G-20-Gipfel in Argentinien:Machtkampf der Alphamänner

G-20-Gipfel in Argentinien: Freunde? Naja. Ex-US-Präsident Donald Trump und Chinas Staatschef Xi Jingping 2017 bei einem Besuch der Verbotenen Stadt in Peking.

Freunde? Naja. Ex-US-Präsident Donald Trump und Chinas Staatschef Xi Jingping 2017 bei einem Besuch der Verbotenen Stadt in Peking.

(Foto: Jim Watson/AFP)
  • Beim G-20-Gipfel in Buenos Aires treffen auch Chinas Staatschef Xi und US-Präsident Trump aufeinander.
  • Sie werden entscheiden, ob die Politik der gegenseitigen eskalierenden Strafzölle weitergeht wie bisher.
  • Selbst wenn die Präsidenten einen Deal abschließen, muss sich die Welt auf einen langwierigen Konflikt einstellen.

Von Claus Hulverscheidt

Angela Merkel wird wohl schon wieder auf dem Weg nach Hause sein, wenn am Samstagabend nach Abschluss des G-20-Gipfels in Buenos Aires der eigentliche Gipfel beginnt. Dabei ist das Arbeitsessen, zu dem sich US-Präsident Donald Trump und sein chinesischer Amtskollege Xi Jinping in der argentinischen Hauptstadt treffen wollen, auch für die Bundeskanzlerin von größter Bedeutung, denn es geht um nicht weniger als die Frage, ob der Zollstreit zwischen den beiden größten Wirtschaftsmächten der Welt im kommenden Jahr endgültig eskaliert. Kaum ein Land hätte bei einem globalen Handelskrieg so viel zu verlieren wie die exportabhängige Bundesrepublik.

Seit Monaten schon streiten die Regierungen in Washington und Peking darüber, wer die Verantwortung für das hohe Ausfuhrdefizit der Amerikaner trägt und was an den Vorwürfen dran ist, China missachte die vereinbarten Welthandelsregeln. Ob es Trump und Xi gelingt, die festgefahrene Debatte wieder in Gang zu bringen und die Spirale aus Zöllen und Gegenzöllen zu stoppen, war vor Beginn der Unterredung völlig ungewiss. Ein denkbarer Kompromiss wäre, dass die USA zunächst bis zum Frühjahr darauf verzichten, weitere Einfuhrabgaben zu erheben - China bekäme damit mehr Zeit, Zugeständnisse auszuarbeiten.

Trump stört sich vor allem daran, dass die Volksrepublik pro Jahr viermal so viele Waren in die USA liefert wie umgekehrt. Er empfindet das Defizit als Schmach, obwohl es unter anderem daher rührt, dass unzählige amerikanische Firmen ihre Fertigung ins langjährige Billiglohnland China ausgelagert haben. Der Präsident hatte im Vorfeld des Treffens mit neuen Sanktionen gedroht, sollte sich Peking nicht zu höheren Importen verpflichten. Andererseits hat er in der Vergangenheit auch bewiesen, dass er zu überraschenden Kompromissen bereit ist - etwa wenn man ihm schmeichelt. Zudem imponieren ihm vermeintlich "starke Männer" wie Xi, weil er sich auch selbst als ein solcher erachtet.

Doch selbst wenn die Präsidenten in Buenos Aires einen Deal schließen sollten, muss sich die Welt auf einen langwierigen Konflikt einstellen. Tatsächlich nämlich sind die jetzigen Handelsstreitigkeiten wohl nur die ersten Scharmützel eines aufziehenden neuen Kalten Krieges um die globale politische und wirtschaftliche Vorherrschaft im 21. Jahrhundert: hier die USA, der langjährige Hegemon, der zwar militärisch nach wie vor die Nummer eins ist und sieben der zehn weltgrößten Tech-Konzerne beheimatet, aber dennoch um seine Rolle als mächtigste Wirtschaftsnation kämpfen muss; dort die aufstrebende Volksrepublik China, die mittelfristig gesehen schon allein aufgrund ihrer viermal so großen Bevölkerung strategisch im Vorteil ist und mit Staatshilfen in dreistelliger Milliardenhöhe die Weltmarktführer von morgen erschaffen will - in der Robotik, der Elektromobilität, der Biomedizin und vielen anderen Bereichen. Auch außenpolitisch hat das Land seine jahrzehntelange Zurückhaltung aufgegeben und tritt offensiv für seine Interessen ein.

Viele US-Spitzenpolitiker, nicht nur solche aus der Regierung Trump, empfinden das Auftreten Chinas als anmaßend und aggressiv - und das nicht gänzlich zu Unrecht, denn auch fast 20 Jahre nach dem Beitritt zur Welthandelsorganisation missachtet das Land viele Regeln internationaler Zusammenarbeit: Staatliche Unternehmen stehlen das Know-how amerikanischer und europäischer Konkurrenten oder übernehmen diese gleich ganz, zugleich gängelt Peking ausländische Betriebe. Die Strategie des "gemeinsamen Wachsens", der viele gemäßigte Politiker und Manager in den USA seit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen im Jahr 1979 anhingen, ist vielerorts und über Parteigrenzen hinweg einer "Stoppt China"-Mentalität gewichen.

Sollte Trump tatsächlich versuchen, der Volksrepublik den Weg an die Spitze zu verbauen, könnten die Welt und die Weltwirtschaft in eine amerikanische und eine chinesische Einflusssphäre zerfallen. Das hätte gravierende Folgen für globale Lieferketten, Wachstum, Preise, Firmen und Arbeitsplätze. Auch die Gefahr eines militärischen Konflikts würde steigen.

Der Handelsstreit sollte auch im Zentrum weiterer bilateraler Treffen am Rande des G-20-Gipfels stehen, unter anderem war ein Gespräch Trumps mit Merkel geplant. Die Kanzlerin sorgt sich vor allem wegen der Drohung des Präsidenten, den Import europäischer - also vor allem deutscher - Pkw mit hohen Zusatzzöllen zu versehen. Merkels Anreise nach Buenos Aires verzögerte sich allerdings, weil ihr Bundeswehrflugzeug wegen eines technischen Defekts hatte umkehren müssen.

An den Börsen herrschte am Freitag wegen des ungewissen Ausgangs der Handelsgespräche große Nervosität. Man wisse nicht, was Trump und Xi vorhätten, sagte ein Fondsmanager in Frankfurt. "Der Showdown steht an."

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