G-20-Gipfel:Hamburg rüstet sich für eine Woche Wut

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Eine Stadt bereitet sich vor: Am Sonntag geht der G-20-Gipfel in Hamburg los - es werden Tausende Demonstranten erwartet. (Foto: AFP)
  • Seit eineinhalb Jahren proben Sicherheitsleute für den G-20-Gipfel, den bislang teuersten Polizeieinsatz in der Geschichte Hamburgs.
  • "Sie werden das gesamte deutsche Polizeiequipment hier sehen", kündigt Gesamteinsatzführer Hartmut Dudde an.
  • Nicht nur die linke Bürgerschaftsabgeordnete Cansu Özdemir wittert dahinter "Abschreckung und Einschüchterung um fast jeden Preis".

Von Peter Burghardt, Hamburg

Die Hüter über zwei Tage Weltpolitik und eine Woche Wut wachen in einem sternförmigen Gebäude im Stadtteil Alsterdorf. Es ist das Hamburger Polizeipräsidium, eine Art Pentagon der Hansestadt, wenn auch von anderer Form. Zehn Blocks, sechs Stockwerke. An den Zäunen hängen derzeit Nato-Draht und rot-weiße Absperrbänder. Der Führungsstab G 20 versammelt sich in einem Raum im Erdgeschoss voller Bildschirme. Der Riesenmonitor an der Wand zeigt den Hafen mit den Kränen, den Schiffen, der Elbphilharmonie. Trübes Wetter, graublaues Wasser. Offenbar alles ruhig. Aber so wird es kaum bleiben, wenn es richtig losgeht.

Mitten in der Kommandozentrale sitzt wie ein Kapitän auf der Brücke ein Mann mit hoher Stirn, grauem Resthaar und Brille. Hartmut Dudde, 54, der Einsatzleiter G 20. "Polizei" steht auf seiner Uniform. Uniformen bekommt man in diesen Tagen in Hamburg reichlich zu sehen, die Entscheider treffen sich in diesem Saal. Wird Dudde, der kürzlich einen Herzinfarkt überstanden hat, der Feldherr einer Schlacht? Oder der oberste Aufpasser eines weitgehend unfallfreien Weltgipfels? Das wird sich zeigen, wenn von Sonntag an die Großdemos gegen G 20 beginnen und von Donnerstag an die Staatschefs der wichtigsten Industriestaaten eintreffen.

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Polizeirecht versus Versammlungsrecht

Vieles hat die Hamburger Staatsgewalt in den vergangenen Jahren erlebt, oft gab es Ärger. Reeperbahn, Schanzenviertel, Zoff mit Autonomen, 1. Mai, das Ausrufen sogenannter Gefahrengebiete. Polizeirecht versus Versammlungsrecht, darum geht es immer wieder. 2016 ereignete sich das ebenfalls mit extremem Aufwand geschützte Treffen der OSZE-Außenminister, ebenfalls in den Messehallen. Das war die Generalprobe für G 20, aber jetzt trifft alles aufeinander wie nie zuvor in einer deutschen Stadt.

Umstrittene Männer wie Donald Trump, Wladimir Putin und Recep Tayyip Erdoğan, weitere gefährdete Politiker und Tausende Delegationsteilnehmer kommen. Hunderttausende Demonstranten werden erwartet, darunter laut Behörden 7000 bis 8000 gewaltbereite, obwohl mancher solche Zahlen und Warnungen als Panikmache versteht. "Welcome to hell", lautet das Motto einer besonders gefürchteten Demo. Willkommen in der Hölle. Und dann ist da auch noch die Terrorangst.

