G-7-Klimapolitik:Wir müssen auf Kohle, Öl und Gas verzichten

Matteo Renzi, Jean-claude Juncker; Shinzo Abe; Francois Hollande; Stephen Harper;Donald Tusk; Angela Merkel; Barack Obama

Die Mächtigen der Welt im Grünen: Zumindest auf die Notwendigkeit der "Dekarbonisierung" konnten sie sich beim Gipfel in Elmau einigen.

(Foto: AP)

Das Grundübel der Erderwärmung wurde viel zu lange ignoriert: die Verfeuerung fossiler Ressourcen. Beim G-7-Gipfel auf Schloss Elmau haben sich sieben der mächtigsten Staaten zumindest auf diese Erkenntnis geeinigt. Mehr aber auch nicht.

Kommentar von Michael Bauchmüller

Politik, darauf weisen Regierende gern hin, beginnt mit der Betrachtung der Realität. Eine solche Realität haben sich die sieben führenden Wirtschaftsnationen auf Schloss Elmau ziemlich genau angeschaut: die einzig wirksame Antwort auf den Klimawandel. Sie verbirgt sich im sperrigen Wort von der "Dekarbonisierung" und bedeutet nicht weniger als den Verzicht auf Kohle, Öl und Gas. Im Laufe dieses Jahrhunderts werden sich Menschen anders fortbewegen müssen, sie werden anders heizen, sie werden ihren Strom aus anderen Quellen beziehen müssen.

Wer den Kampf gegen die Erderwärmung ernst nimmt, muss auf Dauer das Grundübel aus der Welt schaffen, die Verfeuerung fossiler Ressourcen. Viel zu lange haben sich die G-7-Staaten dieser Logik entzogen. Jetzt hat das Kind endlich einen Namen. Immerhin.

Schon das wird nicht ohne Folgen bleiben. Wenn sieben der mächtigsten Staaten der Erde einsehen, dass die Energieversorgung von gestern keinesfalls die von morgen sein kann, dann wird das Einfluss auf Investitionen haben. Dann werden Banken sich dreimal überlegen, ob sie die Ausbeutung weiterer fossiler Ressourcen finanzieren. Dann wird es attraktiver, Geld in saubere Alternativen zu stecken. Allein deshalb ist das Signal vom G-7-Gipfel in den bayerischen Bergen nicht zu unterschätzen.

Begrenzung der Erderwärmung auf höchstens zwei Grad

Der Zeitpunkt ist gut. Zwar ist es nicht der erste Gipfel, der hehre Worte zum Klima findet. Dieser aber liegt nur ein halbes Jahr vor der so wichtigen Klimakonferenz in Paris, und er formuliert mit der Abkehr von fossiler Energie einen Anspruch, hinter den zumindest die sieben nicht mehr zurückfallen können, wenn sie in Paris über ein neues Abkommen verhandeln. Von diesem Abkommen wird abhängen, ob aus der Erkenntnis der sieben konkrete Politik wird. Bislang bestand nur bescheidene Hoffnung, denn der neue Klimavertrag soll sich um Ziele ranken, die jeder Staat letztendlich selbst bestimmen kann. Dieser Tage verhandeln in Bonn Klimadiplomaten aus aller Welt über den Vertragstext, der Fortgang ist zäh.

Umso interessanter, dass sich die G 7 schon in Elmau mit dem drohenden Schwachpunkt des Abkommens befasst haben. Damit die Selbstverpflichtungen der Staaten etwas bringen, müssen sie immer wieder mit dem Fernziel abgeglichen werden, einer Begrenzung der Erderwärmung auf höchstens zwei Grad. Stellt sich heraus, dass die Anstrengungen nicht reichen, müssen sie nachgebessert werden. Nur wenn ein Klimaabkommen solche Mechanismen enthält, kann es wirken.

Denn auch das gehört zur Betrachtung der Wirklichkeit: Einsicht allein ändert die Dinge nicht. Wie schwer ein Abschied von der fossilen Vergangenheit ist, kann die Welt ausgerechnet im G-7-Gastgeberland Deutschland bestaunen. Das präsentiert zwar stolz seine Energiewende-Erfolge, aber weit weniger gern seine jüngste Emissionsbilanz. Nach Jahren des Rückgangs stagnieren die deutschen Treibhausgas-Emissionen, weil hierzulande eifrig wie eh und je Braunkohle gefördert und in Kraftwerkskesseln verbrannt wird. Ein Plan aus dem Wirtschaftsministerium, mit dem sich diese Kohle-Emissionen etwas senken ließen, droht am erbitterten Widerstand von Gewerkschaften und Stromkonzernen zu scheitern.

Machtfrage zwischen etablierten und neuen Technologien

"Dekarbonisierung" - das wird zwangsläufig zum Kampf der Interessen, zu einer Machtfrage zwischen etablierten und neuen Technologien. Sollte Deutschland schon an dieser ersten kleinen Machtfrage scheitern, wäre das für die Abmachung der sieben kein gutes Omen.

Klar aber ist: Ohne einen planvollen Abschied vom fossilen Zeitalter wird auch der Kampf gegen die Erderwärmung scheitern. Gerade weil dieser Kampf ein so langfristiges Projekt ist, gibt es keine Zeit zu verlieren. Die G-7-Staaten haben sich in Elmau vorgenommen, konkrete Pläne aufzustellen für den Ausstieg. Für Deutschland müsste so ein Plan darlegen, wie erneuerbare Energien in Verbindung mit Speichern schrittweise die Versorgung mit Strom und Wärme übernehmen können, wie sich Energie effizienter nutzen lässt und der Verkehr langfristig ohne Benzin und Diesel auskommen soll.

Auch so ein Plan wird letztlich nur ein Papier sein, aber er gibt deutliche Signale an Investoren; und auch an Beschäftigte in den betroffenen Branchen. Je früher dieser Wandel beginnt, desto sanfter lässt er sich gestalten - und umgekehrt.

Eine Weltwirtschaft ohne Kohlenstoffe, das mag durch den Siegeszug erneuerbarer Energien zuletzt etwas einfacher geworden sein. Von selbst aber kommt sie nicht. Wer sie wirklich will, muss den Weg dorthin organisieren. Das Treffen in den Alpen war nicht mehr als ein Anfang dieses Weges. Aber auch nicht weniger.

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