Süddeutsche Zeitung

G7-Gipfel in Brüssel:Kleine Strafe für Putin

Der Ausweichgipfel in Brüssel findet ohne Putin statt, viele Gespräche werden sich dennoch um Russlands Präsident drehen. Denn: Nach dem G7-Gipfel ist vor den D-Day-Feiern in der Normandie. Und dort treffen Merkel, Obama, Hollande und Co. erstmals seit Beginn der Krim-Krise auf Putin.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Am Donnerstag stellen sie sich wieder zum Familienfoto auf. Wenn es nach den Staats- und Regierungschefs der G7 geht, dann wird sich einige tausend Kilometer weiter östlich ein Mann grämen, dieses Mal nicht dabei sein zu können: der russische Staatspräsident Wladimir Putin.

Die G7 haben das Mitglied Russland ausgeschlossen, das den erlauchten Kreis der bedeutendsten Industrienationen seit 1998 zur G8 gemacht hat. Das G8-Treffen für dieses Jahr war schon in Planung. Es hätte im russischen Sotschi stattfinden sollen, jenem eher warmen Ort am Schwarzen Meer, an dem die Olympischen Winterspiele stattfanden, gut 600 Kilometer östlich der Krim.

Die völkerrechtswidrige Annexion der Krim hat die Pläne zunichte gemacht. Eine der ersten Reaktionen des Westens war, den für Putin prestigeträchtigen G8-Gipfel abzusagen und erst mal ohne ihn im G7-Format weiterzumachen.

Die EU springt als Gastgeber ein

Die Europäische Union ist jetzt offizieller Gastgeber des Gipfels, der behelfsmäßig in Brüssel stattfindet. Kein spektakuläres Hotel also wird ihn beherbergen, sondern die nüchternen, aber gipfelgestählten Konferenzräume des Europäischen Rates.

Ob Putin sich wirklich ärgert nicht dabei sein zu können, sei mal dahingestellt. Die Krim jedenfalls scheint ihm wichtiger zu sein.

Das Thema Ukraine wird dennoch den Gipfel bestimmen. Spätestens am Mittwochabend treffen US-Präsident Obama, Kanzlerin Angela Merkel und die Staats- und Regierungschefs aus Frankreich, Japan, Italien, Kanada und Großbritannien in der belgischen Hauptstadt ein.

Das Treffen beginnt mit einem Abendessen. Es wird genutzt, um die Lage in der Ukraine zu besprechen. Entscheidungen wird es wohl nicht geben - weder für weitere Sanktionen gegen Russland, noch für eine neue Strategie.

Durchaus eine Rolle werden aber die Feierlichkeiten zum D-Day spielen. Das Gedenken an den 70. Jahrestag der Landung der Alliierten in der Normandie findet am Freitag direkt im Anschluss an den Gipfel statt. Putin gehört zu den Gästen. Als Vertreter des Landes, das im Zweiten Weltkrieg die meisten Opfer zu beklagen hatte.

Am Donnerstagabend schon will Frankreichs Staatspräsident François Hollande sich mit Putin treffen. Am Tag darauf wird sich auch die Bundeskanzlerin mit dem russischen Präsidenten unterhalten. Ein Treffen zwischen Putin und Merkel werde noch vor den offiziellen Feiern stattfinden, teilte Moskau mit. Auch eine Unterredung zwischen Putin und dem britischen Premier David Cameron ist demnach geplant.

Seit Beginn der Ukraine-Krise hatte zumindest Kanzlerin Merkel lediglich telefonischen Kontakt mit dem russischen Präsidenten. In einem direkten Gespräch ist es womöglich leichter, dahinter zu kommen, was Wladimir Putin wirklich will.

Die Erwartungen an Putin sind:

  • Er soll für eine Stabilisierung der Ostukraine sorgen. Die Grenzen müssten besser kontrolliert werden, damit nicht noch mehr gut bewaffnete Söldner aus Russland in die Ukraine gelangen können.
  • Putin soll sich öffentlich von den prorussischen Separatisten im Osten der Ukraine distanzieren.
  • Er soll das Ergebnis der Präsidentschaftswahl in der Ukraine nicht nur respektieren, sondern auch anerkennen. Gewünscht wird, dass als sichtbares Zeichen der Anerkennung ein Vertreter Moskaus an der Amtseinführung des neuen ukrainischen Präsidenten an diesem Samstag in Kiew teilnimmt.

Die Rückgabe der Krim steht aktuell dagegen nicht auf der Tagesordnung. Die Grundforderung aber bleibt bestehen. Die Frage wird wohl das größte Hindernis dafür sein, um aus dem G7-Gipfel irgendwann wieder ein Treffen G8-Gipfel zu machen. In Regierungskreisen wird Wert darauf gelegt, dass das 1975 gegründete Netzwerk der G7 auch eine Wertegemeinschaft bildet. Mit der Krim-Annexion aber habe Russland diese gemeinsamen Werte missachtet.

Weitere Themen: Klima, Energie, Wirtschaft

Neben der Ukraine am Mittwochabend werden sich die Staatslenker am Tag darauf auch mit der Weltwirtschaft, der Energieversorgung und Klimafragen beschäftigen. Unter anderem soll womöglich die Internationale Energieagentur beauftragt werden, zusammen mit der EU-Kommission ein Konzept zu erarbeiten, wie Europas Energieversorgung gesichert werden kann, ohne vom russischen Gas abhängig zu sein.

Als "brandneu" wird in Regierungskreisen ein neues Entwicklungshilfeprojekt angepriesen, das auf dem Gipfel beschlossen werden soll. Es ist eine Art Beratungsprogramm für rohstoffreiche Entwicklungsländer. Die haben oft das Problem, dass sie zwar die Rohstoffe haben, aber kaum von Gewinnen profitieren. Das liegt meist an schlechten Vertragsverhandlungen. Die G7 wollen jetzt dafür sorgen, dass die Entwicklungsländer besser gewappnet in solche Vertragsverhandlungen gehen.

Im kommenden Jahr ist Deutschland Gastgeber des Gipfeltreffens. Noch ist nicht entschieden, ob sich auf Schloss Elmau in Bayern wieder nur die G7 treffen werden - oder ob Russland wieder mit von der Partie sein wird. Noch hat Putin also eine Chance, wieder auf dem Familienfoto dabei zu sein. Ob er sie nutzt, hängt wohl vor allem vom russischen Präsidenten selbst ab.

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