China und die USA testen an diesem Montag zum ersten Mal seit Ausbruch der Corona-Pandemie die Belastbarkeit ihrer Beziehungen, wenn die Präsidenten beider Länder zu einem direkten Gespräch aufeinandertreffen. Die Begegnung im Vorfeld des G-20-Gipfels findet unter dem Eindruck wachsender Spannungen zwischen den beiden Supermächten und des Krieges in der Ukraine statt.
Der indonesische Präsident Joko Widodo warnte als Gastgeber des Gipfels davor, dass die Region zwischen die Fronten der beiden Großmächte geraten könnte. Die Asean-Staaten müssten eine friedliche Region und Anker für globale Stabilität sein, sagte Widodo in Kambodschas Hauptstadt Phnom Penh am Rande des vorgeschalteten Gipfels der Staatengruppe.
Auch Russland meldete sich kurz vor dem G-20-Gipfel zu Wort, an dem Präsident Wladimir Putin nach langen Spekulationen nicht teilnehmen wird. Außenminister Sergej Lawrow setzte den Ton in einer Attacke gegen den Westen und warnte vor einer Militarisierung Südostasiens, um russische und chinesische Interessen in der Region einzuschränken. "Die Vereinigten Staaten und ihre Nato-Verbündeten versuchen, diesen Raum zu beherrschen", sagte Lawrow am Sonntag. Die USA strebten "die Militarisierung dieser Region mit einem offensichtlichen Fokus auf der Eindämmung Chinas und der Eindämmung russischer Interessen im Asien-Pazifik-Raum" an. Gleichzeitig warnte Lawrow vor einer Debatte über den Ukraine-Krieg. "Das wäre ein Eingriff in das Mandat des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen", der die G-20-Beratungen stören würde.
Ungeachtet der Mahnung werden der Krieg und die Spannungen zwischen den USA und China durchaus im Mittelpunkt der Xi-Biden-Begegnung an diesem Montag und des G-20-Gipfels am Dienstag und Mittwoch stehen. US-Präsident Joe Biden und Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping werden am Retorten-Ort Nusa Dua direkt miteinander sprechen - zuletzt hatten sie sich persönlich getroffen, als Biden noch Vizepräsident war. Für den Ausrichter Indonesien und dessen Präsidenten Joko Widodo gilt diese Begegnung schon als Erfolg.
Wie friedlich es in den Verhandlungssälen zugehen wird, muss sich freilich zeigen. Wegen der Teilnahme des russischen Außenministers entfällt vermutlich das symbolisch wichtige Gruppenfoto. Das G-20-Treffen steht unter dem Motto der wirtschaftlichen Erholung nach den Lockdowns der Covid-Pandemie.
Biden will den Einfluss der USA stärken
Der US-Präsident besuchte zuvor den Klimagipfel in Scharm el-Sheich und das Asean-Treffen in Phnom Penh, das erneut ohne Myanmars Junta stattfand. Biden lobte in einem Versprecher das Gastgeberland "Colombia" - jenseits des Versprechers war allerdings wichtig, dass das US-Militär ein Faktor in den Konflikten mit China im Südchinesischen Meer bleibt. Das betrifft die Asean-Mitglieder Vietnam und Philippinen, die unter Chinas raumgreifender Nachbarschaftspolitik leiden. Biden versucht, den Einfluss der USA wieder zu stärken, nachdem einige G-20-Mitglieder, beispielsweise Indien, den fatalen Abzug der Truppen aus Afghanistan als Beweis der Unzuverlässigkeit der Regierung in Washington werten.
Auch Indiens Präsident Narendra Modi wird am Montag in Nusa Dua erwartet. Er reist ebenso mit Rückenwind an wie der amerikanische Wahlgewinner Biden: Indien hat die einstige Kolonialmacht Großbritannien im September vom fünften Platz der größten Wirtschaftsmächte der Welt verdrängt. Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich ebenfalls schon vor dem G-20-Gipfel zu einer Asien-Tour aufgemacht. Er besuchte Vietnam und die Asien-Pazifik-Konferenz der deutschen Wirtschaft in Singapur.
Deutschland, Frankreich, Italien und die ebenfalls als Mitglied in den G 20 vertretene EU werden beim Gipfel wieder für Sanktionen gegen Russland werben. China und Indien, die gemeinsam eine Bevölkerung von 2,8 Milliarden Menschen haben, werden das anders sehen. Sie sind derzeit die größten Abnehmer russischer Energie. Putin wird also sehr präsent sein auf diesem Gipfel. Auch wenn er nicht kommt.