Fußball-EM 2024:Keine Märchen mehr, bitte

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Fanmeile am Brandenburger Tor. (Foto: dpa)

Ein Turnier geht nach Deutschland? Da müssten nach den Skandalen um die WM 2006 die Alarmlämpchen angehen. Auch diesmal waren Kriterien wie Menschenrechte nicht entscheidend - dennoch gibt es Anlass zur Hoffnung.

Kommentar von Claudio Catuogno

Wenn nun die Rede davon ist, dass Deutschland ein neues Sommermärchen bekommt, die Fußball-Europameisterschaft 2024, dann muss irgendwo ein Alarmlämpchen aufleuchten. Sommermärchen? Das liebliche Wort steht längst nicht mehr nur für eine vierwöchige Party im Sommer 2006. Oder für das Erwachen eines "unverkrampften Patriotismus" - der übrigens heute auch nicht mehr so unverkrampft daherkommt mit seinen durch Dresden oder Chemnitz getragenen Deutschlandfahnen.

Das Sommermärchen steht auch für den Fall des Idols Franz Beckenbauer. Für dubiose Millionentransfers. Für bis heute nicht abgeschlossene Ermittlungsverfahren. Und für einen Deutschen Fußball-Bund, der, durchgeschüttelt von der "Sommermärchen-Affäre", ein umfassendes Transparenz-Versprechen abgab - welches er aber bis zum heutigen Tag nicht eingelöst hat. Die Korruptions- und Steuerermittler beklagen offen mangelnde Mitarbeit, und insbesondere um die Kernfrage windet sich der DFB weiter herum: War der Zuschlag für die WM 2006 gekauft?

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Zumindest, dass damals mit schwiemeligsten Methoden um jede Stimme gekämpft wurde, ist gut dokumentiert. Was zwangsläufig zu der Frage führt, wie nun die EM 2024 nach Deutschland kam.

Transparenz, Offenheit, Compliance, das waren diesmal die Kernbotschaften der deutschen Bewerber. Sie wurden zwar nicht in jedem Detail eingehalten - so blieb etwa unklar, wie genau die zehn Spielorte ausgewählt wurden. Aber es erscheint doch plausibel, dass die zwölf Vorstände des europäischen Verbandes Uefa, die den Deutschen am Donnerstag ihre Stimme gaben, tatsächlich auf der Basis von Sacherwägungen entschieden haben.

Die Menschenrechtslage in der Türkei wird nicht das Hauptargument gewesen sein. Wären inhaftierte Regimekritiker und Journalisten ein Kriterium, das Sportfunktionäre ernsthaft in Sorge versetzt, hätten sie die WM 2018 nicht nach Russland, die WM 2022 nicht nach Katar und die Olympischen Winterspiele 2022 nicht nach Peking vergeben dürfen. Autokratien sind beliebte Partner, da kann man als Sport-VIP wenigstens sicher sein, dass vor dem Hotel keine Demonstranten den Ausblick stören wie 2014 bei der WM in Brasilien. Und wenn ein Turnier-Ausrichter Stadien baut statt Krankenhäuser und Schulen, geht das in Ordnung - solange die Abschlussrechnung stimmt.

Insofern war es zwar ein bemerkenswertes Signal, dass die Uefa-Administration das Fehlen eines "Aktionsplans in Sachen Menschenrechte" in der türkischen Bewerbung beklagt hat. Beunruhigender - und damit wahlentscheidend - waren aber wohl die wirtschaftlichen Bedenken. Die aktuelle Währungskrise in der Türkei ließ notwendige Investitionen in Stadien und Infrastruktur wie Hochrisikoprojekte erscheinen. Und bei den von der Regierung Erdoğan versprochenen Steuerbefreiungen bezweifelten Experten, ob sie überhaupt rechtmäßig sind. Solche Unsicherheiten sind schlecht fürs Business.

Es liegt immer noch eine Menge im Argen im internationalen Sport, insbesondere der Weltverband Fifa hat unter dem neuen Präsidenten Gianni Infantino einfach so weitergemacht wie eh und je. Uefa-Präsident Aleksander Ceferin, ein Quereinsteiger aus Slowenien, gibt hingegen Anlass zur Hoffnung, dass wenigstens in der Uefa wieder demokratische Spielregeln gelten. Jetzt müssten halt auch die Deutschen noch ihre Versprechen halten.

© SZ vom 28.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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