Diplomatie:Lockrufe in Elmau

Fünf Gastländer aus dem Süden hat Olaf Scholz zum G-7-Gipfel geladen, er möchte die Demokratien dieser Welt enger zusammenführen. Das aber ist kompliziert - zumal manche sich gar nicht zwischen dem Westen und Putin entscheiden wollen.

Von Bernd Dörries, Christoph Gurk und Arne Perras, Kapstadt/Buenos Aires/München

Fünf Gastländer sollen den G-7-Gipfel in Elmau verstärken, zwei aus Asien, zwei aus Afrika und eines aus Lateinamerika. Kanzler Olaf Scholz betrachtet die Einladungen als Teil seiner beschworenen Zeitenwende, er möchte auf diese Weise den Zusammenhalt von Demokratien weltweit stärken und sich nicht - wie lange üblich - alleine auf den Westen konzentrieren. Deshalb kommen nun Indien, Indonesien, Senegal, Südafrika und Argentinien nach Elmau, gewichtige Schwellenländer, in denen zusammengenommen fast ein Viertel der Weltbevölkerung lebt.

Alle fünf dürften zuletzt wachsenden Druck verspürt haben, sich im im Umgang mit Wladimir Putin klar zu positionieren. Die Hindustan Times in Delhi schreibt dazu, dass die Einladung des Kanzlers an Premier Narendra Modi zu den "Anstrengungen Deutschlands gehört, Indien, vor dem Hintergrund des Ukraine-Konflikts, von Russland abzuwerben."

Indien ist unter den Gästen wohl derjenige Staat, der die engsten Kontakte nach Moskau pflegt. Zwar hat Delhi als Anhänger der Blockfreien-Bewegung stets auf Eigenständigkeit gepocht, gleichzeitig aber oft die Nähe Moskaus gesucht. Delhi hat dort auch fast alle Waffen eingekauft, die dann gewartet und repariert werden müssen. Diese Abhängigkeit ist nicht schnell abzuschütteln - falls Delhi das überhaupt möchte. Indien laviert. Modi will vermeiden, Russland zu verärgern, er fürchtet, dass eine solche Verstimmung Moskau weiter in die Arme Pekings treiben könnte, aus indischer Sicht der bedrohlichste aller Nachbarn.

Indonesien ist schon deshalb auf dem G-7-Radar, weil es derzeit den G-20-Vorsitz innehat. Der zwingt Präsident Joko Widodo zu einem beispiellosen Balanceakt. Der Westen möchte Moskau so weit wie möglich isolieren, doch Russland ist G-20-Mitglied, und Putin längst eingeladen zum Treffen im Herbst auf Bali. Auf Druck der USA heißt Indonesien nun auch Wolodimir Selenskij dort willkommen, obgleich die Ukraine gar kein Mitglied des 20er-Klubs ist.

Der Krieg in der Ukraine ist für diese Länder weit weg

Westliche Nationen zeigen ein wachsendes Interesse, Indonesien einzubinden, was nicht nur aktuell mit Russland, sondern auch mit China zu tun hat. Zwar wirbt Jakarta um chinesische Investitionen, stemmt sich aber zugleich gegen Pekings Expansionsdrang im Südchinesischen Meer. Für beide asiatischen Länder gilt, dass sie sich nur ungern für die eine oder andere Seite entscheiden, sie wollen es sich weder mit Moskau noch Washington verscherzen, der Krieg in der Ukraine, er ist für beide weit weg.

Der G-7-Gipfel dürfte also kaum einen Bruch dieser Länder mit Moskau einleiten, vielleicht aber Türen öffnen für weitere Kooperation, etwa im Bereich Klima, Gesundheit und Ernährung.

Auch von Südafrika, mit Cyril Ramaphosa an der Spitze, ist kaum zu erwarten, dass es die Bande nach Moskau durschneidet, erst vergangene Woche hatte die russische Botschaft in Pretoria zum Cocktail-Empfang eingeladen, um den russischen Nationalfeiertag zu begehen. "Die Ära jahrhundertelanger westlicher Dominanz wird vom Wind des Wandels verweht und macht Platz für etwas Neues und Besseres", hatte der Botschafter angekündigt. Ein Foto zeigte dann Südafrikas Arbeitsminister, der das Glas mit dem Botschafter erhebt. Das reichte schon als Symbol: Südafrikas Regierung sagt "Na Zdarowje", während die Ukraine zerbombt wird.

Zwar halten viele Südafrikaner dies wohl für keine gute Idee, einen Aufschrei aber gab es nicht. Was in der Welt jenseits von Südafrika passiert, ist selten von großem Interesse. Pretorias Außenpolitik orientiert sich immer noch daran, wer einst dem ANC im Freiheitskampf zur Seite stand. Deshalb wird das Regime Simbabwes toleriert, obwohl Millionen von dort nach Südafrika geflohen sind. Genauso wird bis heute der früheren Sowjetunion gedankt für ihre Hilfe.

Und Senegal? Anfang Juni traf Präsident Macky Sall Putin in Sotschi. Sall kam weniger als Staatschef denn als Vorsitzender der Afrikanischen Union (AU). "Ich bin zu Ihnen gekommen, um Sie zu bitten, sich bewusst zu machen, dass unsere Länder, auch wenn sie weit vom Kriegsschauplatz entfernt sind, Opfer dieser Wirtschaftskrise sind." Viele Staaten des Kontinents bezogen Getreide überwiegend aus Russland und der Ukraine, dazu Sonnenblumenöl. Das fällt jetzt aus, die Preise steigen drastisch, Millionen sind vom Hunger bedroht.

Womöglich ersetzt Gas aus Patagonien irgendwann Lieferungen aus Russland

Sall versuchte erst gar nicht, Putin zur Beendigung des Krieges zu bewegen, er konzentriert sich auf die Folgen. Putin habe seine Bereitschaft bekundet, "den Export ukrainischen Getreides zu erleichtern", schrieb Sall nach dem Treffen, für Russland ein PR-Erfolg. In die Ukraine reiste Sall bisher nicht. Selenskij durfte sich virtuell an die 54 Staatschefs der AU wenden, nur vier nahmen laut Africa Report daran teil.

Aus Lateinamerika ist nur Argentinien geladen, was daran liegen mag, dass es gerade den Vorsitz der CELAC innehat, der Gemeinschaft der lateinamerikanischen und karibischen Staaten. Präsident Alberto Fernández wird aber auch in eigener Sache unterwegs sein: Sein Land könnte immerhin für die G-7-Staaten zum engeren Partner werden. "Wir haben viel anzubieten", sagt Fernández. Argentinien exportiert Soja, Mais, Weizen, Früchte und Fleisch. Dazu verfügt das Land über die zweitgrößten Ölschiefer-Lagerstätten der Welt. Lange stockte die Förderung. Zu teuer, zu wenig Infrastruktur. Nun könnte die veränderte Weltlage Schwung bringen, womöglich ersetzt Gas aus Patagonien irgendwann Lieferungen aus Russland. Argentinien würde das Devisen bringen, die das hochverschuldete Land dringend braucht.

Fernández plädiert für eine friedliche Lösung in der Ukraine, sein Land hat sich mit Kritik an Russland aber zurückgehalten, auch, weil man Moskau als Partner nicht ganz verlieren will. In der Pandemie wurden viele mit Sputnik V geimpft, auch der Präsident. Zum wichtigsten Wirtschaftspartner hat sich allerdings China entwickelt, das Milliarden in die Infrastruktur pumpt.

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