Der Syrien-Konflikt könnte beim G-20-Gipfel in St. Petersburg zum beherrschenden Thema werden: Kurz vor Beginn zweifelt Gastgeber Wladimir Putin weiter an, dass Truppen von Syriens Machthaber Baschar al-Assad hinter dem mutmaßlichen Giftgasangriff stecken. Er fordert vom Westen klare Beweise.
Bislang hat Moskau im UN-Sicherheitsrat jedes härtere Vorgehen gegen Assad blockiert. Putin bezeichnete die Giftgasvorwürfe an das Regime in Syrien am Mittwoch erneut als "Unsinn". Es sei viel logischer, dass die "in Bedrängnis geratenen" Aufständischen Giftgas angewendet hätten. Er warnte die USA vor einer Militäraktion gegen Syrien, Russlands Verbündeten.
US-Präsident Barack Obama hatte zuvor aus dem Senat Unterstützung für einen möglichen Militärschlag bekommen. Eine Abstimmung in beiden Kongresskammern über einen Kriegseinsatz wird nicht vor kommender Woche erwartet.
Der Syrien-Konflikt steht eigentlich nicht auf der offiziellen Tagesordnung, wird aber am Rande des Treffens der Staats- und Regierungschefs der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) wohl die dominierende Rolle spielen. Der Westen will dabei versuchen, Russland und China von ihrer Blockadehaltung abzubringen. Die Augen richten sich vor allem auf Gastgeber Putin.
Parallel zum G-20-Gipfel, der am Donnerstag beginnt, läuft die Auswertung von Proben, die ein UN-Team an den Orten des mutmaßlichen Angriffs gesammelt hat. Daran ist auch ein deutsches Institut beteiligt: Experten des Wehrwissenschaftlichen Instituts für Schutztechnologien und ABC-Schutz (WIS) sollen Erkenntnisse darüber gewinnen, ob tatsächlich Giftgas eingesetzt wurde oder nicht.
In einem Interview der US-Nachrichtenagentur AP und des russischen Staatsfernsehens kündigte Putin eine "angemessene Reaktion" an, falls es Beweise für den Einsatz von Giftgas gibt. "Wenn objektive Angaben darüber vorliegen, wer diese Verbrechen begangen hat, werden wir reagieren. Aber es wäre unkorrekt zu sagen, wir werden dann dies oder jenes tun."
Chronologie der Ereignisse in Syrien:Wie sich Assad an der Macht hält
Mit Hoffnung auf Reformen begannen nach den Umwälzungen in Tunesien und Ägypten im Jahr 2011 die Proteste in Syrien. Doch der Konflikt zwischen Oppositionellen und Präsident Assad ist zum Bürgerkrieg geworden. Gekämpft wird auch mit Giftgas. Die Vernichtung seiner Chemiewaffen könnte Assad vor einem Militärschlag der USA bewahren. Die Eckpunkte des Konflikts im Überblick.
Zu Videos von mutmaßlichen Giftgasopfern sagte das russische Staatsoberhaupt: "Dies sind furchtbare Bilder. Sie geben aber keine Antworten auf die Fragen, die ich gestellt habe."
Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht offenbar nur wenig Chancen, dass in St. Petersburg eine gemeinsame Haltung zum Syrien-Konflikt gefunden wird. "Es sieht derzeit sehr wenig nach einem russischen Einlenken dabei aus", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Merkel lehnt eine Beteiligung der Bundeswehr ab. Das Auswärtige Amt kündigte an, auch Außenminister Guido Westerwelle werde Merkel nach Russland begleiten, um dort mit einigen Kollegen am Rande über das Syrien-Thema zu sprechen.
Die USA gehen sicher davon aus, dass Assad den Angriff vor zwei Wochen mit angeblich mehr als 1400 Toten zu verantworten hat. "Wir sind sehr davon überzeugt, dass Chemiewaffen angewandt wurden und dass Herr Assad die Quelle dafür ist", bekräftigte Präsident Obama am Mittwoch in Stockholm. Bei der Antwort auf den Konflikt in Syrien steht nach Auffassung von US-Präsident Barack Obama die Glaubwürdigkeit der internationalen Gemeinschaft auf dem Spiel.
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon lehnt einen Militärschlag ab
Auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon will auf dem Gipfel mit den Staats- und Regierungschefs über Syrien beraten. Er lehnt einen Militärschlag weiter ab. "Wir sollten eine weitere Militarisierung des Konflikts vermeiden und anstelle dessen die Suche nach einer politischen Lösung wieder vorantreiben", sagte Ban am Dienstagabend bei einer Pressekonferenz in New York. Er betonte zugleich, dass jede Entscheidung für einen Militärschlag völkerrechtlich von einem UN-Mandat gedeckt sein müsse. Sollten sich die Berichte über einen Einsatz von Giftgas im Großraum Damaskus vor zwei Wochen bestätigen, müsse der UN-Sicherheitsrat geschlossen zu einer angemessenen Reaktion finden, sagte Ban.
Obama will in St. Petersburg nochmals um internationale Unterstützung für seine Pläne werben. Spekuliert wird seit vergangener Woche über einen begrenzten Angriff von zwei oder drei Tagen Dauer. Der britische Premierminister David Cameron hatte sich im Parlament dafür jedoch eine Abfuhr geholt. In Frankreich wollte sich am Mittwoch die Nationalversammlung damit befassen. Staatspräsident François Hollande ist bei seiner Entscheidung ebenso wie Obama nicht ans Parlament gebunden.
Trotz der Absage eines persönlichen Treffens wies Putin Befürchtungen eines schlechten Verhältnisses zu seinem US-Kollegen ab. Obama sei ein "sehr guter Gesprächspartner", sagte Putin in einem am Mittwoch ausgestrahlten Interview mit dem russischen TV-Sender Perwy Kanal. Es sei "einfach, mit ihm zu sprechen, weil seine Position klar ist", führte Putin aus.