Im Protestcamp in Entenwerder schrieb jemand vor einigen Tagen auf einen Zettel: "Dudde is n Kacklappen." Mit zwei Klebestreifen pinnte dieser Jemand den Zettel feinsäuberlich an eine Informationstafel. Damit nur ja alle Bescheid wissen, wie hier die Haltung ist. Man kann sagen: Hartmut Dudde hatte unter den Gegnern des G-20-Gipfels in Hamburg schon vorher einen Ruf. Die Einstellung ihm gegenüber schwankte zwischen Abscheu und Bange. Hinterher dürfte das nicht anders sein.
Hartmut Dudde, 54, ist der Gesamteinsatzführer der Hamburger Polizei für den G-20-Gipfel. Er hat zusammen mit Innensenator Andy Grote von der SPD die Strategie der inzwischen mehr als 20 000 Beamten in der Stadt zu verantworten. Und nachdem die Lage in der Nacht zum Samstag völlig eskaliert ist, es zu Straßenschlachten, Plünderungen, brennenden Autos und Läden kam, die Verletzten auf beiden Seiten gezählt werden, wird nun über diese Strategie diskutiert. Hat sie Schlimmeres verhindert? Oder hat sie die Konfrontation auch noch angefacht?
G-20-Gipfel in Hamburg:"Super Idee, das hier zu machen"
Brennende Autos, Verletzte und eine Stadt im Ausnahmezustand. Nach Tagen der Krawalle fühlen sich Hamburgs Bürger bestätigt: Den G-20-Gipfel hier auszurichten, war von Anfang an eine Schnapsidee.
Es begann eben in Entenwerder, wo die Polizei am vergangenen Sonntag recht rabiat das Camp räumte. Die G-20-Gegner hatten Schlafzelte aufgestellt, und das sei laut einer Verfügung nicht erlaubt gewesen, begründete die Polizei ihr Vorgehen. Hinterher mussten Gerichte feststellen, ob der Einsatz rechtskonform war. Am Ende erlaubte das Oberverwaltungsgericht 300 Zelte à zwei Personen.
Es war ein Einsatz, wie er typisch ist für Dudde und seine sogenannte "Hamburger Linie". Die besagt, dass bei kleinsten Verstößen gegen Gesetze oder Auflagen sogleich ordentlich durchgegriffen wird. Damit soll etwa bei Demonstrationen den Leuten klargemacht werden, dass sie nicht den kleinsten Spielraum haben, sich daneben zu benehmen. Für den G-20-Gipfel sollte das heißen: Wenn ihr Randale machen wollt, braucht ihr gar nicht erst anzureisen.
Insofern war der Einsatz am Donnerstagabend bei der Kundgebung "Welcome to Hell" nur konsequent. Überraschen konnte es jedenfalls nicht, dass die Polizei den Demonstrationszug stoppte, als sich im sogenannten Schwarzen Block einige Tücher vor das Gesicht zogen. Das fällt unter das Vermummungsverbot und ist eine Straftat. Die Beamten forderten die Protestierer auf, die Tücher zu entfernen, und als das nicht schnell genug geschah, gingen sie mit Wasserwerfern und Gewalt gegen den Zug vor. Wehret den Anfängen! Es ist eine Art Erstschlag-Taktik, Deeskalation durch Macht-Demonstration.
Mit Demonstration der Stärke hatte Hartmut Dudde schon vor dem Gipfel in Hamburg gearbeitet. Es sollten keine Missverständnisse entstehen. "Sie werden das gesamte Polizei-Equipment hier in Hamburg sehen", hatte Dudde auf einer Pressekonferenz erklärt, "wenn es geht, möglichst zurückhaltend. Wenn wir es komplett brauchen, packen wir es eben alles aus." Was genau die Polizei zu bieten habe, interessierte die Gemeinde so sehr, dass sie im Internet bei Twitter einen von Stefan Raab abgeleiteten Hashtag "waddehaddeduddeda" einführte. Mit Ironie gegen den großen Gegner.
G-20-Gipfel:Ein neuer Tag der Kontraste in Hamburg
Parallel zu den Verhandlungen der Regierungschefs versucht die Stadt, sich von einer Nacht der Gewalt zu erholen - und erlebt neue Demonstrationen. Die Bilder.
Dudde wird intern sehr geschätzt, er hat in den 30 Jahren seiner Laufbahn auch ordentlich Karriere gemacht. Als der Rechtspopulist und frühere "Richter Gnadenlos" Ronald Schill Innensenator war, wurde Dudde zum Leiter der Bereitschaftspolizei berufen, nach Ansicht vieler Kritiker hat das den Weg vorgegeben. Mehrfach wurden Einsätze unter der Leitung Duddes im Nachhinein von Gerichten kritisiert oder gar als rechtswidrig eingestuft. Allerdings stieg er auch unter CDU und SPD immer weiter auf, auch diese Parteien wollten nicht mehr hinter die Linie zurück, dass in Hamburg Recht und Ordnung herrschen solle. Dafür sollte Dudde stehen, dafür hat der Polizist auch oft den Kopf hingehalten.
Wer nun die Verantwortung für die schockierende Gewaltwelle in Hamburg übernehmen soll, werden die nächsten Tage zeigen. Der Kampf um die Deutungshoheit ist in vollem Gange. So schrieb Katja Kipping von der Linken bei Facebook: "Die Polizeiführung lässt ihre Hundertschaften mit schwerem Gerät durch die Straßen der Hansestadt marodieren und schikaniert Menschen, die es wagen, Bier zu trinken oder im Zelt zu schlafen. Die Eskalation geht eindeutig von den Behörden aus." Vertreter von Protest-Plattformen fordern Rücktritte, gerade auch von Dudde. Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz von der SPD sagte dagegen: "Hochaggressive, gewalttätige Straftäter bringen Sicherheitskräfte in Bedrängnis und fordern unsere offene Gesellschaft in einer Weise heraus, die für niemanden akzeptabel sein kann." Auch Polizeipräsident Ralf Meyer verteidigte den Einsatz: Er sei sich "absolut sicher", dass dieser verhältnismäßig gewesen sei.
Hartmut Dudde übrigens hat sich trotz aller Kritik und Feindbild-Rhetorik noch nie aus der Bahn bringen lassen. Im April erlitt er einen Herzinfarkt. Wie das Hamburger Abendblatt berichtete, meldete er sich nach fünf Fehltagen wieder zum Dienst. Er habe seine Kollegen nicht alleine lassen wollen.