegen Sergej Lawrow traf. Er müsse dem "lieben Sergej" doch einmal widersprechen, auch auf die Gefahr hin, die Atmosphäre bei seinem Antrittsbesuch in Moskau zu trüben, sagte Gabriel bei einer gemeinsamen Pressekonferenz: Die Welt sei keineswegs in ein "postwestliches Zeitalter" eingetreten, wie es der russische Außenminister vor drei Wochen auf der Münchner Sicherheitskonferenz formuliert und beim gemeinsamen Termin noch einmal wiederholt hat.

Bei seinem letzten Besuch 2015 hatte Gabriel Putin um ein Autogramm gebeten

Es gehe ja nicht um den Westen im geografischen Sinne. "Möglicherweise gab es auf dem Tahrir-Platz in Kairo Leute, die westliche Werte eingefordert haben. Und es gibt westliche Politiker, die sie verletzt haben", führt der deutsche Außenminister aus. Deswegen seien die Prinzipien aber nicht falsch. Und die gewaltsame Verletzung von Grenzen in Europa sei eben auch "etwas, was wir nicht akzeptieren können". Eine deutliche Anspielung auf die Annexion der Krim. "Was mich angeht, werde ich jedenfalls alles dafür tun, dass die westlichen Ideen von Menschenrechten und Demokratie nicht gestorben sind", schließt Gabriel sein Statement ab.

Er habe ja nicht den geografischen Westen gemeint, sondern den historischen, kontert Lawrow. Der habe lange Zeit dominiert, aber jetzt sei eben eine Zeit angebrochen, in der es mehr als ein Zentrum gebe. Im Übrigen sei der Arabische Frühling ja ein Beispiel dafür, welche Folgen das habe: "Wenn auf dem Tahrir westliche Werte verteidigt wurden, dann kamen hinterher die Islamisten an die Macht." Ja, räumt Gabriel ein, mit westlichen Ideen könne man auch mal verlieren. "Deswegen sind sie noch lange nicht falsch".

Da tritt ein ganz anderer Gabriel auf als bei seinem Besuch in Moskau im Herbst 2015. Damals bat er Wladimir Putin um ein Autogramm und bekundete, was Deutschland und Russland so auseinanderbringen konnte, sei ihm "völlig unklar". Um im nächsten Atemzug einen schrittweisen Abbau der Sanktionen schon vor Umsetzung aller in Minsk vereinbarten Punkte anzuregen - als Privatmann, wie der damalige Wirtschaftsminister betonte.

Dieses Mal hatte Gabriel schon auf dem Weg nach Moskau klargestellt, an eine Aufhebung der wegen der Krim-Annexion verhängten Sanktionen sei nicht zu denken. Für eine Lockerung der für Russland viel schmerzhafteren Maßnahmen wegen des Krieges in der Ostukraine fehlten sichtbare Erfolge bei der Umsetzung des Abkommens von Minsk, kritisierte er.

Bevor über politische Schritte für mehr Autonomie des Donbass gesprochen werde, wie es Moskau von Kiew fordert, müssten erst einmal einige Punkte umgesetzt werden: Waffenruhe und Abzug schwerer Geschütze. "Nicht einmal die minimalen Voraussetzungen werden erfüllt." Das wäre aber die Bedingung, um einen politischen Prozess zu lenken. In Moskau schloss sich Gabriel der Kritik Lawrows an der Blockade wichtiger Versorgungswege durch ukrainische Nationalisten an. Er kritisierte aber gleichzeitig, dass die Separatisten Fabriken beschlagnahmen und Moskau neuerdings Pässe und offizielle Dokumente der selbsternannten "Volksrepubliken" anerkenne.

Der Besuch zeigt: Gabriel kann Haltung zeigen, ohne konfrontativ zu wirken

Es wirkt, als gehe Gabriel auf in seiner neuen Rolle. Gabriel kann Haltung zeigen, ohne konfrontativ zu wirken. Das gelingt derzeit nicht vielen im Umgang mit russischen Politikern. Es sei für ihn nicht überraschend, dass Telefonate und Internetverkehr von anderen Staaten abgehört werden, antwortet er auf eine Frage nach den Wikileaks-Dokumenten über ein CIA-Spionagezentrum in Frankfurt.

Eine neue Qualität habe es aber, wenn aus anderen Ländern versucht werde, in die Kommunikation einzugreifen und die Meinungsbildung zu beeinflussen. "Wir werden sicher dafür sorgen, dass Meinungsbildung und demokratische Prozesse bei uns ohne Beeinflussung möglich sind." Das kann man in Moskau so oder so verstehen. Vorwürfe, Russland führe da möglicherweise etwas im Schilde, nannte Lawrow "haltlos".

Aber nicht nur Gabriel hat eine Wandlung durchgemacht. Noch etwas hat sich geändert, etwas viel Entscheidenderes: Nach der Krim-Annexion vor drei Jahren nahmen deutsche Politiker und Diplomaten die Rolle von Verteidigern des internationalen Rechts und einer souveränen Ukraine ein.

Inzwischen geht es auch um Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik

Kaum merklich hat sich der Fokus seitdem verschoben: Jetzt geht es um eigene Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik. Die Bundesregierung sieht sich bedroht durch Hacker-Attacken auf Abgeordnete und Desinformations-Kampagnen wie jene um das russlanddeutsche Mädchen Lisa, dessen angebliche Vergewaltigung die deutschen Behörden nach russischer Darstellung nicht aufklären wollten.

Mehr noch: Es geht wieder um konkrete Bedrohung durch Atomraketen. Moskau hat die Verlegung von Iskander-Raketen in die westliche Exklave Kaliningrad bestätigt. Darüber, ob auch atomare Sprengköpfe verlegt wurden und ob sie dort dauerhaft bleiben sollen, schweigt die russische Führung. Von Kaliningrad aus könnten die Iskander-Raketen die deutsche Hauptstadt erreichen. In Berlin wurde das als klares Signal gedeutet.

Nachdem US-Präsident Donald Trump eine "historische Steigerung" des Militäretats angekündigt hat, droht Europa wie im Kalten Krieg zwischen die Fronten zweier Atommächte im Rüstungswettlauf zu geraten. "Wir haben die Sorge, dass es zu einer neuen Aufrüstungsspirale kommt", sagte Gabriel. Hier decken sich die Interessen, denn was für Deutschland gefährlich wäre, wäre für Russland bedrohlich teuer.

Mit Material der Nachrichtenagentur AFP.

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