G 7:Es geht auch um Kanadas Sicherheit

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Schwierige Gespräche: Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (re.) am Tisch mit ihren Amtskollegen Marco Rubio aus den USA und Mélanie Joly aus Kanada. (Foto: Saul Loeb/AP)

In Quebec diskutieren die Außenminister der G 7 über die politischen Krisen der Welt. Kann das funktionieren, wenn einer der Partner auf einmal einen ganz anderen Weg einschlägt und ein Nachbarland zu annektieren droht?

Von Sina-Maria Schweikle, Charlevoix

„Finden Sie es angemessen, dass der Gipfel hier in Kanada mit den USA stattfindet?“, ruft eine der zahlreichen kanadischen Journalistinnen den Regierungsvertretern hinterher, die bereits auf dem Weg in den Besprechungsraum sind. Keiner dreht sich um und antwortet. Nicht die kanadische Außenministerin Mélanie Joly, nicht die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas, schon gar nicht US-Außenminister Marco Rubio, an den der Vorwurf, der in der Frage mitschwingt, eigentlich gerichtet ist.

Zwei Tage lang haben sich die Außenministerinnen und Außenminister der sieben führenden westlichen Demokratien beim G-7-Gipfel in Kanada beraten. Bis einschließlich Freitag diskutieren sie in Charlevoix in der Provinz Quebec über die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten, aber auch über China und den Indopazifik.

Überschattet wird der Gipfel allerdings von einer Frage, die den amerikanischen Kontinent betrifft: Könnte Donald Trump tatsächlich Ernst machen und den Nachbarstaat annektieren? Immerhin verschärft der US-Präsident den Handelskonflikt mit Kanada zusehends und wird nicht müde zu wiederholen, dass das Land seiner Meinung nach der 51. Bundesstaat der USA werden soll.

Wie lange werden die USA noch am Tisch der G 7 sitzen?

Viele fragen sich nun, wie Diplomatie zwischen Wertepartnern noch funktionieren soll, wenn einer der Partner möglicherweise nicht mehr dem gleichen Kompass folgt. Schließlich scheint US-Präsident Donald Trump seinen eigenen Weg zu gehen, dem Westen den Rücken zu kehren und sich dem russischen Machthaber Wladimir Putin zuzuwenden. Russland war bis 2014 selbst noch der Teil der Gruppe, die damals G 8 hieß, wurde dann aber ausgeladen – wegen der Verletzung der Souveränität und territorialen Integrität der Ukraine. Im November soll die G 7 ihr 50-jähriges Bestehen feiern. Doch ob die USA noch so lange mit Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan und Kanada an einem Tisch sitzen werden, ist fraglich. US-Außenminister Marco Rubio sah sich jedenfalls genötigt, vor seiner Teilnahme in Kanada klarzustellen, dass es bei dem Treffen nicht darum gehe, „wie wir Kanada übernehmen“.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock zeigte sich vor Beginn der Sitzungen in Kanada trotz der erwarteten Spannungen mit dem US-Außenminister vorsichtig optimistisch. „Die Gesprächstemperatur entspricht nicht der Außentemperatur im winterlichen Kanada“, sagte die Grünen-Politikerin am Donnerstag. Soweit die Stimmung unter den Vertretern der Gruppe der Sieben.

Putin stellt Forderungen für eine Waffenruhe

Aber es gibt noch andere Krisen und Konflikte in der Welt, über die gesprochen werden musste. Und die betreffen vor allem den europäischen Kontinent. Wie wird es mit der Ukraine weitergehen? US-Außenminister Rubio hatte sich in den vergangenen Tagen in Saudi-Arabien aufgehalten, um mit einer ukrainischen Delegation über mögliche Friedensverhandlungen mit Russland zu sprechen. Von dort war er nach Kanada weitergereist.

Noch während der Beratungen der Außenminister meldete sich Wladimir Putin zu Wort. Nachdem sich die Ukraine zuletzt zu einem Waffenstillstand bereit gezeigt hatte, erklärte der russische Machthaber, dass er die Idee eines Waffenstillstands grundsätzlich unterstütze. Aber: Eine solche Waffenruhe müsse die „Wurzel der Krise“ beseitigen und zu einem dauerhaften Frieden führen. Und dafür gebe es auch für Russland noch einige Fragen zu klären. Zum Beispiel, wie es in der russischen Region Kursk weitergeht.

Außerdem müsse geklärt werden, so Putin, wer Verstöße an der gut 2000 Kilometer langen Kontaktlinie zwischen beiden Ländern überwacht und ob die ukrainische Armee die Zeit eines Waffenstillstands zur Aufrüstung nutzen könnte. „Die Idee ist gut, und wir unterstützen sie, aber es gibt Themen, die wir noch diskutieren müssen“, sagte Putin. Seit drei Jahren führt Russland seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine und hält bislang an seinen Maximalforderungen zur Beilegung des Konflikts fest.

Ein Zeichen der Geschlossenheit ist wichtig – doch ob es ein gemeinsames Abschlussdokument geben wird, war lange unklar

Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij warf dem Kriegsgegner Russland auch deshalb vor, einen Friedensschluss zu verzögern. Zuletzt hatte die EU das Vorgehen der USA in Bezug auf einen Waffenstillstand kritisiert. In Europa ist man sich einig, dass ein Frieden in der Ukraine nur funktionieren kann, wenn das Land auch die nötigen Sicherheitsgarantien erhält. Zudem müssten bei einem möglichen Friedensschluss auch europäische Staaten mit am Verhandlungstisch sitzen, hieß es zuletzt. Am Freitag jedoch zeigten sich die Diplomaten in der Frage der Haltung zum US-Kurs in Sachen Waffenstillstand einig. „Alle sieben Außenminister stimmen dem US-Vorschlag für einen Waffenstillstand zu, der von den Ukrainern unterstützt wird“, sagte die kanadische Außenministerin Mélanie Joly.

Doch trotz aller Einigkeit nach Außen war man sich die Teilnehmer in Kanada bis kurz vor Ende des Gipfels nicht einmal sicher, ob man sich überhaupt auf ein gemeinsames Abschlussdokument einigen könne. Am Ende verständigten sich die Diplomaten dann doch auf eine gemeinsame Erklärung, schließlich sei es unerlässlich, die Einheit des Westens zu demonstrieren. Mit Unterstützung der USA wird Russland in dem Dokument aufgefordert, der ukrainischen Regierung zu folgen und einem Waffenstillstand zuzustimmen. Andernfalls drohten weitere Sanktionen, eine Kappung des Ölpreises und eine zusätzliche Unterstützung der Ukraine. Gleichzeitig brauche die Ukraine Sicherheitszusagen für die Zeit nach dem Ende des mehr als drei Jahre andauernden Krieges.

Zum Abschluss der Beratungen betonte Annalena Baerbock die Bedeutung des G-7-Treffens und die daraus resultierende Erklärung.  „Wir stehen als G 7 felsenfest hinter der Ukraine und territorialen Integrität und Freiheit, die sie jeden Tag mutig verteidigen und damit auch die Freiheit und den Frieden Europas“, sagte sie. Die scheidende Außenministerin unterstrich, dass man in diesen Zeiten wichtige Grundsätze, die selbstverständlich erscheinen, klar aussprechen müsse: „Grenzen sind unverletzlich. In der Ukraine, in Grönland, in Panama, in Kanada – egal wo auf der Welt“, sagte Baerbock, wohl auch mit Blick auf den US-Präsidenten.

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