Es wird in jedem Fall der größte und teuerste Einsatz der Hamburger Geschichte, mit 20 000 Polizisten aus nah und fern. Seit eineinhalb Jahren proben die Experten, zu Wasser, zu Land und in der Luft. Wasserwerfer sind vorbereitet, Panzerwagen, Schnellboote, Hubschrauber, Flugzeuge, Sprengstoffspürhunde und so weiter. Tagelang kreiste zuletzt eine nervige Propellermaschine über Hamburg, von Aufklärern und Drohnen ist die Rede. Allein die Pisten für die Regierungstransporter wie die Air Force One werden Hochsicherheitsareale, dazu die Zufahrtswege, die Messehallen, die Hotels, die Elbphilharmonie für das Konzert mit Beethovens Neunter am Freitag nach dem ersten Sitzungstag. Hamburg werde eine Festung, heißt es. Die ersten der kilometerlangen Absperrgitter und ein paar verrammelte Schaufenster sind erste Zeichen. "Sie werden das gesamte deutsche Polizeiequipment hier in Hamburg sehen", verkündete der Kommandant Dudde kürzlich. Man werde sich möglichst zurückhalten, aber: "Wenn wir's komplett brauchen, packen wir's aus."

Die Metropole will Jagdszenen wie in Genua 2001 vermeiden

Das klang martialisch. Timo Zill spricht sanfter, er ist der Sprecher der Polizei und bei G 20 weltweit ihr Gesicht. Auch er kennt Hamburgs Straßen, der 45-jährige Polizeioberrat hat mehrere Kommissariate geleitet. Zill erinnert an den 21. Dezember 2013, als es am Kulturzentrum Rote Flora im Schanzenviertel zu schweren Krawallen kam. Nun fragen sich Hamburg und die Welt, was die Hamburger Polizei und ihre angereisten Kollegen aus den diversen Auseinandersetzungen gelernt haben.

Eine Blaupause gebe es nicht, sagt Zill. Dafür taugt weder G 8 im abgesperrten Heiligendamm am Ostseestrand 2007 noch G 7 auf Schloss Elmau 2015 in den oberbayerischen Bergen. Dieser Gipfel ereignet sich im Zentrum einer Metropole, die sich als weltoffen versteht und Jagdszenen wie 2001 beim G 8 in Genua vermeiden will.

Einerseits erlaubt Hamburg rechtsgemäß eine Serie von Widerstandskundgebungen, selbst "Welcome to hell". Andererseits werden die Gebiete um Messehallen und Elbphilharmonie Sperrzonen sowie am 7. und 8. Juli auf 38 Quadratkilometern Versammlungen verboten. "Wir brauchen das faktisch", sagt Zill. Damit die 42 Delegationen durch die Stadt fahren können, so das Argument. Deshalb soll auch das Protestcamp im Stadtpark verhindert werden, obwohl das Bundesverfassungsgericht ein Zeltlager mit Einschränkungen erlaubt. Ein Gespräch zwischen den Organisatoren und der Polizei ging am Donnerstag nach wenigen Minuten zu Ende. "Aus unserer Sicht ist keine Einigkeit bei der Bewertung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zu erzielen", sagte Polizeipräsident Ralf Martin Meyer. Außerdem darf auf dem Heiligengeistfeld in St. Pauli nicht wie geplant demonstriert werden. Für Straftäter bei G 20 wurde ein vormaliger Großmarkt südlich der Elbe zum Gefängnis mit 400 Zellenplätzen in Containern und angeschlossener Justiz hinter Stacheldraht umgebaut. Und an den Grenzen wird vorübergehend wieder kontrolliert.

300 PR-Beamte in blauen Westen sollen das Volk informieren

Der Erste Bürgermeister Olaf Scholz von der SPD scherzte kürzlich zur Beruhigung, Hamburg veranstalte ja auch jedes Jahr den Hafengeburtstag. So einfach wird es nicht, das ahnt jeder. Autonome und Polizei weisen wechselseitig darauf hin, dass sie für Reaktionen bereit seien. "Deeskalation statt Eskalation", fordert die linke Bürgerschaftsabgeordnete Cansu Özdemir, bisher erkennt sie "Abschreckung und Einschüchterung um fast jeden Preis".

Ein Spagat werde es, sagt Timo Zill. Er gibt sich Mühe, das Bild der bürgernahen, professionellen, gelassenen und notfalls rasch zupackenden Polizisten zu vermitteln. Auch 300 PR-Beamte mit blauen Westen schwärmen aus, um das Volk zu informieren.

© SZ vom 30.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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