G-8-Gipfel in L'Aquila:Im Visier der Demonstranten

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Bürgerinitiativen haben während des Gipfels in L'Aquila Proteste organisiert - die Welt soll wissen, dass nach dem Erdbeben noch immer Tausende in Zelten leben.

S. Ulrich, Rom

US-Präsident Barack Obama mag gestutzt haben, als er am Mittwoch zum Gipfeltreffen in L'Aquila einflog. "Yes we camp" stand da in neun Meter hohen weißen Lettern an einem Berghang - in Anlehnung an Obamas Wahlkampf-Slogan "Yes we can".

US-Präsident Barack Obama besichtigt mit Silvio Berlusconi die zerstörte Stadt L'Aquila. (Foto: Foto: Reuters)

Die ungewöhnliche Begrüßung haben einige Bürgerinitiativen aus der Abruzzenhauptstadt organisiert, um die Welt aufzuklären, dass gut drei Monate nach dem Erdbeben vom 6. April noch immer 20.000 Menschen in Zelten leben müssen. Der Protest richte sich nicht gegen den G-8-Gipfel, sagt ein Sprecher der Initiative "3e32", sondern gegen die Regierung Berlusconi. Diese rühme sich überall, wie gut sie den Erdbebenopfern helfe. Doch in Wirklichkeit gehe beim Wiederaufbau nichts voran.

So sind es dieses Jahr zwei ganz verschiedene Bewegungen, die während des G-8-Treffens protestieren. Zum einen unzufriedene L'Aquilaner, zum anderen all jene, die oft unter dem Etikett Globalisierungsgegner zusammengefasst werden. Als Gastgeber Silvio Berlusconi zuletzt im Jahr 2001 ein G-8-Treffen, damals in Genua, ausrichtete, strömten mehrere hunderttausend Demonstranten aus ganz Europa zusammen. Die Proteste und die Gewaltorgien einiger Demonstranten und einiger Polizisten prägten den Gipfel weit mehr als Sachthemen.

Heute dagegen ist der Sturm der Globalisierungskritik weltweit abgeflaut. Hinzu kommt, dass die G-8-Gruppe nicht mehr als wichtig wahrgenommen wird. Die globalisierungskritische Organisation Attac Deutschland etwa, die in Genua sehr aktiv war, verzichtete darauf, ihre Anhänger für den Abruzzen-Gipfel zu mobilisieren. Man wolle sich lieber auf den nächsten G-20-Gipfel im September in Pittsburgh vorbereiten, heißt es. Viele andere Gruppen - insbesondere natürlich aus Italien - wollen dagegen durchaus protestieren. Allerdings wird den Protesten, anders als in Genua, ein Epizentrum fehlen. Stattdessen setzen die Globalisierungskritiker auf Überraschungsaktionen in ganz Italien. Das Motto lautet: "Der G 8 ist ein Erdbeben, und wir sind alle L'Aquilaner."

In Rom kam es bereits am Dienstag zu einzelnen teils gewalttätigen Aktionen. Einige Demonstranten zündeten Reifen und Mülleimer an, blockierten zeitweise einen Zubringer der Autobahn RomL'Aquila und versuchten, Gleise im Bahnhof Termini zu besetzen. Am Mittwoch enthüllten Protestierer vor dem Wirtschaftsministerium ein Transparent mit der Aufschrift: "G 8, Weltwährungsfonds, Weltbank - Wer plündert und zerstört, das seid ihr".

Hundert Greenpeace-Aktivisten besetzten mehrere Kohlekraftwerke in verschiedenen Regionen Italiens. Die Polizei nahm am Dienstag und Mittwoch in Rom und L'Aquila Dutzende Protestierer fest, unter ihnen etliche Ausländer. Die italienische Regierung bietet landesweit etwa 15 000 Polizisten und Soldaten auf, um das G-8-Treffen abzusichern.

Am Freitag wollen die verschiedenen Anti-G-8-Gruppen zum Abschluss des Gipfeltreffens gemeinsam in L'Aquila demonstrieren. Einige der Bürgerkomitees aus den Abruzzen sind gegen diese Aktion. Sie befürchten, der Protest der Erdbebenopfer könne so überschattet und vereinnahmt werden. Das Komitee "3e32" stellt klar: "Hier geht es um unsere Zukunft, und um die Zukunft unserer Stadt."

© SZ vom 9.7.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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