G-8-Gipfel:Der Protest hat viele Gesichter

Neun Frauen und Männer erklären, warum sie gegen den G-8-Gipfel in Heiligendamm demonstrieren. Eine Bildstrecke von Arne Boecker

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Jens Günther

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Am heutigen Samstag soll der Protest gegen den G-8-Gipfel , der kommenden Mittwoch im mecklenburgischen Heiligendamm beginnt, richtig in Schwung kommen. Die Veranstalter einer Großdemonstration rechnen damit, dass bis zu 100.000 Menschen in der Rostocker Innenstadt zusammenströmen. Die SZ hat neun Frauen und Männer über die Gründe ihres Protests befragt.

Jens Günther, 61, aus Ulsnis: ,"Ich bin Kapitän der Beluga II, des Greenpeace-Schiffs. Wir liegen bis zum Ende des Gipfels im Rostocker Stadthafen. Was mich am meisten aufregt: wieviel Geld diese G-8-Show verschlingt! Mit 100 Millionen Euro könnte man nun wirklich eine Menge guter Dinge für die Umwelt tun."

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Werner Rätz

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Werner Rätz, 55, aus Bonn: "Im Entwurf des G-8-Abschlusskommuniques gibt es zwei Punkte, mit denen ich besonders wenig einverstanden bin. Zum einen soll der Freihandel ausgeweitet, zum anderen die Sicherheit für weltweite Investitionen verbessert werden. Das passt in die neoliberale Strömung, die die Weltwirtschaft seit einigen Jahren prägt, aber kann nicht im Sinn der Armen sein, die es auf der Welt gibt.

Wohin uns der Neoliberalismus führt, ist in Argentinien zu besichtigen. Bis vor ein paar Jahren produzierte das Land 25 mal mehr Weizen, als die Bevölkerung benötigte. Als der Weltmarkt Soja nachfragte, hat Argentinien den Anbau auf dieses Produkt umgestellt. Heute gibt es nicht mehr genug Weizen, um die Menschen zu versorgen. Das ist doch grotesk."

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Christoph Kleine

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Christoph Kleine, 40, aus Lübeck: "Ich engagiere mich in der Initiative Block G 8. Wir versuchen, die Straßen rund um Heiligendamm so zu blockieren, dass zumindestens die Gipfelhelfer, die Bodyguards und Dolmetscher, nicht durchkommen. Einfacher Protest reicht nun mal nicht aus.

Übrigens führen wir keinen reinen Abwehrkampf, sondern bieten Alternativen an. Wir wollen eine andere Welt, in der es überall die gleichen sozialen Rechte gibt. Quasi eine Globalisierung von unten. Das heißt natürlich, dass wir den Kapitalismus hinter uns lassen sollten."

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Sabine Zimpel

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Sabine Zimpel, 37, aus Gelsenkirchen: "Ich arbeite für die Organisation erlassjahr.de, die sich dafür einsetzt, Ländern der Dritten Welt die Schulden zu streichen. Wir haben gute Erfahrungen mit so einer Großdemonstration gemacht, wie sie jetzt in Rostock geplant ist. Als Deutschland 1999 zum bislang letzten Mal einen G-8-Gipfel ausrichtete, konnten wir 40.000 Menschen mobilisieren. 'Kölner Kette' hieß das damals.

Der Druck der Masse ist nötig, um das Thema in der Diskussion zu halten. erlassjahr.de kämpft vor allem gegen das, was wir "illegitime Schulden" nennen. Die hat zum Beispiel Indonesien gemacht: Nach der deutschen Wiedervereinigung kaufte das Land alte Kriegsschiffe und Waffen der NVA. Zur Finanzierung musste Staatschef Suharto Kredite aufnehmen. Das hat eine doppelte Ungerechtigkeit erzeugt: Das Volk zahlt über Steuern die Kredite zurück, außerdem hat die Staatsführung die Waffen gegen Aufständische eingesetzt.''

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Mona Bricke

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Mona Bricke, 40, aus Bonn: "Ich gehöre zum Koordinierungskreis G-8-Protest, der sich schon vor Monaten in Hannover gebildet hat. Viele haben inzwischen eines begriffen: Was die Entwicklung des Weltklimas betrifft, sind wir an einem Scheitelpunkt angelangt. Die vielen Studien der jüngsten Zeit legen den Schluss nahe: Die Menschheit hat nur noch sehr, sehr wenige Jahre, um das Ruder herumzureißen. Mir brennt das auf der Seele!

Wir brauchen ein Zusammenspiel von Demos und Lobbyarbeit, um Druck auf die Politiker auszuüben. Dazu ist es nötig, das Thema in den Herzen der Menschen zu verankern.''

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Judith Engler

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Judith Engler, 26, aus Berlin: "Den G-8-Gipfel kann ich nur eine dreiste Veranstaltung nennen. Wie kann es denn sein, dass sich acht Leute anmaßen, über die Belange von weiten Teilen der Menschheit zu entscheiden? Ich freue mich auf einige Konzerte. Aber nicht Grönemeyer! Mir geht es eher um kleinere Bands, die in den Camps auftreten."

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Andreas Rister

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Andreas Rister, 53, aus Osnabrück: "Ich bin für die Hilfsorganisation terre des hommes nach Rostock gekommen, die seit 40 Jahren Kinder vor allem in der Dritten Welt unterstützt. Was Globalisierung bedeutet, erleben wir in unserer täglichen Arbeit. So werden in Kolumbien Teile der Landbevölkerung vertrieben, um Platz zu schaffen für den Anbau der Palma africana. Das ist eine Ölpflanze, die eine wichtige Zutat für die chemische Industrie liefert.

Die Vertreibungen verlaufen äußerst brutal: Paramilitärs dringen in die Dörfer ein, erschießen die Männer und geben den Familien eine Viertelstunde Zeit zu verschwinden - sonst sind auch die dran. Der Weltmarkt verlangt das. Und den Weltmarkt dominieren die G 8."

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Stefanie Müller*

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Stefanie Müller*, 21, aus Franken: "Wir sind eine Gruppe von Kletterern. Einige sind bei Greenpeace, einige bei Robin Wood. Wir treffen uns ein paarmal im Jahr, um uns über neue Techniken auszutauschen. Am Donnerstag sind wir das Haus der Schifffahrt in Rostock hinaufgeklettert und haben im 9. Stock ein Transparent aufgehängt: "Rüstungsexporte sind keine Entwicklungshilfe - EADS und G 8 stoppen!" In dem Haus hat eine Firma ihren Sitz, die zum EADS-Konzern gehört. Wir sind gegen die G 8, weil sie ein elitärer Klub ist, der Rüstungskonzerne unterstützt.''

(*Name von der Redaktion geändert.)

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Ines Brembach

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Ines Brembach, 38, aus Dargun: "Bei uns in Vorpommern gibt es inzwischen einige Landwirte, die ökologisch arbeiten. Aber die großen Industrienationen, wie sie in Heiligendamm zusammenhocken, zwingen Bauern auf der ganzen Welt aufzugeben. Das gilt sogar für Regionen, in denen sich die Menschen seit ewigen Zeiten selbst versorgt haben.

In Europa will man nur die feinsten Stücke vom Huhn essen, die minderwertigen werden zum Beispiel nach Kamerun exportiert. Dort verdirbt die tiefgefrorene Billigware den Frauen das Geschäft, die ihre Familien mit dem Verkauf von Hühnerfleisch über Wasser halten."

Foto: Bianca Schüler

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