Süddeutsche Zeitung

G-20-Treffen in Los Cabos:Schwellenländer helfen Europa

Neue Milliarden für den Kampf gegen die Schuldenkrise: Der IWF kann die Kapazitäten seines Krisenfonds gewaltig aufstocken - dank des Einsatzes von Staaten wie China, Indien, Brasilien und Russland. Beim G-20-Treffen im mexikanischen Los Cabos stellen die Schwellenländer aber auch Forderungen.

Im Tauziehen um die Aufstockung der Krisenmittel des Internationalen Währungsfonds (IWF) haben weitere Staaten konkrete Zusagen gemacht. Insgesamt seien bereits mehr als 450 Milliarden Dollar (rund 357 Milliarden Euro) an neuen Geldern zugesagt worden, erklärte IWF-Chefin Christine Lagarde beim Gipfel der führenden Industrie- und Schwellenländer (G 20) im mexikanischen Los Cabos.

Unter anderem habe China 43 Milliarden Dollar versprochen. Indien, Brasilien, Mexiko und Russland kündigten ihrerseits an, jeweils zehn Milliarden Dollar zur Verfügung stellen zu wollen. Kolumbien, Südafrika, Malaysia, Neuseeland und die Philippinen geben kleinere Summen. China, Indien und Russland gehören neben Brasilien und Südafrika zu den aufstrebenden Schwellenländern, den sogenannten Brics-Staaten.

Diese hatten neue Finanzierungszusagen bisher offengelassen und noch kurz vor dem G-20-Gipfel Bedingungen für ein stärkeres finanzielles Engagement gestellt. Vor allem verlangten sie IWF-Reformen zu ihren Gunsten, um mehr Mitspracherechte beim Währungsfonds zu erhalten. Die USA lehnen eine Mittelaufstockung bislang ab.

Der IWF fordert zusätzliches Geld, um damit in der Schuldenkrise agieren zu können. Die Verdopplung seiner Krisenmittel war bereits im April beschlossen worden. Konkrete Zusagen wurden jedoch - unter anderem von den Eurostaaten, Japan und Saudi-Arabien - zunächst nur über 340 Milliarden Euro gemacht. Davon schultern die Euro-Länder umgerechnet 150 Milliarden Euro. Deutschland steuert über die Bundesbank rund 41,5 Milliarden Euro bei. In Los Cabos erklärten sich laut Lagarde nun zwölf weitere Länder zur Unterstützung bereit. Insgesamt bleiben die Zusagen allerdings unter den von Lagarde geforderten 600 Milliarden Dollar.

Streit überschattet Gipfel

Überschattet werden die neuen Zusagen vom Streit über die Bewältigung der Krise in Europa. Zum Auftakt des zweitägigen Treffens der Staats- und Regierungschefs in dem Badeort an der Pazifikküste gaben sich die Teilnehmer gegenseitig die Schuld an der Krise.

Die Gruppe der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G 20) drängt die Europäer nach der Wahl in Griechenland dazu, ihre Staatsschuldenkrise zu lösen. Die Euro-Staaten müssten den Teufelskreis aus angeschlagenen Banken und ausufernden Staatsschulden durchbrechen.

Die USA, China, Indien und Südkorea zeigten sich wiederum tief beunruhigt, dass die Schuldenkrise weiter anhält und schlimmstenfalls die Weltwirtschaft bedroht. Bei allem geäußerten Verständnis für die Lage in Europa überwogen kritische Töne. Im Entwurf der Abschlusserklärung des G-20-Gipfels im mexikanischen Los Cabos versichern die Europäer, alles Nötige zu tun, um ihre Finanzen in Ordnung zu bringen. Vorrangig sollen die Finanzmärkte beruhigt, Vertrauen zurückgewonnen und stetiges Wachstum geschaffen werden.

