Süddeutsche Zeitung

Fußball:Der Abstieg

Erst der stillose Rauswurf von drei verdienten Spielern aus der Nationalmannschaft, dann das drastische Scheitern deutscher Klubs gegen britische Teams in der Champions-League: Der deutsche Fußball steckt in der Krise. Dabei fehlt es weniger an Geld als an Fantasie und Visionen.

Von Klaus Hoeltzenbein

Dieser Freitag wird ein schwarzer Freitag für den deutschen Fußball. Eine öffentliche Dokumentation des Scheiterns. Zur Mittagszeit wird das Viertelfinale der Champions League ausgelost - ein Bundesligist ist nicht unter den letzten acht. Nahezu gleichzeitig hat Joachim Löw kurzfristig zu einer Pressekonferenz nach Frankfurt geladen, Löw wird sich gegen den Vorwurf der Stillosigkeit verteidigen. Vor wenigen Tagen hatte der Bundestrainer einen Generationswechsel verfügt. Weniger dass er es tat, hält ihm die Kritik vor, sondern wie radikal er es tat. Immerhin war er mit Mats Hummels, 30, Jérôme Boateng, 30, und Thomas Müller, 29, den Ausgemusterten, 2014 in Rio Weltmeister geworden.

Dass dieses Trio jetzt mit dem FC Bayern in der Champions League scheiterte, lässt Löw nicht automatisch zum Gewinner werden; es macht es ihm nur leichter, sich zu erklären. Löw selbst hatte ja vorgeführt, dass der deutsche Fußball zum eigenen Denkmal erstarrt ist, als er die Nationalelf bei der WM 2018 in Russland in den Vorrunden-Knock-out coachte. Normalerweise geht dann der Trainer. Nun geht, mit monatelanger Verzögerung, die ältere Garde. Ober sticht Unter.

Löw will eine neue Mannschaft bauen, aber mit wem? Die deutsch-englischen Champions-League-Wochen endeten gerade in der sportlichen Kapitulation: Der FC Bayern (gegen Liverpool), Borussia Dortmund (Tottenham) und Schalke 04 (Manchester City) ergaben sich insgesamt mit einem irrwitzigen Torverhältnis von 3:17. Da helfen lokale Analysen nur noch bedingt, der deutsche Fußball braucht einen neuen Masterplan. Vergleichbar dem, der im Jahr 2000 gefasst wurde. Damals war die Nationalelf bei der Europameisterschaft spektakulär gescheitert, das schuf ein Klima für Reformen. Fortan hatte jeder Bundesligist ein Nachwuchszentrum zu betreiben. Diese Zentren sind wichtig, gelten aber auch als Problem: zu verschult, zu ergebnisorientiert werde dort gearbeitet, Individualität ersticke im taktischen Korsett. Auch wenn es hier und da Talente gibt, sind Franzosen, Engländer oder Spanier enteilt. Das Problem ist zwar erkannt, in Frankfurt plant der DFB eine Akademie, ein Silicon Valley des Fußballs, doch weiterhin verzögert sich der Baubeginn.

Oft wird fehlende Finanzkraft als Grund für den Absturz der Bundesliga reklamiert, doch das ist ein überstrapaziertes Alibi. Dass englische Klubs aufgrund der globalen Strahlkraft ihrer Premier League heute Milliarden verteilen, während die Bundesliga noch in Millionen rechnet, ist eine Tatsache, an der sich wenig ändern wird. Doch auch die Engländer mussten Niederlagen-Serien einstecken, ehe sie ihr Geld zielgenauer investierten: in Know-how und in teure Trainer wie den einstigen Dortmunder Jürgen Klopp, der den FC Liverpool beschleunigt, oder den ehemaligen Bayern-Coach Pep Guardiola bei Manchester City. Beide investieren Wahnsinnssummen, verstehen es aber auch, Potenziale zu wecken.

Das Beispiel aus Liverpool: Zwei Profis, die dort heute Weltklasse verkörpern, übten einst nahe der deutschen Grenze - der Senegalese Sadio Mané in Salzburg, der Ägypter Mohamed Salah in Basel. In der Bundesliga landeten sie nie. Auch da fehlten Fantasie und Visionen. So geht es dem deutschen Fußball gerade kaum anders als dem ganzen Land, nur im Fußball, beim Elf-gegen-elf, liegt die Erkenntnis wie ein offenes Buch auf dem Rasen.

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Quelle:
SZ vom 15.03.2019
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