G-8-Gipfel in Nordirland:Schauspieler und Realpolitiker

G-8-Gipfel

Schwer bewachte Idylle: Glaubt man dem britischen Gastgeber Cameron, war der G-8-Gipfel in Nordirland ein Erfolg. 

(Foto: Getty Images)

Auf dem G-8-Gipfel geben die Präsidenten Putin und Obama eine grimmige Pressekonferenz, die ein Scheitern des Treffens erwarten lässt. Gespielte Eiszeit für das Publikum zu Hause? In der langen Nacht von Enniskillen können sich die demonstrativ schlecht gelaunten Männer immerhin darauf einigen, gemeinsam eine Friedenskonferenz für Syrien anzustreben.

Von Nico Fried und Christian Zaschke, Enniskillen

Es war der Höhepunkt der politischen Inszenierungen auf diesem an Inszenierungen reichen Gipfel: Barack Obama und Wladimir Putin traten nach einem bilateralen Treffen vor die Presse und bemühten sich, ihre Gesichter steinern und ihre Augen eiswürfelig erscheinen zu lassen. Wenn Obama sprach, blickte Putin auf seine Schuhe, als höre er überhaupt nicht zu. Der Versuch eines Scherzes von Obama über Putins Qualitäten im Judo "und meine abnehmenden Leistungen im Basketball" wirkte sehr gequält. Dann ein kurzer Händedruck. Das war's.

In diesem Moment, das musste jeder Beobachter glauben, war der G-8-Gipfel der führenden Industrie-Nationen in Nordirland gescheitert. Wie sollte es zwischen diesen beiden demonstrativ schlecht gelaunten Männern irgendeine Einigung geben? Zumal bei einem so hoch komplizierten Thema wie Syrien? Sie waren sich allenfalls darüber einig, uneinig zu sein.

Wenig später, beim Abendessen der acht Gipfelteilnehmer, sei die Stimmung deutlich besser gewesen zwischen dem amerikanischen und dem russischen Präsidenten, berichten Delegierte, die Eiszeit war offenbar nur gespielt fürs Publikum zu Hause. Die beiden Männer sind ebenso sehr Schauspieler wie Realpolitiker. Es wurde so konstruktiv und zielführend diskutiert, dass die acht Teilnehmerstaaten am Dienstag zum Abschluss des Gipfels eine gemeinsame Erklärung zur Lage in Syrien veröffentlichen konnten: Demnach wollen die G-8-Staaten eine Übergangsregierung in Syrien, aber wann darüber das nächste Mal in Genf verhandelt wird, steht noch nicht fest.

Ein Gastgeber, der sein eigenes Fest lobt

Ob Chemiewaffen eingesetzt worden sind, soll von den Vereinten Nationen überprüft werden. Die politische Zukunft des syrischen Machthabers Baschar al-Assad wurde allerdings ausgespart, sein Name wird in der Erklärung nicht einmal erwähnt. Andernfalls hätte Putin einer gemeinsamen Erklärung nicht zugestimmt. Er war im Ton konziliant, kam seinen Verhandlungspartnern aber kaum entgegen.

Immerhin: Gerade so weit, dass am Ende des Gipfels ein anderes Bild stand als am vermeintlich eisigen Höhepunkt. Gastgeber David Cameron, der britische Premier, stand vor der malerischen Kulisse von Lough Erne nahe Enniskillen und nannte den Gipfel einen vollen Erfolg. "Wir hatten schwierige Themen auf der Agenda", sagte der Premier, "und der Gipfel von Lough Erne hat bei allen gebracht, was wir uns vorgenommen haben." Zu den vagen Plänen für Syrien sagte der Premier: "Was wir erreicht haben, wäre noch vor wenigen Tagen undenkbar gewesen." Diese sehr positive Deutung des Treffens war allerdings wohl eher die Ansicht des Gastgebers, der sein eigenes Fest lobt.

