Himalaya:Großmächte im Schatten

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Aktivistinnen einer Flüchtlingsorganisation protestieren im pakistanischen Teil von Kaschmir gegen die Tourismuskonferenz im G-20-Rahmen. (Foto: Sajjad Qayyum/AFP)

In Kaschmir gerät eine Tourismuskonferenz im Rahmen des G-20-Treffens zur Machtdemonstration Indiens.

Von David Pfeifer, Bangkok

Eine Tourismuskonferenz in Srinagar, der Sommerhauptstadt von Jammu und Kaschmir - das ist einerseits ein gutes Zeichen, vor allem für den Tourismus in der Region. Andererseits auch ein klares politisches Signal, in diesem Fall aus Indien an den Rest der Welt, vor allem an die Nachbarn China und Pakistan. Im Rahmen der G 20, die in diesem Jahr von Indien ausgerichtet werden, sitzt von Montag bis Mittwoch eine von vielen Arbeitsgruppen zusammen, eigentlich nicht wirklich wichtig. Der Status der Region ist allerdings politisch so umstritten, dass die indische Hindustan Times am Dienstag kommentierte: "Das Treffen diente dazu, auf der globalen Bühne zu bekräftigen, dass die Region ein integraler Bestandteil des Landes ist."

Indien und Pakistan beanspruchen seit ihrer Trennung im Jahr 1947 beide diese Himalaya-Region. Zwei Mal führten die Atommächte Krieg um Kaschmir. In Muzaffarabad, der Hauptstadt des pakistanischen Teils Asad Kaschmir, kam es daher auch zu Protesten gegen dieses G-20-Treffen, das nur durch die Wahl des Versammlungsortes Sprengkraft bekam. China, das ebenfalls an die Region grenzt und sich mit Indien im Himalaya zunehmend feindlich gegenübersteht, blieb der Konferenz fern. Aus Pakistan, das selber kein G 20-Mitglied ist, kamen Proteste.

Auch im indischen Teil von Kaschmir leben mehrheitlich Muslime

Der pakistanische Außenminister Bilawal Bhutto Zardari besuchte Asad Kaschmir bereits am Montag und sagte: "Indien missbraucht seine Position als G-20-Vorsitzender." Er forderte die Weltgemeinschaft auf, die "groben Menschenrechtsverletzungen" in Kaschmir anzusprechen. Wie einst die Kolonialherren aus Großbritannien, zieht es heute Inderinnen und Inder in die kühlere, schöne Bergregion, wenn die Temperaturen in anderen Teilen des Landes auf 50 Grad Celsius klettern. In Delhi hofft man, dass das Treffen auch dazu beitragen wird, den internationalen Tourismus wiederzubeleben. Zuletzt hatten Nachrichten über Terror und staatliche Unterdrückung in der Region die Schlagzeilen dominiert.

Die regierende Bharatiya Janata Partei (BJP) unter Ministerpräsident Narendra Modi hatte nach der gewonnenen Wahl im August 2019 den Sonderstatus des indischen Teils von Kaschmir aufgehoben und es in ein föderales Gebiet umgewandelt. Und das, obwohl auch im indischen Teil mehrheitlich Muslime leben, während in Indien acht von zehn Menschen Hindus sind. Das führt im bald bevölkerungsreichsten Land der Welt zu Konflikten, die von der BJP noch befeuert werden.

Dass sich China dabei auf die Seite Pakistans stellt, hat allerdings keine moralischen Gründe. Peking baut einen wichtigen Teil seiner "Belt & Road"-Initiative einmal quer durch Pakistan bis zu einem neuen Tiefwasserhafen in dem früheren Fischerdorf Gwadar. Um diese Route nutzen zu können, braucht China den oberen Zugang über Kaschmir und das verbündete Pakistan. Somit stehen sich in der kleinen Bergregion die ehemaligen Bruderstaaten und die Weltmacht China gegenüber.

Indiens Premier Modi traf sich am Montag mit US-Außenminister Blinken

Während in Kaschmir über Tourismus und Terrorismus diskutiert wurde, reiste Indiens Premier Modi nach Papua-Neuguinea zu einem Treffen, das die Bedrohung durch China im Pazifik begrenzen soll. Modi traf am Montag in Port Moresby, der Hauptstadt des pazifischen Inselstaates, mit US-Außenminister Tony Blinken sowie 14 Staats- und Regierungschefs pazifischer Inseln zusammen. Die einzelnen Staaten sind klein, aber ihre Territorien umfassen 40 Millionen Quadratkilometer Ozean. Verabredet wurde unter anderem mehr Unterstützung in der Region in den Bereichen Gesundheit, Entwicklung und Klimawandel. Tatsächlich geht es den USA aber auch darum, die Verteidigungskooperation zu erweitern.

Vor allem will man den pazifischen Inselstaaten ermöglichen, sich in sicherheitspolitischen Fragen nicht nach Peking orientieren zu müssen. Die Inseln Papua-Neuguineas könnten als Militärbasen im Fall eines chinesischen Zugriffs auf Taiwan enorm wichtig werden. Die Salomonen hatten erst vor Kurzem ein Verteidigungsabkommen mit Peking geschlossen - sehr zum Ärger Washingtons.

Blinken sicherte dem Premier von Papua-Neuguinea, James Marape, im Rahmen der erweiterten Partnerschaft mit den USA mehrere Milliarden Dollar Investments zu. Unter anderem soll das Militär durch US-Streitkräfte trainiert werden. Es wurde auch ein Abkommen zur verstärkten Überwachung der "ausschließlichen Wirtschaftszone" Papua-Neuguineas durch Patrouillen der US-Küstenwache geschlossen, um die Wirtschaft vor illegaler Fischerei zu schützen. Das dürfte eine direkte Reaktion auf die Territorialverletzungen sein, die China in der ganzen Region begeht.

Modi wirbt für einen "freien, offenen und inklusiven Indopazifik"

Das Abkommen aktualisiere eine bestehende militärische Beziehung zu den USA und habe "nichts mit China zu tun", sagte Blinken. Narendra Modi warb auf einem Forum für die Zusammenarbeit zwischen Indien und den pazifischen Inseln, für einen "freien, offenen und inklusiven Indopazifik". Er hatte auf Papua-Neuguinea eigentlich US-Präsident Joe Biden treffen wollen, doch der hatte wegen der Schuldenkrise in den USA seine Asienreise kurzfristig abkürzen müssen. Außenminister Blinken übernahm die Leitung der Delegation.

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Modi reiste noch weiter nach Sydney, zu einem Treffen der Quad-Gruppe, und wurde dort von etwa 20 000 Indern bei einer Kundgebung in der größten Sportarena der Stadt bejubelt. Pressekonferenzen gibt er seit Jahren nicht mehr. Am Mittwoch wird Modi auf Australiens Premierminister Anthony Albanese treffen. Es wird um Handel und Investitionen gehen, um erneuerbare Energien und die Zusammenarbeit bei Verteidigung und Sicherheit. "Australien und Indien haben ein gemeinsames Engagement für einen stabilen, sicheren und prosperierenden Indopazifik", erklärte Albanese im Vorfeld. Es geht also auch hier vor allem um China.

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