Süddeutsche Zeitung

G-7-Gipfel:Alle gegen Trump

  • Beim G7-Gipfel gibt es erhebliche Differenzen, das Verhalten Trumps lässt Zweifel am Sinn derartiger Treffen aufkommen.
  • Die Teilnehmer bemühen sich aber bis zuletzt, wenigstens ein gemeinsames Kommuniqué zu Stande zu bringen.
  • Der US-Präsident hat den Gipfel früher verlassen und schwänzt die Beratungen über die Klimapolitik.

Von Robert Roßmann, La Malbaie

Beim G7-Gipfel in Kanada bemühen sich die Teilnehmer, den offenen Bruch abzuwenden. Wegen erheblicher Differenzen ist weiterhin unklar, ob sich die Staats- und Regierungschefs am heutigen Samstag auf ein gemeinsames Abschluss-Kommuniqué verständigen können. Vor allem der Handelsstreit, den US-Präsident Donald Trump angefacht hat, sorgt in La Malbaie für Differenzen, wie es sie in der Geschichte der G7 lange nicht mehr gegeben hat. Bundeskanzlerin Angela Merkel sah sich angesichts des Streits mit Trump bereits genötigt, prinzipielle Zweifel am Sinn der G7 zu zerstreuen. Merkel sagte, es sei doch "auch ein Zeichen der Ehrlichkeit", wenn man sich "bei offener Diskussionskultur nicht in allen Fragen einigen" könne. Außerdem mache es keinen Sinn, Konflikte "zuzukleistern".

Doch in Kanada geht es um nicht weniger als die Frage, ob der Multilateralismus noch eine Chance hat - und ob die G7 noch stark genug sind, sich gegen die neuen Hausforderungen, wie den expansiven Kurs Chinas, zu behaupten. Trumps eigenmächtiges Vorgehen, seine Abscheu vor dem Multilateralismus - also dem gemeinsamen Lösen von Problemen - machen auch in der G7 vielen Sorgen. Wie groß der Unmut ist, zeigte sich bereits in der Nacht vor dem Gipfel. Da twitterte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der bisher ein besseres Verhältnis als Merkel zu Trump hatte, erbost: "Dem amerikanischen Präsidenten mag es egal sein, wenn er isoliert ist - genauso wenig aber macht es uns etwas aus, eine Vereinbarung von sechs Ländern zu unterzeichnen, wenn die Notwendigkeit dazu besteht."

In La Malbaie bemühten sich Macron und Trump dann jedoch wieder um ein besseres Verhältnis. Nach einem Treffen der beiden Präsidenten machte Trump sogar Hoffnung, dass es doch noch eine Annäherung geben könnte. "Etwas wird passieren. Ich denke, es wird sehr positiv sein", sagte Trump. "Die Dinge bewegen sich", bestätigte Macron. Ob das allerdings ausreicht, um sich tatsächlich auf ein Kommuniqué zu verständigen, ist unklar. In der deutschen Delegation sind die Zweifel groß. Denn es geht ja nicht nur um den Handelsstreit, sondern auch um das von den USA aufgekündigte Atomabkommen mit Iran, den Klimaschutz und das Verhältnis zu Russland.

Der US-Präsident hatte vor seinem Abflug nach Kanada überraschend gefordert, Russland wieder in die G7 aufzunehmen. "Sie haben Russland ausgeschlossen, sie sollten Russland wieder aufnehmen", sagte Trump. Da der neue italienische Ministerpräsident Giuseppe Conte daraufhin twitterte, er stimme dem US-Präsidenten zu, eine Rückkehr Russlands liege "im Interesse aller", gab es bei den anderen Europäern die Befürchtung, es mit einer abgesprochenen Aktion zu tun zu haben. Conte ist Regierungschef einer Koalition aus der in Teilen rechtsradikalen Lega und der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung. Und Lega-Chef Matteo Salvini ist nicht nur politischer Freund Marine Le Pens, sondern auch ein Bewunderer Wladimir Putins.

G5+2? Italien schwenkt noch um

Merkel schließt - wie die anderen Europäer - eine Rückkehr Russlands wegen der Annexion der Krim vehement aus. Der G7-Gipfel sei ein Format, bei dem sich "Staats- und Regierungschefs treffen, die geeint sind durch gemeinsame Werte wie Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Achtung der Menschenrechte", findet die Kanzlerin. Ein Ausscheren Italiens in dieser Frage hätte bedeutet, dass aus der G7 in La Malbaie nicht nur eine G6+1, sondern sogar eine G5+2 geworden wäre.

Bei einem Treffen der europäischen Gipfel-Teilnehmer in La Malbaie soll Conte dann allerdings zurückhaltender aufgetreten sein. Er habe seine Forderung "nicht kraftvoll" und vager als in seinem Tweet vertreten, hieß es. Conte habe vor allem darauf gedrungen, dass es einen stärkeren Dialog mit Russland geben müsse. Merkel habe dann auf ihre vielfältigen Kontakte zu Putin und die zahlreichen anderen Gesprächsformate mit Russland verweisen können.

Bei dem Treffen der Staats- und Regierungschefs aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien sei es die "gemeinsame Meinung" gewesen, dass Russland nicht wiederaufgenommen werden solle, sagte Merkel anschließend. Es habe Einigkeit geherrscht, dass "eine Rückkehr Russlands zum G7-Format nicht erfolgen kann", solange keine "substanziellen Fortschritte" zur Lösung des Ukraine-Konflikts erreicht würden.

