Fußball:Gier ohne Ende

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Der Fall des DFB-Präsidenten Grindel zeigt, wie weit sich die Funktionäre von der Basis entfernt haben. Der internationale Fußball ist zu einer schier endlosen Schmierengeschichte geworden.

Von Claudio Catuogno

Die Uhr war ein Geschenk, aber jetzt hatte sie doch ihren Preis: Sie hat Reinhard Grindel, den Präsidenten des Deutschen Fußball-Bunds, sein Amt gekostet. Die Uhr hat verhindert, dass Grindel im Ehrenamt zum Multimillionär werden konnte, wie es sein Plan war.

Das ist ja das Bizarre an dem Chefposten des deutschen Fußballs: Relativ schnell rückt man als DFB-Präsident auch in die Führungsgremien des europäischen Verbandes Uefa und des Weltverbandes Fifa ein - und da wird eine überschaubare Anzahl von Sitzungen, in denen man am besten den Mund hält, pro Jahr mit zusammengerechnet einer halben Million Euro vergütet. Hinzukamen die rund 170 000 Euro Jahresgage vom DFB, zur Hälfte "Aufwandsentschädigung", zur Hälfte "Verdienstausfall", die Grindel bei seinem Amtsantritt vor drei Jahren herausgehandelt hatte. Muss man sich da auch noch von einem ukrainischen Funktionär eine 6000-Euro-Uhr schenken lassen?

Es gab längst viele gute Gründe, warum der ehemalige Journalist und Bundestagsabgeordnete Reinhard Grindel als DFB-Präsident nicht mehr tragbar war. In der DFB-Zentrale beklagten sie seinen cholerischen Führungsstil und seine Geltungssucht. Als sich Bundestrainer Joachim Löw und sein Sprecher bei einem Länderspiel in Aserbaidschan zur dortigen Menschenrechtslage äußerten, tobte Grindel, politische Statements seien Sache des Präsidenten. Die Vorstandskollegen hatten die Nase voll von seinen Alleingängen. Seine Moderation der Mesut-Özil-Affäre im vergangenen Sommer war ein Fiasko: Viel zu spät räumte Grindel ein, er hätte klarer gegen rassistische Anfeindungen Stellung beziehen müssen. Und zuletzt schaffte es Grindel, mit jeder öffentlichen Klarstellung zum Umbruch der Nationalelf so viele Fragen aufzuwerfen, dass es neuerlicher Klarstellungen bedurfte, die dann wieder zu Unklarheiten führten.

Peinlich war das schon lange. Wenn Grindel es nun so darstellt, als sei er bloß wegen eines bedauerlichen Fehlers zurückgetreten, wegen eines nicht deklarierten Uhrengeschenks, dann ignoriert und verschweigt er hundert andere. Zuletzt war sogar die Frage aufgekommen, ob Grindel einen Beschluss des eigenen Präsidiums ignoriert hatte, als er sich ein Jahr lang noch weitere 6000 Euro monatlich für ein Aufsichtsratsamt bei einer DFB-Tochterfirma zahlen ließ.

Ungelenk darf ein DFB-Präsident zur Not sein, Gier und Maßlosigkeit sind hingegen der Kern der Affäre. Grindel repräsentierte auch die Hunderttausenden Ehrenamtlichen, die - ohne jede Aufwandsentschädigung - Woche für Woche ihren Dienst in den Amateurklubs tun. Auch ihnen war er nicht mehr zuzumuten.

Wie weit man sich als Funktionär von dieser Basis entfernen kann, davon erzählt die 6000-Euro-Uhr, die Grigori Surkis, ein ukrainischer Oligarch und Skandalfunktionär, Grindel zum Geburtstag überreichte. Grindel, der in diversen Compliance- und Governance-Gremien saß, sagt, er habe sie für "ein Privatgeschenk" gehalten und über eventuell erwartete Gegenleistungen oder Interessenkonflikte gar nicht nachgedacht. Allerdings funktioniert der internationale Fußball genau so: Er ist ein ständiges Geben und Nehmen, eine endlose Schmierengeschichte von kleinen Gefallen und großen Gefälligkeiten. Das war in der Tat ein großer Fehler: zu glauben, er, Reinhard Grindel, bekomme so eine Uhr einfach so. Geschenkt.

© SZ vom 03.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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