G-20-Gipfel in Hamburg:"Super Idee, das hier zu machen"

Brennende Autos, Verletzte und eine Stadt im Ausnahmezustand. Nach Tagen der Krawalle fühlen sich Hamburgs Bürger bestätigt: Den G-20-Gipfel hier auszurichten, war von Anfang an eine Schnapsidee.

Von Dominik Fürst, Hamburg

Ein Tag noch, dann hat Hamburg diesen G-20-Gipfel endlich hinter sich gebracht. Dann werden die Staats- und Regierungschefs weg sein, und vor allem dürfte es keine Straßenschlachten mehr geben, keine Verfolgungsjagden zwischen Polizisten und vermummten Extremisten, keine brennenden Autos und auch keine Wasserwerfer. Das Chaos, in das die Stadt gestürzt ist, darf jetzt gerne ein Ende haben, finden die Hamburger.

Dass sie sauer sind, hat nicht nur mit den Krawallmachern mit den Molotowcocktails zu tun, die zum Randalieren in die Stadt gekommen sind. Hamburgs Bürger sind vor allem deshalb schwer verärgert, weil sie von Anfang an gewusst haben, dass es eine Schnapsidee ist, den Gipfel in dieser Stadt auszutragen, wo alles so dicht beieinanderliegt und wo die linke, kapitalismuskritische Szene traditionell so fest verwurzelt ist.

"Wir sind genervt, weil das hier in Hamburg stattfindet", sagt Miriam Hufnagl, die im Portugiesenviertel zwischen Elbphilharmonie und Landungsbrücken wohnt und zwei kleine Kinder hat. Das jüngste kam erst vor wenigen Tagen zur Welt. "Wer die Sache mit den Gefahrenzonen mitbekommen hat oder regelmäßig die Ausschreitungen zum 1. Mai, der wusste ja eigentlich, dass es knallen würde", sagt sie.

Anfang 2014 hatte die Hamburger Polizei die Stadtteile St. Pauli und Sternschanze sowie Teile Altonas zu Gefahrengebieten erklärt, nachdem es dort zu schweren Auseinandersetzungen zwischen Polizisten und Demonstranten gekommen war. Das Oberverwaltungsgericht erklärte die Praxis im Nachhinein für verfassungswidrig. All das wusste man, bevor der G-20-Gipfel nach Hamburg kam. Dass trotzdem selbst SPD-Bürgermeister Olaf Scholz und die Hamburger Elite gesagt haben "Ja, super Idee, das hier zu machen", das sei nun wirklich nicht zu verzeihen, sagt Hufnagl.

Seit zwei Wochen stehen sechs Mannschaftswagen der Polizei vor ihrer Haustür, mit den Beamten hat sie sich angefreundet. "Für die ist es auch blöde. Die können ja nichts dafür", sagt Hufnagl. Ihr Viertel ist abgeriegelt, ihre Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Ihre Hebamme wurde am Donnerstag nicht durchgelassen, weil sie mit dem Motorrad unterwegs war, was auf die Polizei wohl zu martialisch wirkte. Am Freitag haben sie dann auch noch die Kita des Sohnes evakuiert, weil die Sicherheit nicht mehr garantiert werden konnte.

So wie Miriam Hufnagl geht es vielen Hamburgern. Sie leiden unter den Begleiterscheinungen des Gipfels, für den die Stadt eine 38 Quadratkilometer große Sicherheitszone errichtet hat. Anwohner dürfen nur nach Ausweiskontrolle hinein und wer seine Freunde im inneren Kern der Sicherheitszone besuchen möchte, der musste sich schon Wochen im Voraus anmelden. Abgesehen davon ist der Straßenverkehr im Stadtzentrum in diesen Tagen de facto zum Erliegen gekommen.

"Es war von vornherein klar, dass man diesen Gipfel nicht in Hamburg abhalten sollte", sagt Lara Bolmer, die am Freitag sicherheitshalber die U-Bahn zur Arbeit genommen hat, nicht das Fahrrad. Sie wohnt in Altona, wo randalierende Chaoten am Donnerstag und Freitag Autos angezündet haben. "Es ist total beängstigend", sagt sie und ärgert sich über einen "total brutalen und rücksichtslosen" schwarzen Block. Doch das Risiko hätte vorher klar sein müssen, findet auch sie. Sie ist mittlerweile übers Wochenende weggefahren und kommt erst am Sonntagabend wieder nach Hamburg. "Wenn die Lage hoffentlich entspannter ist."

Noch etwas drastischer erklärte bereits Anfang der Woche eine junge Frau in St. Pauli ihre Meinung: "Wer die Idee hatte, den Gipfel im linkesten Stadtviertel Deutschlands auszutragen, dem gehört eine reingehauen." Da hatten die schweren Ausschreitungen noch nicht stattgefunden.

Der schwarze Block aus vermummten Krawallmachern, der in Hamburg sein Unwesen treibt, hat die angespannte Sicherheitslage rund um den G-20-Gipfel extrem verschärft. "Verpisst euch", schreibt daher am Freitagnachmittag der Student Cem Berk auf seiner Facebookseite in Richtung der Chaoten. Er wohnt in Hamburg-Wandsbek, das von den Ausschreitungen bislang verschont geblieben ist. Doch Berk hat Freunde bei Polizei und Feuerwehr, die momentan sehr gefährliche Arbeitsbedingungen haben. Einer von ihnen sei zum Beispiel mit Steinen beworfen worden.

"Das wäre früher oder später sowieso aus dem Ruder gelaufen"

"Ich bin fassungslos über die gewalttätigen Ausschreitungen. Das hat mit Meinungsäußerung nichts mehr zu tun", sagt Berk. "Als gebürtiger Hamburger habe ich Angst um meine Stadt." Er kann den gewalttätigen Demonstranten wirklich gar nichts abgewinnen und gibt ihnen die Schuld an der Eskalation der Proteste. "Größtenteils liefen die Proteste ja friedlich, aber der black block wollte eskalieren, das wäre früher oder später sowieso aus dem Ruder gelaufen", sagt er.

Unter den Gipfel-Bedingungen leidet auch Berk. Am Donnerstag musste er sein Fußballtraining ausfallen lassen, am Freitag kam er mit dem Fahrrad nicht zur Uni durch. Ob Hamburg der richtige Ort für den G-20-Gipfel sei? Über diese Frage habe er, um ehrlich zu sein, vorher gar nicht wirklich nachgedacht. Ihm würden allerdings keine guten Alternativen einfallen. "Ich weiß nicht, ob es besser ist, wenn die sich auf einem Flugzeugträger treffen."

In der Nacht auf Samstag mussten Bewohner des Schanzenviertels auf ihre Dächer fliehen, weil sich unten im Schulterblatt die Polizei und vermummte Straftäter eine Schlacht lieferten. Sie hatten Angst um ihre Sicherheit, wahrscheinlich um ihr Leben. Für sie dürfte klar sein, dass es den Gipfel in dieser Stadt wirklich nicht gebraucht hätte.

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