Süddeutsche Zeitung

G-20-Treffen:Stellungskämpfe im Handelskrieg

Da die Weltwirtschaft schwächelt, sollen nationale Interessen eingedämmt werden.

Von Michael Bauchmüller und Cerstin Gammelin, Berlin

Die USA gegen China, Europa gespalten und die Bundesregierung mit sich selbst beschäftigt. In genau diesem Klima werden die Bundesminister Peter Altmaier (CDU) und Olaf Scholz (SPD) in den kommenden Tagen nach Japan reisen, um im Kreise der zwanzig größten Industrie- und Schwellenländer über Handelsverträge, Steuern für Digitalkonzerne und das weltweite Wachstum zu beraten. Eine Woche, nachdem Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) das Hohelied auf den Multilateralismus gesungen hatte, mühen sich ihre Minister jetzt in der Ebene.

Vor der Abreise ist klar: Die Stimmung dort ist ähnlich schlecht wie in der großen Koalition. Man weiß nicht, zu welchen Ergebnissen die G-20-Treffen führen werden. Weder bei den Finanzministern noch bei den für Wirtschaft und Handel zuständigen Ressortkollegen ist klar, ob und in welcher Länge es Abschlusserklärungen geben wird, in denen sich die zwanzig Staaten zur gemeinsamen Zusammenarbeit bekennen. Offenbar sind auch die Europäer nicht zu jedem Kompromiss bereit. Die EU pocht nach Angaben aus Verhandlungskreisen darauf, dass der Multilateralismus explizit Eingang in die Erklärung findet. Auch müssten sich alle Handelsabkommen dem Recht der Welthandelsorganisation WTO unterordnen. Lauter Fragen, die mit den USA derzeit schwierig sind.

Auch der Konflikt über die WTO-Regeln zur Streitbeilegung dürfte das Treffen überschatten. Die USA verhindern derzeit die Besetzung freier Richterposten für die Berufungsinstanz der WTO, was die Beilegung von Handelsstreits absehbar lähmen wird. Bei den G20 könnte dieser Streit eskalieren. Manche Beobachter fühlen sich bereits an eskalierende Schulhofschlägereien erinnert.

Wenn es gut läuft aus Sicht der Bundesregierung, wird man sich gegenseitig versichern, fair miteinander zu handeln. Und, dass die gegenwärtigen "Spannungen im Welthandel" das weltweite Wachstum nicht beeinträchtigen sollen. Wenn es schlecht läuft, gibt es gar kein Bekenntnis.

Frankreich will seine Landwirte schützen, Deutschland seine Autobauer

Für die Bundesrepublik steht viel auf dem Spiel. Das Wirtschaftswachstum ist eingebrochen, statt 1,8 Prozent werden für dieses Jahr nur noch 0,5 Prozent, bezogen auf das Bruttosozialprodukt, vorausgesagt. Der heftige Streit der USA mit China hat die Weltwirtschaft gebremst, was exportorientierte deutsche Konzerne spüren. Die Bundesregierung versucht zu beruhigen. "Die Situation ist noch nicht so, dass global nach Konjunkturpaketen gerufen wird, um das geringe Wachstum zu kompensieren", verlautet am Dienstag aus Regierungskreisen. Scholz versichert, dass die Ursachen für das langsamere Wachstum "menschengemacht" seien, also eben auch wieder beseitigt werden könnten.

Die Hoffnung, dass der Handelskrieg schnell beendet werden kann, ist etwa so berechtigt wie die der SPD, die nächste Bundestagswahl zu gewinnen. Oder die der CDU, den Grünen die Klimakompetenz streitig zu machen. Ein Handelsabkommen der Europäer mit den USA ist nicht in Sicht, auch, weil sich die Europäer schwertun, sich auf ein gemeinsames Mandat zu einigen. Die Interessen waren schon immer unterschiedlich - Frankreich will seine Landwirte schützen, Deutschland seine Autobauer. Aber inzwischen ist die von US-Präsident Donald Trump praktizierte Politik des National First auch in Europa angekommen. Angesichts einer US-Politik, die einzelne Länder gegeneinander ausspielt, fällt den Hauptstädten schwerer, nationale Interessen mit europäischen abzugleichen. Mit der Folge, dass Firmen verunsichert sind. Sie stellen Investitionen zurück, warten ab.

Besonders kompliziert ist es, sich auf die Besteuerung der großen Digitalkonzerne zu einigen. US-Firmen wie Apple und Google drücken ihre Steuerlast, indem sie Gewinne in Niedrigsteuerländer verlagern. Offen ist auch, wie Daten besteuert werden. Deutschland hat eine europäische Digitalsteuer bislang ausgebremst; man fürchtet Vergeltungsmaßnahmen von Trump, etwa gegen die deutsche Autoindustrie. Scholz treibt eine Verständigung auf der Ebene der großen Industrieländer, der OECD, voran, bei der die USA mitmachen. Gleichzeitig aber führen einzelne europäische Länder nationale Digitalsteuern ein, etwa Frankreich und Spanien. Bei den G-20-Treffen wird man absehen können, wie die Amerikaner darauf reagieren.

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SZ vom 05.06.2019
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