Süddeutsche Zeitung

Fußball-EM in der Ukraine:Wer wegbleibt, sendet ein Signal

Nicht jeder Politiker muss lauthals seinen persönlichen Boykott der Fußball-EM in der Ukraine herausposaunen. Doch jene, auf die es ankommt, sollten klar Position beziehen. Denn die politische Ächtung wirkt. Fußball kann ja trotzdem gespielt werden.

Kurt Kister

Ein politischer Boykott der Fußball-Europameisterschaft in der Ukraine bringe nichts, sagen dessen Gegner. Das ist falsch, wie jetzt auch die Absage des für Ende dieser Woche geplanten mitteleuropäischen Präsidenten-Treffens in der Ukraine zeigt. Der Gipfel ist wegen eines politischen Boykotts geplatzt.

Außer Joachim Gauck haben so viele andere eingeladene Präsidenten und Staatschefs abgesagt, dass die Regierung Janukowitsch das Treffen in Jalta auf unbestimmte Zeit verschoben hat. Die Botschaft ist klar: Europa will nicht Potemkin'sche Kulisse sein für eine Regierung, die ihre Gegner, allen voran die Symbolfigur Julia Timoschenko, rücksichtslos verfolgt.

Bei einem politischen Boykott der EM geht es nicht darum, dass in der Ukraine nicht Fußball gespielt werden soll. Die DFB-Elf ist, wie ihr unglücklich formulierender Trainer Löw zu bemerken beliebte, tatsächlich nicht die "Weltpolizei".

Es ist angebracht, klar Position zu beziehen

Wenn sich aber Mitglieder der Bundesregierung, gar die Bundeskanzlerin, mit Janukowitsch oder dessen Hintersassen auf der Tribüne zeigen, dann ist das eben nicht nur Unterstützung der deutschen Fußballer, sondern auch eine Hofierung der herrschenden Clique.

Gewiss muss nun nicht jeder Politiker, der nicht einmal eine Karte für die EM hat, lauthals seinen persönlichen Boykott des Turniers herausposaunen. Aber es ist angebracht, wenn jene, auf die es ankommt, klar Position beziehen. Präsident Gauck hat dies im Konsens mit der Kanzlerin getan.

Wer demonstrativ wegbleibt, sendet ebenso ein Signal aus wie jener, der an einem Ereignis ostentativ teilnimmt. Gerhard Schröder zum Beispiel, der gerade Putins Amtseinführung in Moskau beiwohnte, hat getan, was Merkel in Kiew unterlassen sollte.

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Quelle:
SZ vom 09.05.2012/gal
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