G-20-Gipfel:Der Rückhalt für Russland schwindet

G-20-Gipfel: Der russische Außenminister Sergej Lawrow wird vom indonesischen Staatspräsidenten Joko Widodo zu Beginn des G-20-Gipfels in Nusa Dua, Indonesien, begrüßt.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow wird vom indonesischen Staatspräsidenten Joko Widodo zu Beginn des G-20-Gipfels in Nusa Dua, Indonesien, begrüßt.

(Foto: Leon Neal/Getty Images)

Beim Treffen der größten Wirtschaftsnationen und Schwellenländer soll es eine gemeinsame Abschlusserklärung geben - mit überraschend deutlicher Kritik am russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine.

Von Daniel Brössler, Nusa Dua

Der G-20-Gipfel auf Bali hat kaum begonnen, da macht sich Optimismus breit. Noch bevor die Staats- und Regierungschefs der 20 mächtigsten Industrie- und Schwellenländer am Dienstagmorgen auf der indonesischen Ferieninsel zu ihrer ersten Arbeitssitzung zusammengekommen waren, wurde eine bemerkenswerte Einigung bekannt. Die Sherpas genannten Chefunterhändler haben sich auf eine Gipfelerklärung mit überraschend deutlicher Kritik am russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine verständigt. "Die meisten Mitglieder haben den Krieg in der Ukraine scharf verurteilt und betont, dass er immenses menschliches Leid verursacht und die bestehende Verletzlichkeit der Weltwirtschaft verschärft", heißt es in dem Entwurf, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Dies behindere das Wachstum, steigere die Inflation, behindere die Lieferketten, verstärke die Energie- und Lebensmittelunsicherheit und verschärfe die Risiken für die Finanzstabilität. Russland scheint den Widerstand gegen eine Gipfelerklärung mit so klarer Kritik aufgegeben zu haben - offenbar weil es auch bei traditionellen Verbündeten wie China keinen Rückhalt mehr fand.

Zuvor war ein Scheitern befürchtet worden

Trotz vereinbarter Vertraulichkeit bestätigte am Morgen EU-Ratspräsident Charles Michel die Einigung. Sollte sie Bestand haben, nähme der Gipfel einen ganz anderen Verlauf als erwartet. Befürchtet worden war ein Scheitern des Gipfels wegen unüberbrückbarer Meinungsverschiedenheiten über den russischen Angriffskrieg zwischen den westlichen Demokratien und vielen anderen G-20-Mitgliedern, vor allem China. Zwar heißt es in dem Entwurf, dass die Staaten ihre "nationalen Positionen" bekräftigt hätten. Ausdrücklich erwähnt aber wird die Verurteilung des russischen Überfalls auf die Ukraine durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen mit 141 Stimmen bei fünf Gegenstimmen und 35 Enthaltungen. Zwar seien die G 20 kein Forum, das Sicherheitsfragen lösen könne, man erkenne aber an, "dass Sicherheitsfragen erhebliche Konsequenzen für die Weltwirtschaft haben können".

Deutliche Worte vom Gastgeber

Unerwartet deutlich äußerte sich auch der Gipfelgastgeber, der indonesische Präsident Joko Widodo, zum Auftakt. "Wir alle haben eine Verantwortung. Nicht nur für unsere Völker, sondern auch für die Völker der Welt. Verantwortlich zu handeln, bedeutet das Völkerrecht und die Prinzipien der UN-Charta zu respektieren", appellierte er an die Gipfelteilnehmer. Verantwortlich zu handeln, bedeute auch, "dass wir den Krieg beenden müssen", betonte Widodo. "Wenn der Krieg nicht endet, wird es schwierig sein für die Welt, voranzuschreiten", warnte er. Und er mahnte: "Wir dürfen die Welt nicht in Teile spalten. Wir dürfen der Welt nicht erlauben, in einen neuen kalten Krieg zurückzufallen."

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte nach seiner Ankunft auf Bali "sehr ernste Gespräche" angekündigt. "Es muss klar sein, dass es nicht angehen kann, dass ein Land seinen Nachbarn überfällt. Deshalb finde ich es sehr wichtig, dass wir uns immer klarmachen: Die Vereinten Nationen haben die russische Aggression verurteilt", sagte Scholz. Für ihn sei auch "ganz, ganz wichtig, dass klargestellt wird, dass der Einsatz von Atomwaffen nicht infrage kommt". Auch dies findet sich im Gipfelentwurf wieder. "Drohungen mit Atomwaffen sind unzulässig", heißt es dort.

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