G-20-Gipfel:Ein Sturm, den die alte G-20-Ordnung kaum überleben wird

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Jarosław Kaczyński - Zwillingsbruder von Ex-Präsident Lech Kaczyński - bei einer Kundgebung vor dem polnischen Präsidentenpalast. (Foto: AP)

Vor dem G-20-Gipfel trifft sich Donald Trump in Warschau mit Staaten, die für einen autoritären Regierungsstil stehen, für Nationalismus und Isolationismus. Bildet sich eine Internationale der Autokraten?

Kommentar von Stefan Kornelius

Zu Deutsch heißt Międzymorze Zwischenmeer und steht für einen alten geopolitischen Traum vieler Polen: einen Bund aus jenen Staaten, die geografisch das Schwarze Meer und die Ostsee verbinden. Der Traum ist untrennbar mit Marschall Józef Piłsudski verbunden, der Polen 1918 wieder in die Unabhängigkeit und später diktatorisch führte.

Sein eiserner Sarkophag steht heute in der Gruft unter der Königsburg auf dem Wawel-Hügel in Krakau, nicht weit vom Sarkophag von Präsident Lech Kaczyński, der nach dem Flugzeugabsturz bei Smolensk dort ebenfalls beigesetzt wurde.

Es wundert also kaum, dass Kaczyńkis Zwillingsbruder Jarosław, der heimliche Herrscher Polens, diese alte Ordnungsidee aufgreift und die von ihm gesteuerte Regierung in Warschau eine Intermariums-Konferenz veranstaltet - eine Versammlung von Zwischenmeer-Staaten, die sich freilich weniger als Puffer zwischen Russland und dem Westen oder als slawische Schicksalsgemeinschaft verstehen werden.

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Der Ex-Präsident soll bereits im August 2016 über eine Einmischung der Russen in den US-Wahlkampf informiert worden sein. Nicht nur sein Nachfolger Trump kritisiert nun seine Zurückhaltung.

Von Sacha Batthyany

Vielmehr verbindet das Bündnis heute eine politische Grundhaltung: eine sehr eigenwillige Interpretation liberaler Freiheiten, wie sie von der restlichen EU eingefordert werden, der autoritäre Regierungsstil, Nationalismus und Isolationismus.

Das Hamburger Staatentreffen wird zum Weltordnungs-Wettlauf

Weil das alles noch nicht reicht, scheint es nur folgerichtig, dass US-Präsident Donald Trump dieser Versammlung in Warschau beiwohnen wird. Weil das exakt einen Tag vor dem G-20-Gipfel geschieht, wird so eine bemerkenswerte wie verwirrende Botschaft geschrieben.

Was einem Doomsday-Historiker wie Trumps ideologischen Einflüsterer Steve Bannon eine diebische Freude bereiten wird, sollte bei Ordnungspolitikern aus der post-populistischen Zeit alle Warnsensoren zum Glühen bringen. Bildet sich hier eine Internationale der Autokraten?

Diese seltsamen Allianzen entstehen in einem Augenblick, wo auch die, nun ja: Gegenseite ihre Truppen sammelt. Gerade hat die EU einigen ihrer östlichen Mitgliedern signalisiert, dass deren Beitrag zum Gemeinschaftsgedanken unzureichend ist und dass sie den halbdemokratischen Umgang etwa mit der Justiz zu sanktionieren gedenkt. Gleichzeitig bastelt die EU in großer Hast an einem Freihandelsabkommen mit Japan, ebenfalls mit dem Ziel, rechtzeitig zum G-20-Gipfel ein Signal ihrer Handelsvorstellungen auszusenden.

Intermarium, Freihandel, Wertekonflikt: Da braut sich ein Gewitter zusammen für den Gipfel in Hamburg. Sicher ist jetzt schon, dass die alte G-20-Ordnung den Sturm kaum überleben wird. Hamburg wird zur Bühne für ein großes ordnungspolitisches Theater.

Weil niemand diese Show choreografieren kann, steht ein wilder Improvisationszirkus bevor: Klimaleugner gegen Klimaschützer, Freihändler gegen Protektionisten, Werte-Priester gegen die Evangelisten aus der alternativen Faktenwelt. Das Zwischenmeer war und ist eine sehr wackelige geografische Konstellation. Es könnte allerdings sein, dass sich auch die G 20 bald als Wunschgebilde aus einer Zwischenzeit entpuppt.

© SZ vom 26.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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