Es war der friedlichste Gipfel seit langem, was auch daran lag, dass es ein Gipfel in schwer bewachter Idylle war. 8000 Polizisten sicherten ihn, sie erhielten von Cameron am Ende ein Sonderlob. Das Konferenzgelände, ein weitläufiges Wald- und Wiesenareal, war eingezäunt und an drei Seiten von Wasser umgeben. Die Sicherheitsleute, die in den Hügeln entlang der Zufahrtsstraße postiert waren, sahen in ihren gelben Signalwesten aus wie zu groß geratene Butterblumen. Nur Kühe und Schafe hatte man nicht vom Areal getrieben.

Striktes Krawattenverbot

Hat der G-8-Gipfel noch die Bedeutung früherer Jahre? Ein eher informelles Treffen war es immer, äußerlich ist das inzwischen ablesbar am strikten Krawattenverbot. Mittlerweile aber wirken die Gipfel bei vielen Themen nur wie eine Zwischenstation vor den G-20-Treffen, bei denen die Schwellenländer mit am Tisch sitzen. Die Teilnahme dieser Staaten ist unerlässlich, vor allem wenn man in Wirtschafts- und Finanzfragen Fortschritte erzielen will. Die Themen Steuerhinterziehung und Steuervermeidung sind gute Beispiele. Sie wurden am Dienstag besprochen, aber zu wirklich konkreten Entscheidungen an den G-20-Gipfel in Sankt Petersburg im Herbst weitergereicht.

Gerade so, als hätten auch die Gegner der G-8-Gipfel einen Bedeutungsverlust konstatiert, scheint die Zeit der Großdemonstrationen vorbei zu sein, wie man sie von anderen Gipfeln kannte. Einige hundert Protestierer waren in die Provinz gereist, hie und da gelang eine Straßenblockade, ansonsten blieb alles friedlich. Am eisernen Eingangstor zum Fünf-Sterne-Resort am Lough Erne durften die Demonstranten einige ihrer Transparente anbringen, die sie nicht gemalt, sondern in bunten Farben gestrickt hatten. Sie sahen aus wie die Schals von Fußball-Fans.

Syrien war das beherrschende Thema des Gipfels: der Bürgerkrieg und die verschärfte internationale Situation, nachdem die USA angekündigt hatten, die Opposition mit Waffen unterstützen zu wollen. David Cameron hatte das Thema Steuervermeidung in den Mittelpunkt rücken wollen, doch am Dienstag räumte er ein: "Die Gespräche über Syrien waren die schwierigsten." Die Debatte um diesen Konflikt wurde zum Sinnbild mühseliger Diplomatie, von Fortschritten, die nach Zentimetern gemessen werden müssen.

Fortschritt in Millimetern

Bemerkenswert ist, dass einige der mächtigsten Politiker der Welt zusammensaßen, sich aber nicht ganz sicher waren, wie mächtig sie eigentlich wirklich sind, wenn es darum geht, auf die Konfliktparteien in Syrien Einfluss zu nehmen. Am Ende stand immerhin die gemeinsame Erklärung. Fortschritt in Millimetern. "Baldmöglichst" soll eine Konferenz in Genf stattfinden, sagte die Kanzlerin. Genauer hatte sie's nicht. Ob es angesichts der Schwierigkeiten, eine Einigung zu erzielen, wichtig sei, dass Russland an den G-8-Gipfeln teilnehme, wurde Merkel gefragt. Ja, findet sie, denn was nütze eine schnelle Einigung unter den sieben westlichen Staaten, wenn Russland außen vor sei?

Statt konkrete politische Maßnahmen zu ergreifen, lassen die führenden Industrienationen nun erst einmal Geld fließen. Cameron sagte am Dienstag, dass die G-8-Staaten ihre Hilfe für Opfer und Flüchtlinge des Krieges in Syrien um rund 1,5 Milliarden Dollar aufstocken wollen. Auch Angela Merkel nannte die humanitäre Situation "unerträglich". Deutschland werde daher seine bisherige Hilfe mit zusätzlichen 200 Millionen Euro mehr als verdoppeln, kündigte die Kanzlerin an. Es klang angesichts der dünnen Ergebnisse beim Versuch einer Friedenslösung fast wie ein Ablasshandel.

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