G7-Gipfel in Biarritz:Tag der Wahrheit

G7-Gipfel in Frankreich

Von einer "besonderen Beziehung" untereinander sprechen Donald Trump (li.) und Emmanuel Macron.

(Foto: Andrew Harnik/dpa)

Die G7-Chefs debattieren über die Weltwirtschaft - in überraschenden Allianzen. Trump lobt, Johnson taktiert. Und die Einheimischen freuen sich, dass der Strand ihnen gehört.

Von Cerstin Gammelin, Biarritz

Der heutige Sonntag wird wohl der wichtigste Tag des G7-Gipfels in Biarritz. Brexit, Welthandel, Zölle stehen auf dem Programm. Gleich am Morgen treffen sich die G7-Staaten zu einer Arbeitssitzung, bei der das Thema ansteht, das alle besorgt: der Zustand der Weltwirtschaft. Die Konjunktur hat sich abgekühlt, überall sind die Auswirkungen zu spüren. Wohl vorsichtshalber hat die französische G-7-Präsidentschaft keine Pressekonferenzen danach angesetzt - es ist ja völlig offen, was bei dem Treffen herauskommt.

US-Präsident Donald Trump hatte kurz vor seinem Abflug angeordnet, ab dem 1. Oktober chinesische Waren im Wert von 250 Milliarden Dollar mit einem 30-Prozent-Zoll zu belegen. Bislang liegt der Satz bei 25 Prozent. Die Zölle wirken sich auch auf den Handel mit den G7-Staaten aus. "Wir müssen eine Deeskalation erreichen, die Dinge stabilisieren und diesen Handelskrieg vermeiden, der bereits jeden Bereich erfasst", hat der französische Staatspräsident und Gastgeber Emmanuel Macron vorgegeben. Er hat die Chefs internationaler Finanzorganisationen eingeladen, um vor allem Trump die Auswirkungen seiner America-First-Politik klarzumachen.

Ausgerechnet Boris Johnson war es, der Macron schon am Samstag zur Seite sprang. Der britische Premierminister will den Handelskonflikt deeskalieren. Der internationale Handel sei seine Priorität auf dem Gipfel, sagte Johnson. "Ich bin sehr besorgt über die Entwicklung, die Zunahme des Protektionismus, der Zölle."

Dass Johnson den Europäern so klar seine Unterstützung zusicherte, hat freilich damit zu tun, dass er einen Deal für den Brexit verhandeln will. Johnson will etwas, also ist er freundlich und zeigt sich kooperativ. Bislang sieht es nicht danach aus, dass die EU zu neuen Verhandlungen bereit ist. EU-Ratspräsident Donald Tusk twitterte am Samstagabend, er werde Johnson am Sonntag treffen. "Ich hoffe, dass er nicht als Mister-No-Deal in die Geschichte eingehen will", erklärte Tusk. "Die EU ist bereit, realistische und machbare und für alle Staaten einschließlich Irland akzeptable Vorschläge anzuhören, falls und sobald die britische Regierung bereit ist, sie auf den Tisch zu legen".

Die anderen zu umarmen, scheint sich ohnehin als übergreifende Idee des Gipfeltreffens in Biarritz durchgesetzt zu haben. Staatspräsident Macron speiste mit US-Präsident Donald Trump zu Mittag, vor aufgebauten Kameras überschütteten sich die beiden mit Komplimenten. Es sei schönes Wetter und auch sonst passe alles, sagte Trump. Amerika und Frankreich hätten eine sehr besondere Beziehung. "Viele gute Dinge passieren für unsere beiden Staaten", twitterte er anschließend. Frankreich und Emmanuel Macron (dessen Namen Trump in einem Tweet zunächst falsch geschrieben und damit einem Witz-Twitterkonto Zulauf bescherte hatte) hätten mit dem "sehr wichtigen G7" bislang einen großartigen Job gemacht. Das gemeinsame Mittagessen sei außerdem das "beste Treffen" gewesen, das die beiden je hatten.

Bemerkenswert dabei: Zuvor hatte er mehr als fünf Minuten lang dem Franzosen zugehört, der sehr erfreut war, Trump bei sich zu haben. Und als ironische Randnotiz war zu vermerken, dass Trumps Air Force One nicht auf dem kleinen Flughafen in Biarritz landen konnte - sondern nur im nahegelegenen Bordeaux. Also ausgerechnet in der Stadt der berühmten französischen Weine, die Trump ebenfalls mit Zöllen belegen will.

Ungewöhnliches war auch im G7-Gipfelort selbst zu beobachten. Anders als beim Treffen der sieben mächtigsten westlichen Staaten üblich, waren am Samstag vergnügte Einwohner auf den Straßen des Seebades anzutreffen. Man sei froh, mal ein Wochenende im August den Strand für sich zu haben, teilte ein Einwohner beinahe ungefragt mit. Zudem hatte sich Gastgeber Macron eine kreative Strategie ausgedacht, um die Franzosen gnädig zu stimmen. In der Markthalle des Ortes floss der Wein umsonst, es gab Käse und Gemüse, die Leute griffen zu, an jeder Ecke spielte eine Bigband.

Macron bestritt am Samstag übrigens noch, dass der Gipfel in Biarritz besonders teuer sei. Im Gegenteil: Das Treffen koste "zehn bis fünfzehn Mal" weniger als frühere Treffen, das sei beispiellos, sagte der Staatspräsident. Zahlen legte er nicht vor.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte den Gipfel ruhig angehen lassen. Trotz bilateraler Treffen mit Macron, den EU-Spitzen und dem japanischen Premier Abe fand sie Zeit für einen Strandspaziergang. Merkel machte nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur einen Abstecher zu jenem Teil des Strandes, der nicht wegen des Gipfels abgesperrt worden ist. Die Kanzlerin sei bei der Stippvisite vor dem offiziellen Beginn des Gipfels am Samstagabend von Menschen freundlich gegrüßt worden, darunter auch von deutschen Urlaubern, hieß es.

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