G-20-Gipfel:Zweifelhafte Grundlage

Sechs Wochen nach dem Entzug ihrer Akkreditierungen beim G-20-Gipfel in Hamburg haben die ersten betroffenen Journalisten Auskunft vom Bundeskriminalamt bekommen. Die Begründungen sind nach Ansicht von Experten zum Teil falsch, zum Teil rechtswidrig.

Sechs Wochen nach dem Entzug ihrer Akkreditierungen beim G-20-Gipfel in Hamburg haben die ersten betroffenen Journalisten nach ARD-Recherchen Auskunft vom BKA bekommen. Nachdem die Bundesregierung bereits in mindestens drei Fällen Verwechslungen eingeräumt hatte, basieren die Sicherheitseinschätzungen, die dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegen, bei zwei weiteren Journalisten zum Teil auf falschen, zum Teil "auf eindeutig rechtswidrigen Einträgen in Verbunddateien"", teilte die ARD am Samstag mit.

Über den Berliner Fotojournalisten Florian Boillot sei sowohl in der Datei "politisch motivierte Kriminalität" als auch in der Datei "Gewalttäter links" das Strafdelikt "Widerstand gegen Polizeivollzugsbeamte" gespeichert. Von diesem Vorwurf sei Boillot allerdings schon im Mai "aus tatsächlichen Gründen" freigesprochen worden. Dennoch habe der Vorwurf die alleinige Grundlage für den Entzug der Akkreditierung gebildet.

Über den Fotografen Chris Grodotzki seien in der Datei "politisch motivierte Kriminalität" vier Delikte gespeichert. In zwei Fällen gehe es um die Beteiligung an gewaltfreien Aktionen der Umweltorganisation Robin Wood in den Jahren 2007 und 2008. Grodotzki sei damals 18 Jahre alt und noch nicht als Journalist tätig gewesen. Nach Einschätzung des früheren Bundesbeauftragten für den Datenschutz, Peter Schaar, sei eine Speicherung dieser Daten über einen derart langen Zeitraum verfassungswidrig. Die beiden anderen Fälle beträfen politische Aktionen in Frankfurt und Hamburg, über die Grodotzki als Fotograf berichtet habe und bei denen seine Personalien erfasst worden seien.

Mit Blick auf die Rolle ausländischer Geheimdienste stellen sich nach den der ARD vorliegenden Unterlagen neue Fragen. Der einzige Eintrag, den das BKA selbst vorgenommen habe, beziehe sich auf die Türkei. Aus dem Vermerk gehe hervor, dass Grodotzki vom BKA erst als Linksextremist eingestuft worden sei, nachdem dieser 2014 im türkischen Diyarbarkir zusammen mit weiteren Journalisten kurzzeitig festgenommen worden war. Der Eintrag zitiere und entkräfte die Vorwürfe der türkischen Behörden, stelle aber fest, Grodotzki sei als "Angehöriger der linksextremistischen Szene und Umweltaktivist bekannt". Datenschutzexperte Schaar sehe in dem Vermerk einen Beleg für den Verdacht türkischer Einflussnahme.

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