G 20 in RioÜberraschend erfolgreich

Lesezeit: 3 Min.

Gruppenfoto vor dem Zuckerhut in Rio.
Gruppenfoto vor dem Zuckerhut in Rio. (Foto: IMAGO/Newscom / EyePress)

Das Treffen der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer war von Krisen überschattet. Am Ende aber steht eine unerwartete Einigung.

Von Christoph Gurk, Rio de Janeiro

Es war wohl das Foto, das Luiz Inácio Lula da Silva sich erhofft hatte: Brasiliens Präsident vor dem Zuckerhut-Felsen in Rio de Janeiro, umringt von den Mächtigen dieser Welt. Einige fehlen zwar auf dem Bild: Justin Trudeau beispielsweise, der kanadische Premierminister, ebenso wie seine italienische Amtskollegin, Giorgia Meloni, und sogar US-Präsident Joe Biden. Die drei, hieß es später, hätten sich beim Fototermin verspätet und als sie endlich ankamen, war das Bild dann schon geschossen. Der Rest der Politiker und Präsidenten steht aber einträchtig beisammen, Hand in Hand – und alleine das ist ja schon ein großer Erfolg in diesen schwierigen Zeiten.

Am Dienstag ist in Rio de Janeiro der G-20-Gipfel zu Ende gegangen, das alljährliche Treffen der Staats- und Regierungschefs der wichtigsten Schwellen- und Industrieländer. Dieses Jahr wurde es bereits im Vorfeld überschattet von einer ganzen Reihe von Krisen, angefangen bei den Kriegen in Nahost und der Ukraine über den globalen Klimawandel bis hin zur schwindenden Macht des Westens in der Welt. Dazu reisten einige Teilnehmer in geschwächter Position an: US-Präsident Joe Biden ist nur noch knapp zwei Monate im Amt, und Bundeskanzler Olaf Scholz blickt wegen der Neuwahlen im Februar in eine ungewisse Zukunft.

Zum Ukrainekrieg gab’s nur einen Minimalkonsens

Die Erwartungen an den G-20-Gipfel waren dementsprechend niedrig, das Ergebnis am Ende ist aber dennoch ein Erfolg: Denn es gab nicht nur ein Gruppenfoto, sondern auch eine gemeinsame Abschlusserklärung, und das bereits am Ende des ersten Tages.

In Teilen bleibt diese zwar vage: So wird das Ziel bekräftigt, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, mit „Billionen von Dollar“ – woher dieses Geld aber kommen soll, bleibt unklar. Und manchmal gehen die Formulierungen auch nicht über einen Minimalkonsens hinaus: So ist vom Leid der Menschen in der Ukraine und dem Gazastreifen die Rede. Der russische Angriffskrieg aber wird – anders als 2022 und in stark abgeschwächter Form auch 2023 – nicht mehr explizit verurteilt, und der Überfall der Terrorgruppe Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 wird noch nicht einmal erwähnt.

Gleichzeitig haben sich die G-20-Teilnehmer aber auch auf einige überraschende Punkte und durchaus ehrgeizige Ziele geeinigt. So sollen Superreiche in Zukunft wirksamer besteuert werden: Hierfür soll es mehr Austausch zwischen den G-20-Staaten geben, unter anderem, um Steuerschlupflöcher zu schließen. Außerdem wollen die G-20-Staaten weltweit Hunger und Armut bekämpfen.

Gastgeber Lula da Silva bei seiner Eröffnungsrede.
Gastgeber Lula da Silva bei seiner Eröffnungsrede. (Foto: Ludovic Marin/AFP)

Beide Vorhaben gehen maßgeblich zurück auf das Engagement des Gastgebers: Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva kommt selbst aus einfachen Verhältnissen. In seiner Rede zur Eröffnung des Gipfels am Montag sagte der 79-Jährige, Hunger entstünde oftmals nicht wegen Knappheit oder natürlicher Phänomene: „Er ist das Produkt politischer Entscheidungen, die die Ausgrenzung eines großen Teils der Menschheit aufrechterhalten.“ Darum gebe er die Schaffung einer „Globalen Allianz gegen Hunger und Armut“ bekannt. Sie soll bereits im kommenden Jahr ihre Arbeit aufnehmen, und ihr Ziel ist die Beseitigung von Hunger und Armut bis zum Jahr 2030.

Mehrere internationale Finanzinstitute haben sich dem Bündnis bereits angeschlossen. Unterstützung kommt darüber hinaus von Organisationen und mehr als 80 Staaten weltweit, darunter auch Deutschland.

Widerstand dagegen gab es anfangs ausgerechnet von Brasiliens südlichem Nachbarn Argentinien. Das Land ist ebenfalls Teil der G-20-Gruppe, wird aber seit knapp einem Jahr von Javier Milei regiert. In der Vergangenheit hatte das rechts-libertäre Staatsoberhaupt seinen linken brasilianischen Amtskollegen wiederholt als „korrupten Kommunisten“, „Dieb“ und „idiotischen Dinosaurier“ bezeichnet. Obwohl Milei bereits seit knapp einem Jahr im Amt ist, standen sich Lula und er beim G-20-Gipfel nun das erste Mal direkt gegenüber. Die Begegnung war mit Spannung erwartet worden, ging aber letztlich nicht über einen kurzen und förmlichen Händedruck hinaus.

Argentiniens Präsident Javier Milei.
Argentiniens Präsident Javier Milei. (Foto: Wagner Meier/Getty Images)

Trotz anfänglichen Widerstands schloss sich am Ende auch die argentinische Delegation der „Globalen Allianz gegen Hunger und Armut“ an, ebenso wie sie den Widerstand gegen den Vorschlag einer stärkeren Besteuerung von Superreichen aufgab.

Wie viele der Vorschläge und Forderungen allerdings am Ende wirklich umgesetzt werden können, muss sich zeigen. Denn am 20. Januar wird Donald Trump sein Amt als 47. Präsident der Vereinigten Staaten antreten. Und auch beim G-20-Treffen in Rio de Janeiro gab es keinen Zweifel, dass die Welt danach eine andere sein wird.

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