Die europäischen Vertreter machten deutlich, dass sie sich Belehrungen verbieten - vor allem EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso zeigte offen seinen Ärger. "Offen gesagt: wir sind nicht hierher gekommen, um Nachhilfestunden in Demokratie oder Wirtschaftsführung zu erhalten", sagte er. "Wir lassen uns hier von niemandem belehren." Die Krise sei nicht von Europa ausgelöst worden, sondern habe in den USA ihren Ausgang genommen. Mit Blick auf Spanien erklärte er, es müsse ein Weg gefunden werden, notleidenden Banken dort direkt zu helfen und nicht über den Staat.

Einseitige Schuldzuweisungen lehnte auch Bundeskanzlerin Angela Merkel entschieden ab. Die Schuldenkrise sei eben nicht allein Problem der Europäer, auch andere Wirtschaftsmächte stünden in der Pflicht, sagte sie. "Hier wird jeder Kontinent seinen Beitrag leisten müssen." EU-Vertreter erwarten Hilfe der G 20 bei der Bekämpfung der Krise im Währungsraum.

Merkel und Obama trafen sich allein am Rande des Gipfels. Nach Angaben aus deutschen Regierungskreisen waren sie sich einig, "dass weitere Schritte zur politischen Integration" in Europa notwendig seien. Das Gespräch war ursprünglich auf eine halbe Stunde angesetzt, dauerte offenbar jedoch 45 Minuten. Nach dem Gespräch erklärte ein Sprecher des Weißen Hauses, das Gespräch habe den US-Präsidenten "ermutigt". Obama hatte die Europäer in letzter Zeit immer wieder aufgefordert, alles zu tun, um die Staatsschuldenkrise im Euro-Raum einzudämmen.

Hintergrund ist, dass die Probleme in Europa mehr und mehr die Weltwirtschaft beeinträchtigen und die Finanzmärkte verunsichern. Das wiederum dämpft in der Folge die Aufwärtstendenzen der US-Wirtschaft und damit die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Die vergleichsweise hohe Arbeitslosenzahl trübt Obamas Chancen bei der Präsidentschaftswahl im November.

Anders als geplant kamen Obama und die europäischen Gipfelteilnehmer am späten Montagabend nicht wie verabredet zusammen. Zur Begründung hieß es, es gebe keinen Gesprächsbedarf mehr. Aus US-Regierungskreisen hieß es, das Abendessen habe lange gedauert, "so dass wir das Treffen mit der Euro-Zone abgesagt haben". Der Präsident habe die Gelegenheit für weitere Treffen am Rande des Gipfels.

Aktionsplan für mehr Wachstum

Einen weiteren Gipfel-Schwerpunkt neben der Euro-Krise soll ein Aktionsplan für mehr Wachstum und Beschäftigung bilden. Er sollte sich nach den Worten Merkels an Strukturreformen, Budget-Sanierung und Wachstumsimpulsen orientieren. Alle Länder hätten hier Hausaufgaben zu erledigen. In dem Kommunique-Entwurf heißt es, die Länder ohne große Schuldenprobleme seien bereit, zusammen tätig zu werden, um das Wachstum anzukurbeln, sollte sich die Wirtschaft weiter abschwächen. Die USA haben Deutschland und China dazu gedrängt, die Ausgaben zu erhöhen, um der Weltwirtschaft zu helfen.

Die Länder der Euro-Zone wollen sich zudem für besser funktionierende Finanzmärkte einsetzen. Die G 20 fordern, dass die Euro-Länder mit der neuen Regierung in Griechenland zusammenarbeiten müssten, um das am Rande des Bankrotts stehende Land auf Reformkurs und in der Währungsgemeinschaft zu halten.

Die von Spanien geplante Banken-Rekapitalisierung im Umfang von bis 100 Milliarden Euro wird begrüßt. Insgesamt will die G 20 zur Ankurbelung der Weltwirtschaft an einem Strang ziehen. Die europäischen G-20-Länder sagen Wachstumsimpulse zu, ohne dabei den Kurs der Haushaltskonsolidierung aufzugeben.

Es ist der siebte G-20-Gipfel seit November 2008, als die Staats- und Regierungschefs erstmals zusammengekommen waren, um das Weltfinanzsystem nach der Pleite der US-Investbank Lehman Brothers vor dem Zusammenbruch zu bewahren.

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