G 7:Jeder für sich

Gemeinsame politische Projekte hatten beim Gipfeltreffen auf Sizilien kaum eine Chance. Interessanter war die persönliche Chemie unter den Regierungschefs.

Von Oliver Meiler, Taormina

G 7: Wie alle derartigen Veranstaltungen war stößt der G-7-Gipfel in Sizilien auch auf Ablehnung: Ein Protestbanner am Rand einer Demonstration in Taormina.

Wie alle derartigen Veranstaltungen war stößt der G-7-Gipfel in Sizilien auch auf Ablehnung: Ein Protestbanner am Rand einer Demonstration in Taormina.

(Foto: Filippo Monteforte/AFP)

Plötzlich hing eine merkwürdige Leere über Taormina. Die ganze Aufregung der vergangenen Tage, Wochen, Monate: Es war, als wäre sie einfach verdunstet in der heißen Nachmittagssonne über dem wellenfreien Ionischen Meer. Normalerweise ist es ja so, dass es nach multilateralen Treffen wie diesem G-7-Gipfel auf Sizilien gemeinsame Pressekonferenzen gibt. Das Publikum kann dann noch einmal an Gesten und Blicken ablesen, wie das Befinden ist. Seit nun neuerdings auch Handshakes einen übergeordneten Stellenwert erlangt haben, ist die Deutung der Körpersprache noch wichtiger geworden.

Diesmal aber gab es keinen gemeinsamen Auftritt, nicht einmal im kleineren Format, zu zweit etwa. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und der amerikanische Präsident Donald Trump, zweifellos die beiden Hauptakteure, hätten sich zusammen zeigen können. Ob das je so geplant gewesen war, ist nicht klar. Die Italiener aber hätten sich gewünscht, dass da von hoher Stelle zum Schluss auch noch etwas Lob und Preis gekommen wäre für ihre Bemühungen um Harmonie, für die Beherbergung, für die gebotene Bellezza insgesamt, von der man durchaus hätte denken können, sie stimme den einen oder anderen Gast unverhofft sanft.

Es sollte nicht sein. Kaum war der Gipfel offiziell zu Ende, die letzten Bilder geschossen, traf Merkel die deutsche Presse im kleinen Rahmen zum kurzen Austausch. Sie fand von allen sieben Leadern die deutlichsten Worte über die kleinen und größeren Enttäuschungen des Treffens. "Sehr unzufriedenstellend" nannte sie das vorläufige Scheitern in der Klimafrage. Dann flog sie nach Hause. Trump machte sich nur wenig später auf nach Sigonella, dem US-Luftwaffenstützpunkt bei Catania, wo seine Air Force One bereitstand für die Heimreise. In einem Hangar hatten sie eine Bühne aufgestellt, dahinter hing eine gigantische amerikanische Landesflagge. Das Publikum: begeisterte Soldaten. Trump erzählte ihnen, er habe großartige Gespräche geführt auf seiner ersten Auslandsreise und dabei nicht minder großartige Fortschritte erzielt - für das Land, für die Heimat. Es hatte also den Anschein, als sei er sehr zufrieden.

Emmanuel Macron zeigte Interesse an einer Mittlerrolle zwischen Merkel und Trump

Die Geschichte wird Taormina jedoch als kleinen Gipfel in Erinnerung behalten. Der Konsens der G 7 war so minimal, wie er es seit vielen Jahren nicht war. Überhaupt fragt sich, ob er jemals kleiner war. Neben den vorläufig fruchtlosen Diskussionen über das Pariser Klimaabkommen waren auch jene zu den Handelsfragen eine mühselige Angelegenheit. Trumps Linie, die amerikanische Wirtschaft möglichst vor der Konkurrenz aus dem Ausland zu schützen, die Doktrin von "America first", verträgt sich nun mal nicht mit dem alten, vermeintlich unverrückbaren Freihandels-Credo der G 7. Trump ist ein Nationalist und Protektionist. Dass er am Ende dennoch zugelassen hat, den "Kampf gegen den Protektionismus" in das Abschlussdokument aufzunehmen, gilt als kleines Wunder. Es bewahrte den Gipfel vor dem totalen Desaster. Was der Passus aber tatsächlich wert ist, wurde weniger klar.

So richtig einig waren sich die Sieben eigentlich nur auf einem Gebiet, auf dem man kaum uneins sein kann: im Kampf gegen den Terrorismus. In einer gemeinsamen Erklärung heißt es unter anderem, die großen sozialen Netzwerke und Internetplattformen müssten fortan dafür sorgen, dass keine radikalislamistische Hass- und Rekrutierungspropaganda mehr verbreitet werde. Wie genau, ist ein Rätsel. Nur sehr dürftig interessierten sich die Partner aus Übersee für das große Anliegen der Italiener: Die Gastgeber hatten gehofft, man könnte gemeinsam über Lösungen für den würdigen Umgang mit den vielen Flüchtlingen nachdenken, die über die zentrale Mittelmeerroute kommen. Doch für die USA sind das europäische Probleme. Trump, der in fast jedem Migranten einen potenziellen Terroristen sieht, ist wohl ohnehin der falsche Ansprechpartner. Am Ende standen im Kommuniqué nur zwei allgemein gehaltene Absätze zur "Human Mobility", der menschlichen Mobilität. Italiens Premier Paolo Gentiloni versteckte seine Enttäuschung nicht.

Erstaunlich gut gelaunt war hingegen Emmanuel Macron, Frankreichs frisch gewählter Präsident und Gipfelneuling. Und da er unbedingt darüber reden wollte, lud Macron Journalisten aus allen G-7-Ländern in eine kleine entweihte Kirche im Zentrum von Taormina ein, da saß Merkel schon im Flugzeug.

Er kam zu Fuß, leicht und lachend, ließ zu, dass Passanten Selfies mit ihm machten, küsste, herzte, winkte. Bemerkenswert war aber vor allem, wie er Trump beschrieb. In schneller Folge reihte er Adjektive aneinander, von denen manche nicht mit dem Subjekt zu korrespondieren schienen: Trump, sagte Macron, sei eine starke, aufmerksame, direkte, entschlossene Persönlichkeit. Und offen, pragmatisch, realistisch. "Wir haben einander nicht nur sehr energisch die Hand geschüttelt", sagte er, "sondern uns auch tief in die Augen geschaut." Er, Macron, sei deshalb optimistisch, dass man sich schon finden werde.

Es hörte sich so an, als sähe sich der junge Franzose ganz gern in der Rolle des Mittlers zwischen Merkel und Trump, als Brückenkopf zwischen den Antipoden. Das mag nur ein Eindruck sein, doch der füllte die große Leere nach dem Gipfel wenigstens ein bisschen.

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