Auch der Gastgeber des Gipfels, Kanadas Premier Justin Trudeau, machte in La Malbaie klar, dass er gegen eine Rückkehr Russlands ist. Kanadas Außenministerin Chrystia Freeland sagte, es gebe "keine Grundlage dafür, Russland mit seinem aktuellen Verhalten zurück in die G7 zu bringen". Was die Intention Trumps war, blieb zunächst unklar. Auch Mitglieder seiner eigenen Delegation zeigten sich überrascht von seinem Vorstoß. Der sei "nicht etwas Geplantes" gewesen.

Der US-Präsident blieb in der Russland-Frage auf dem Gipfel also isoliert. Aber auch dieses Thema offenbarte, wie groß die Spaltung zwischen den USA und den anderen G7-Mitgliedern inzwischen ist. Und vor allem für Merkel war der Vorstoß von Trump ein Affront. Die Kanzlerin ist in den vergangenen Jahren in dieser Frage so etwas wie die Wortführerin der Europäer gewesen.

Bezeichnend für das schlechte Verhältnis zwischen Deutschland und den USA ist auch, dass Merkel in Kanada mit allen anderen Staats- und Regierungschefs zu Einzelgesprächen zusammen kam, nur mit Trump nicht. Das einzige Vier-Augen-Gespräch zwischen den beiden gab es nach dem gemeinsamen Familienfoto der Staats- und Regierungschefs. Da nahm Merkel Trump kurz zur Seite, aber das Gespräch dauerte nur gut eine Minute - und über den Inhalt wurde zunächst nichts bekannt. Dass sich die beiden dabei nicht näher kamen, zeigte der weitere Verlauf.

Bei der ersten Begegnung der Staats- und Regierungschefs in La Malbaie ging es vor allem um den Zustand der Weltwirtschaft. Das Treffen verlief noch vergleichsweise friedlich. Der Italiener Conte berichtete, wie seine frisch gebildete Regierung zu agieren gedenkt. Und Trump verkündete stolz gute Wachstumszahlen aus den USA. Mehr als vier Prozent Wachstum gebe es in seinem Land im ersten Quartal, prahlte der Präsident.

"Robuste" Gespräche

Trudeau, der als Gastgeber die Gesprächsführung hatte, führte das strittige Thema Handel und Zölle erst bei der zweiten Sitzung ein. Da kam es zur erwarteten Konfrontation. Die Hinweise der Europäer und Trudeaus, nichts gefährde das amerikanische Wachstum mehr als der neue Handelskrieg, der durch Trumps Strafzölle droht, zeigten bei dem US-Präsidenten keine Wirkung. "Robust" sei es bei dem Gespräch zugegangen, hieß es anschließend. Auch hier habe es Sechs zu Eins gestanden. Trump habe derart gefestigte Sichtweisen, zeige derart wenig Bereitschaft, sich auf Argumente einzulassen, dass eine Weiterentwicklung nicht zu erwarten sei, hieß es in der deutschen Delegation. Vor allem betrachte der US-Präsident jede unausgeglichene Handelsbilanz als "eine offene Rechnung", seiner Ansicht nach schulde die EU den USA dieses Jahr also gut 150 Milliarden Euro - so groß ist der europäische Handelsüberschuss.

Dass Handel, zumindest wenn er fair und frei von statten gehe, aber keine win-lose-, sondern eine win-win-Situation für beide Seiten sei, das sei Trump nicht klar zu machen. Auch die Hinweise auf die enormen deutschen Investitionen in den USA, etwa in Auto-Werke, hätten nicht verfangen. EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker wies darauf hin, dass europäische Unternehmen für mehr als 70 Prozent der ausländischen Direktinvestitionen in den USA verantwortlich seien. Der Handel zwischen den USA und der EU habe in den Vereinigten Staaten bereits 6,9 Millionen Jobs geschaffen, auf EU-Seite dagegen nur 4,7 Millionen. Auch Junckers Vorstoß blieb erfolglos.

Klimaschutz ist Trump offenbar egal

Beim dritten Gespräch ging es dann um die Außenpolitik. Trump hatte mit der Aufkündigung des Atom-Abkommens mit Iran die Europäer genau so provoziert wie mit seinem Russland-Vorstoß. In der Außenpolitik gibt es allerdings weiterhin auch Übereinstimmungen - etwa bei der Terrorbekämpfung, beim Umgang mit China, beim Vorgehen in Afghanistan, beim Wunsch, Iran aus Syrien heraus zu drängen, sowie im Umgang mit Nordkorea. Dabei wurde klar, wie groß die Sorge des japanischen Premierministers Shinzo Abe ist, dass es bei Trumps Treffen mit Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un am Dienstag vor allem um schöne Bilder und Botschaften gehe. Der Druck auf Nordkorea dürfe nicht nachlassen, findet Abe. Und es müsse konkrete Beschlüsse geben, die zur Abschaffung der Atomwaffen führten.

In diesem Punkt gelang in La Malbaie eine Verständigung. Nach Angaben von Diplomaten unterstützen alle G7-Teilnehmer die von Trump und Abe vorgestellten Bemühungen für eine unumkehrbare atomare Abrüstung der koreanischen Halbinsel.

Am Samstag trafen sich die Staats- und Regierungschefs zunächst mit dem Gender Equality Advisory Council, um über die Gleichberechtigung von Frauen zu reden. Das Thema ist einer der Schwerpunkte der kanadischen G7-Präsidentschaft. Trudeau sagte, die Gleichberechtigung der Geschlechter müsse bei allem berücksichtigt werden, was die Gruppe mache. Trump kam zu spät zu dem Treffen.

Am zweiten und letzten Gipfeltag stehen außerdem die Klimapolitik und der Schutz der Ozeane auf der Tagesordnung. Bevor die Debatten darüber starteten, verließ der US-Präsident den Gipfel jedoch vorzeitig. Das zeigt, wie egal ihm auch dieses Welt-Thema ist.

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